US-Kongressabgeordnete bereuen 9/11-Gesetz
Die Angehörigen der Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 können seit kurzem Entschädigungsklagen gegen Saudi Arabien richten. Das erlaubt ein neues US-Gesetz. Saudi Arabien rennt schon jetzt dagegen Sturm. Riad kritisiert es scharf und warnt vor "katastrophalen Folgen". Das Gesetz sei "ein Grund für große Besorgnis", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Riad am Donnerstag.
Einige US-Kongressabgeordnete bereuen offenbar bereits ihr Votum. US-Präsident Barack Obama hatte noch versucht, das Gesetz mit seinem Veto zu verhindern - ohne Erfolg. Das Weiße Haus hatte nicht nur vor den Folgen des Gesetzes für das Verhältnis der USA zu Saudi Arabien gewarnt, vor allem sieht Obama amerikanische Diplomaten und Soldaten im Ausland durch das Gesetz in Gefahr.
Späte Reue bei Abgeordneten
Laut Washington Post ist einigen Kongressabgeordneten wohl die Tragweite ihrer Entscheidung gedämmert. Ausgerechnet die Spitze der republikanischen Partei erhofft sich nun doch Änderungen im Gesetz. Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses, sagte: "Ich würde gerne glauben, dass es einen Weg gibt, das Problem zu lösen. Damit unser Militär im Ausland keine rechtlichen Probleme bekommt, wir aber trotzdem die Rechte der Angehörigen der Opfer von 9/11 wahren können." Ryan hatte sich zuvor für das Gesetz ausgesprochen, stimmte aber am Mittwoch nicht ab.
Auch Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat und Republikaner wie Ryan, meinte, das Gesetz bedürfe weiterer Diskussionen. Allerdings beschuldigte er auch das Weiße Haus nicht energischer gegen das Gesetz argumentiert zu haben. McConnell überstimmte am Mittwoch Obamas Veto.
Auf CNN erklärte Obama am Donnerstag, wieso er das Gesetz für einen Fehler hält. Die Abstimmung sei "politisch" gewesen und ein "Fehler". Vor einer Wahl sei es vielen Abgeordneten wohl schwergefallen gegen die Familien der Opfer zu stimmen. Es wäre eine "harte" Entscheidung gewesen, aber die richtige, sagte Obama.
Obamas Veto blieb wirkungslos
Obama hatte den amerikanischen Kongress vor der Abstimmung aufgerufen, "die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den katastrophalen und gefährlichen Folgen" für die Beziehungen zu begegnen. Der US-Präsident hatte sein Veto gegen das Gesetz eingelegt, da es "schädlich für die nationalen Interessen der USA" sei. Das Veto war dann am Mittwoch im Senat und im Repräsentantenhaus überstimmt worden. Zum ersten Mal in seiner achtjährigen Amtszeit.
Auch viele Demokraten stimmten gegen das Veto - eine besondere Demütigung in den letzten Amtsmonaten des US-Präsidenten.
Obamas Kritik: Andere Länder könnten US-Streitkräfte klagen
Die US-Regierung argumentiert, dass das Gesetz das Prinzip der Immunität souveräner Staaten schwächt, das sie - und damit auch die USA - vor Prozessen schützt. Die Befürworter des Gesetzes werfen der Regierung wiederum vor, die Initiative nur aus Rücksicht auf ihren Verbündeten abzulehnen und die Terroropfer hängen zu lassen.
"Was für die Volksschule gilt, gilt auch für den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika. Ignoranz ist keine Entschuldigung."
Der Pressesprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, geht laut politico.com mit den reumütigen Abgeordneten hart ins Gericht: "Was für die Volksschule gilt, gilt auch für den Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika. Ignoranz ist keine Entschuldigung – vor allem nicht wenn es um unsere nationale Sicherheit, die Sicherheit unserer Diplomaten und unserer Soldaten geht."
Earnest nannte die neuen Offenbarungen des Senats eine "erbärmliche Peinlichkeit."
Gesetz gegen Saudi Arabien
Das Gesetz ist vor allem gegen Saudi Arabien gerichtet. Aus dem erzkonservativen Königreich stammten 15 der 19 Attentäter vom 11. September 2001. Seit den Anschlägen waren immer wieder Vorwürfe laut geworden, die Attentäter hätten Hilfe vonseiten der saudi-arabischen Führung erhalten. Die Regierung in Riad wies diese Vorwürfe vehement zurück und betrieb hinter den Kulissen massive Lobbyarbeit bei ihrem Verbündeten in Washington, um das Gesetz zu verhindern - erfolglos.
Saudi Arabien ist außerdem einer der wichtigsten US-Verbündeten im Nahen Osten. In Konflikten wie den Bürgerkriegen in Syrien und im Jemen ist das Land von großer Bedeutung. Das Königreich steht im Westen aber auch in der Kritik, etwa wegen der Menschenrechtslage oder der weltweiten Förderung einer besonders extremen Form des sunnitischen Glaubens, dem Wahhabismus. Dieser wird oft mit islamistischen Attentätern in Verbindung gebracht.
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