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Sozialistisch und muslimisch: Wie der mutmaßlich neue Bürgermeister New Yorks tickt

Sozialistisch und muslimisch: Wie der mutmaßlich neue Bürgermeister New Yorks tickt
Der erst 34-jährige, in Uganda geborene Zohran Kwame Mamdani dürfte bei der morgigen Wahl nicht zu schlagen sein. Trump droht bereits.

90.000 enthusiastische Wahlhelfer für einen bekennenden Sozialisten in der kapitalistischsten Stadt der Welt zu gewinnen –  so was fällt in Zeiten allgemeiner Politiker-Verdrossenheit nicht vom Himmel. Zohran Kwame Mamdani hat das in wenigen Monaten in New York selbst nach Ansicht seiner Kritiker mit „herausragendem Charisma, authentischer Volksnähe, viel Charme und Leidenschaft“ geschafft.

Am Dienstag kann der gerade einmal 34 Jahre alte Demokrat, dem Anhänger und professionelle Beobachter das Menschenfischer-Talent eines John F. Kennedy oder Barack Obama attestieren, allen seriösen Umfragen nach zu urteilen die Früchte ernten und als erster Muslim der neue Bürgermeister der 8,5 Millionen Einwohner starken Metropole am Hudson River werden. Und damit Hauptbevollmächtigter über einen kommunalen Koloss mit über 300.000 Bediensteten und einem Jahreshaushalt von 110 Milliarden Dollar.

Für bezahlbares Wohnen

Letzte Umfragen sehen ihn zwischen 10 und 20 Prozentpunkten vor der Konkurrenz. Mamdanis überraschendes Erfolgsrezept: Bezahlbarkeit. Das sündhaft teure New York, in dem eine schnöde Zwei-Zimmer-Wohnung im Schnitt mit 4.500 Dollar Monatsmiete zu Buche schlägt, soll erschwinglicher werden.

Dazu schlägt der Sohn der indisch-stämmigen Film-Regisseurin Mira Nair und des Columbia-Universitätsprofessors Mahmood Mamdani ein paar Dinge vor, die an der Wall Street als Teufelszeug gelten: kostenlose Nahverkehrsbusse; kostenlose öffentliche Betreuung für Kinder bis zum fünften Lebensjahr; eine Mietpreisbremse, von der etwa zwei Millionen New Yorker profitieren würden; die Verdopplung des Mindestlohns auf 30 Dollar pro Stunde bis 2030; und stadteigene Supermärkte, die Lebensmittel billiger verkaufen könnten.

Democratic candidate for New York City Mayor, Zohran Mamdani, campaigns in Manhattan, New York City

Mamdani gibt sich stets volksnah

Geben ihm die Wähler für dieses Programm den Zuschlag, wäre ein politischer Faust-Kampf eröffnet, der die Zukunft der in Agonie verfallenen Demokraten bestimmen könnte, wo manche den ansteckend lächelnden Bartträger bereits als potenziellen Retter sehen. Denn als Widersacher des in Uganda geborenen Mamdani, der im Alter von sieben Jahren nach NYC kam, hat sich bereits ein anderer prominenter New Yorker positioniert: Donald Trump.

Der Präsident hat bis zuletzt alles versucht, den Emporkömmling aus Queens, der noch zu Jahresbeginn ein unbekannter Abgeordneter im Bundesstaatsparlament in Albany war, madig zu machen. Trump nennt Mamdani einen „100 Prozent wahnsinnigen Kommunisten“, der den „Big Apple“ zerstören werde. Er droht damit, seiner Heimatstadt milliardenschwere Zuschüsse der Zentralregierung zu versagen.

In die fünf Schmelztiegel-Stadtbezirke, in denen 800 Sprachen gesprochen werden, will Trump verstärkt die Einwanderer-Polizei ICE schicken, um Illegale abzuschieben. Trump widersprach auch nicht, als Republikaner im Kongress die Aberkennung der von Mamdani erst 2018 erworbenen US-Staatsbürgerschaft forderten und ihn ein Viertel-Jahrhundert nach den islamistischen Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 ohne Belege in die Nähe von „Dschihadisten“ rückten.

Dass der kometenhafte Aufstieg des elitär gebildeten Afrikanisten, der sich im Gaza-Krieg als harter Kritiker der israelischen Regierung profiliert hat, auch durch die personifizierte Verkrustung seiner Mitbewerber zu erklären ist, lässt Trump unkommentiert. Nachdem Amtsinhaber Eric Adams, ein von Korruptionsaffären geplagter Demokrat, aufstecken musste, blieben noch Curtis Sliwa über, einst Kopf der Bürgerwehr „Guardian Angels“, der ein aus der Zeit gefallener Republikaner ist, und Andrew Cuomo, der nach Sexmissbrauchsskandalen zurückgetretene ehemalige Gouverneur des Bundesstaates New York.

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Eher auf verlorenem Posten:   Curtis Sliwar - ein aus der Zeit gefallener Republikaner

Cuomo kassierte bei den demokratischen Vorwahlen im Frühsommer eine Abfuhr gegenüber Mamdani und versuchte es danach mit einer parteiunabhängigen Kandidatur. Sein Mantra: „Wenn Mamdani gewinnt, wird Trump hierherkommen und New York City übernehmen.“

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 Andrew Cuomo scheiterte bei der Vorwahl der Demokraten und tritt nun als Unabhängiger an 

Weder Cuomo noch Sliwa haben der Mamdani-Kampagne, die Wahlkampf zum Anfassen, Mitfühlen und Mitlachen bietet, aber auch Botschaften via TikTok und Instagram, etwas entgegensetzen können. Selbst ihr größtes Argument gegen den Emporkömmling scheint zu verpuffen. Denn Mamdani will eine Extra-Einkommensteuer von zwei Prozent von jenen New Yorkern bezahlen lassen, die pro Jahr siebenstellig und aufwärts verdienen. Umsetzbarkeit fraglich. Dennoch reden Cuomo, Trump und viele reiche Wall-Street-Akteure bereits eine kolossale Kapitalflucht herbei, an der New York zugrunde gehen werde, sollte Mamdani ins Amt kommen.

Demokratische Schwergewichte für Mamdani

Mit Millionen-Spenden haben Gegner des Jungstars bis zuletzt versucht, Cuomo als „Vernunftlösung“ hoffähig zu machen. Der Erfolg blieb bisher aus. Mamdani, massiv unterstützt von demokratischen Schwergewichten wie Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez, lacht darüber: „Was mir an Erfahrung fehlt, mache ich durch Integrität wett. Was aber Andrew Cuomo an Integrität fehlt, kann er niemals mit Erfahrung ausgleichen.“

Der Satz hätte von Barack Obama stammen können, der gezeigt hat, dass ein Schwarzer mit einem muslimischen Namen in Amerika Präsident werden kann –  und sich am Wochenende mit bewundernden Worten hinter den Parteikollegen stellte. Er weiß: Zohran Mamdani, ein echter Muslim und selbsternannter Sozialist, könnte morgen die Hauptstadt des Kapitalismus erobern.
 

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