Debakel für Barack Obama
Die Umfragen zu den Kongresswahlen sollten Recht behalten: Die demokratische Partei von US-Präsident Barack Obama hat nach dem Repräsentantenhaus auch die Kontrolle über den Senat verloren. Sieben der insgesamt 36 zur Wahl stehenden Sitze haben die Republikaner dafür den Demokraten abgenommen. Damit haben die Republikaner mindestens 52 der 100 Sitze im Senat inne. Auch im Repräsentantenhaus konnte die Grand Old Party wie erwartet ihre Mehrheit von 233 Mandaten verteidigen und weiter ausbauen.
Es ist nun damit zu rechnen, dass der Kongress dem Präsidenten Gesetzesvorlagen ganz im Sinne republikanischer Politik präsentieren wird. Obama wird sie via Veto abschmettern. Keine guten Aussichten also für den Berg unbewältigter Aufgaben, den das Land vor sich hat (mehr dazu siehe unten).
Ergebnisse nach Bundesstaaten
Sitze verloren haben die Demokraten in West Virginia. Hier unterliegt Natalie Tennant der republikanischen Kontrahentin Shelley Moore Capito. Die Demokraten hatten den Sitz mit John Rockefeller 30 Jahre lang inne. Rockefeller trat diesmal nicht mehr an. In Arkansas hat der erst 37-jährige Tom Cotton den Demokraten Mark Pryor aus dem Amt verdrängt. Mike Rounds von den Republikanern setzt sich in South Dakota gegen den Demokraten Rick Weiland durch. Der langjährige demokratische Amtsinhaber Tim Johnson war nicht mehr zur Wahl angetreten. In Montana konnte sich Steve Daines gegen Amanda Curtis behaupten. Eine schmerzhafte Niederlage müssen die Demokraten auch in Colorado verkraften. Seit 2002 stellten sie hier den Senator. Nun hat sich der republikanische Herausforderer Cory Gardner gegen Amtsinhaber Mark Udall durchsetzen können. In North Carolina löst Thom Tillis die amtierende Demokratin Kay Hagan als Senator ab. Joni Ernst wird die erste Frau aus Iowa sein, die auf einem Senatssitz in Washington Platz nehmen wird. Sie setzte sich gegen Bruce Braley durch.
Weiterhin in den Händen der Republikaner bleiben Alabama, Idaho, Kansas, Mississippi, Maine, Nebraska, Oklahoma, South Carolina, Texas, Tennessee und Wyoming. Im Bundesstaat Kentucky konnte sich der Republikaner Mitch Mc Connell gegen die Herausforderin Alison Lundergan Grimes behaupten und bleibt Senator. Sollte die Grand Old Party tatsächlich die Mehrheit im Senat übernehmen, hat McConell gute Chancen Senate Leader zu werden. Hart umkämpft war der Senatssitz in Georgia: Er bleibt bei der Grand Old Party.
Die Demokraten werden weiterhin Senatoren aus Delaware, Illinois, Hawaii, Massachusetts, Michigan, Minnesota, New Jersey, New Mexico, Oregon, Rhode Island und New Hampshire stellen. Wie CNN berichtet, lud Obama führende Republikaner und Demokraten für Freitag ins Weiße Haus ein.
Bilder: So wählt Amerika
Stichwahl in Louisiana
Offen bliebt das Rennen um den Senat in Louisiana, es wird in einer Stichwahl am 6. Dezember entschieden. Weder die amtierende Demokratin Mary Landrieu noch Bill Cassidy (R) konnte mehr als 50 Prozent der Stimmen erreichen. In Louisiana wie in Georgia müssen die Sieger eine absolute Mehrheit auf sich vereinen. In Georgia wäre der zweite Wahlgang für 6. Jänner angesetzt. In allen anderen Bundesstaaten gilt das relative Mehrheitswahlrecht: Der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt den Sitz, alle anderen abgegebenen Stimmen sind nicht weiter von Belang.
Technische Probleme in Virginia
In Wahllokalen im Bundesstaat Virginia soll es vereinzelt technische Probleme mit den digitalen Wahlterminals gegeben haben, berichtet die Washington Post. So wurde auf manchen Touchscreens eine extra große Schrift gewählt, um die Lesbarkeit zu verbessern. Das führte jedoch dazu, dass der Abstand zwischen den beiden zu wählenden Kandidaten so eng wurde, dass manche Wähler irrtümlich dem falschen Politiker ihre Stimme gegeben haben. Die Stimmen sollen nachträglich korrigiert worden sein. Das Ergebnis in Virginia steht noch aus.
Teuerste Wahl in der Geschichte
Die heurigen Halbzeitwahlen sind die teuersten in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Die Wahlschlacht verschlang laut dem Center for Responsive Politics fast vier Milliarden Dollar. 2,7 Milliarden Dollar kam von Kandidaten und Partein, der Rest von privaten, parteinahen Gruppierungen. Die Republikaner ließen sich den Wahlkampf rund 1,92 Mrd Dollar kosten. Die Demokraten kamen mit etwas weniger über die Runden: 1,76 Milliarden Dollar gaben sie aus. In den letzten beiden Wochen vor der Wahl wurden pro Tag etwa 20 Millionen Dollar in die Wahlen gesteckt.
Florida: Kein medizinisches Cannabis
Die Amerikaner wählten am Dienstag nicht nur Abgeordnete und Senatoren. Ferner wurden in 38 Bundesstaaten die Gouverneure gewählt sowie 172 Bürgermeister. In mehreren Bundesstaaten wurden auch Volksabstimmungen über Themen wie verschärfte Waffenkontrollen (Washington) oder Mindestlohn (Alaska, Arkansas, Illinois, Nebraska, South Dakota).
In Oregon haben sich die Wähler klar für die Legalisierung von Marihuana ausgesprochen. Bürger ab 21 Jahren dürfen zu Hause nun vier Cannabis-Pflanzen anbauen. Auch in Washington D.C. sprach sich eine überwiegende Mehrheit für die Freigabe aus. In der Hauptstadt dürfen nun bis zu sechs Pflanzen angebaut werden. Der Handel mit Gras ist aber verboten.
In Alaska hatte ein ähnliches Referendum in der Nacht gute Gewinnchancen.
In Florida stimmten die Amerikaner über die medizinische Nutzung von Marihuana ab. Das Referendum verfehlte mit 58 Prozent knapp die notwendige Mehrheit von 60 Prozent der Stimmen.
Mindestlohn
In Alaska wird ab 2016 der Mindestlohn auf 9,75 Dollar die Stunde angehoben, in Arkansas soll er mit 2017 auf 8,50 Dollar steigen. In Illinois wird er ab nächstem Jahr bei 10 Dollar liegen, in Nebraska ab 2016 bei 9 Dollar die Stunde. Mehr Mindestlohn wird es ab 2015 auch in South Dakota geben: 8,50 Dollar.
In Colorado und North Dakota scheiterten Initiativen von Abtreibungsgegnern, die Embryonen per Verfassungszusatz vom Zeitpunkt der Zeugung an ein Recht auf Leben verleihen wollten.
Im kalifornischen Berkeley bahnte sich nach Hochrechnungen ein Sieg für die Verfechter einer Limonaden-Steuer an. Eine Getränkedose würde somit zwölf US-Cent mehr kosten. Es ist die erste Limonaden-Steuer im Kampf gegen den Zuckerkonsum in den USA.
Das war keine Niederlage, das war eine schwere Schlappe für Barack Obama. Umso schmerzhafter für den Herrn des Weißen Hauses, zumal nicht einmal der US-Präsident, sondern das Parlament zur Wahl gestanden ist. Das gestrige Votum der amerikanischen Wähler aber war nichts anderes als ein Ausdruck der Unzufriedenheit, der Enttäuschung und des sich Abwendens von jenem einstigen Hoffnungsträger der amerikanischen Politik, der vermocht hatte, mit seinem Versprechen vom “change” (Wandel) Millionen Menschen in aller Welt buchstäblich von den Sitzen zu reißen.
Den “change” feiern jetzt die Republikaner. Mit der Rückeroberung beider Häuser des Kongresses sind Präsident Obama für die letzten zwei Jahre seiner Amtszeit die Hände weitestgehend gebunden. Kein Gesetz wird er gegen den Willen der Konservativen durchbringen. Was den Präsidenten im Grunde nicht zu einer noch “lahmeren Ende” (lame duck) macht, die er nicht schon ist. Bereits in den vergangenen vier Jahren haben die Republikaner Obama jeden nur erdenklichen Prügel vor die Beine geworfen. Alle großen Reformvorhaben des demokratischen Präsidenten scheiterten am Widerstand der Republikaner.
Die Frage ist nur: Haben die Republikaner nun den Handlungsfreiraum, den sie Obama genommen haben? Kommt nun die konservative Agenda: Steuern runter, Staatsausgaben und Sozialleistungen radikal kürzen, strengere Einwanderungsgesetze? Nie und nimmer, so lange Barack Obama im Weißen Haus sitzt. Der Präsident wird jedes radikal-konservative Gesetz der Republikaner mit einem Veto verhindern. “Lahm” werden in den kommenden zwei Jahren bis zur nächsten Präsidentenwahl also auch die Republikaner sein.
Das wird gefährlichen, innenpolitischen Stillstand für das mächtigste Land der Welt bedeuten. Das wird Amerikas Konservativen aber auch keinen Bonus für die Wahl 2016 bringen – zumal sich im Hintergrund die gefürchtete Hillary Clinton als potenzielle demokratische Kandidatin bereits für die Präsidentenwahlen in Stellung bringt. Auf republikanischer Seite ist dagegen noch kein gleichwertiger Gegner zu sehen.
Nach der Wahl ist vor der Wahl, und auch nach der gestrigen Niederlage gilt für die Demokraten: Für die Kür des nächsten Präsidenten (oder Präsidentin) stehen ihre Chancen gut.
Schlechte Presse, mäßige Umfragedaten – und eisiger Gegenwind im Kongress: Leicht, da sind sich Washingtons politische Experten jetzt schon einig, werden die letzten zwei Jahre Obamas als Präsident nicht.
Kein Einzelschicksal. Vorgänger George W. Bush musste sich nach den Kongresswahlen 2006 mit einer Oppositionsmehrheit in beiden Häusern des US-Kongresses herumschlagen, verfolgt von Umfragedaten, die Obamas spielend unterboten.
Trotzdem gelang ihm beim Endlos-Streit um die Einwanderungsreform zumindest ein gesetzlicher Kompromiss. Bill Clinton davor war in seinen letzten beiden Amtsjahren ohnehin nur noch mit dem Skandal rund um seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky beschäftigt – und damit, seine vorzeitige Absetzung zu verhindern.
Politischer Stil
Obama aber bläst der politische Gegenwind noch ein bisschen eisiger ins Gesicht, und daran ist sein politischer Stil durchaus mit schuld. Ungeachtet aller Versprechen, über die Parteigrenzen hinweg regieren zu wollen, hat er auch schon die Reformen in seiner ersten Amtszeit zuletzt nur mit der demokratischen Mehrheit im Kongress durchgedrückt. Das verhärtete die politischen Fronten und ließ die Scharfmacher an der rechten Flanke der Republikaner zunehmend den Ton angeben.
Militante Ablehnung
Die Kandidaten der erzreaktionären T-Party setzten sich in der Partei durch. Zwar ist der Siegeszug der Rechten zuletzt ins Stocken geraten. Das aber ändert nichts daran, dass für die maßgeblichen Republikaner das politische Profil vorrangig aus einer Grundhaltung besteht: militante Ablehnung Obamas. Der Präsident reagiert darauf, indem er noch mehr Öl ins Feuer gießt und droht, für ihn wichtige Anliegen als präsidiale Verordnungen durchzudrücken.
Die Veto-Keule
Reibereien werden sich also häufen. Es ist damit zu rechnen, dass der Kongress dem Präsidenten Gesetzesvorlagen ganz im Sinne republikanischer Politik präsentieren wird. Obama wird sie via Veto abschmettern. Keine guten Aussichten also für den Berg unbewältigter Aufgaben, den das Land vor sich hat.
Reformen - Seit eineinhalb Jahren liegt die Reform des US-Einwanderungsgesetzes wegen einer Blockade der Republikaner im Repräsentantenhaus auf Eis. Kernpunkt ist, den rund elf Millionen Einwanderern ohne gültige Papiere den Weg zur Staatsbürgerschaft zu ebnen.
Trotz holprigen Starts ist es durch die Gesundheitsreform gelungen, Millionen Amerikaner zusätzlich zu versichern. Die Republikaner werden keine Chance auslassen, "Obamacare" mit Verweis auf die immensen Ausgaben zu torpedieren. Weiterhin auf Widerstand stoßen wird Obama auch mit seinen Vorhaben, Guantánamo zu schließen und strengere Waffengesetze einzuführen.
Wirtschaft - Zehn Millionen Jobs wurden unter Obama geschaffen, die Arbeitslosigkeit ist mit unter sechs Prozent so niedrig wie seit 2008 nicht mehr, und auch die Konjunktur zieht an. Diese Erholung der Wirtschaft aber kommt bei der breiten Masse nicht an. 95 Prozent der Einkommenszugewinne entfielen auf das eine Prozent der Vermögendsten. Die Löhne der Mittelschicht stehen indes auf dem Niveau von 1999. Und so schmelzen auch die Vermögen der breiten Masse dahin: Laut US-Notenbank Fed lagen sie zwischen 2006 und 2012 bei 130.000 Dollar. Jetzt sind es 83.000 Dollar. Um einer Schieflage entgegenzuwirken, will Obama die Mindestlöhne anheben. Da will die Opposition nicht mitspielen.
Ein weiteres wirtschaftliches Problem ist der immense Schuldenberg, den die USA angehäuft haben: Noch heuer dürfte er die 18- Billionen-Dollar-Marke überschreiten.
Infrastruktur - Straßen- und Schienennetz, Flughäfen, Brücken, Häfen, Strom- und Wasserleitungen: Die US-Infrastruktur ist marod und veraltet. Laut einem Bericht der US-Berufsingenieure müssten die USA in den nächsten Jahren 3,6 Billionen Dollar zur Reparatur in die Hand nehmen. 300 Milliarden Dollar würde Obama über die nächsten vier Jahre gern für Infrastrukturprojekte bereitstellen. Doch auch dagegen sträuben sich die Republikaner.
Kommentare