US-Experte Lumsden zur Wahl: "Die Wahl ist ein Referendum über Trump “
Er lebt und arbeitet als Rechtsanwalt zwischen Wien, New York und Kalifornien: Robin Lumsden, dessen Vater Lance Lumsden einigen möglicherweise noch als erfolgreicher Profi-Tennisspieler in Erinnerung ist, hat Rechtswissenschaft an der Elite-Universität Berkeley studiert.
Im ORF und in den Privatsendern tritt Lumsden häufig als Experte für USA-Innenpolitik auf. So wird der Jurist auch die US-Wahlnacht gemeinsam mit ORF III-Chefredakteurin Ingrid Thurnher moderieren. Im KURIER-Interview erklärt Lumsden, warum er überzeugt ist, dass Joe Biden gegen US-Präsidenten Donald Trump gewinnen wird und wie Trumps Zukunft in den USA ausschauen wird.
USA-Kenner Robin Lumsden im Checkpoint bei Ida Metzger
Die wichtigsten Aussagen des US-Experten Lumsden im Überblick:
"Joe Biden wird gewinnen, weil die Wählerbeteiligung schon in den letzten Tag sehr hoch war“.
"Es gibt nicht mehr so viele Trump-Wähler, die der US-Präsident bei dieser Wahl noch mobilisieren kann"
"Wenn Florida fällt, weiß man, in welche Richtung es in der Wahlnacht geht.“
"Trump wird für Republikaner toxisch sein und es wird zu einer Geschichtsumschreibung kommen, wenn er nicht gewinnt“
Das ganze Interview auch als Podcast hören:
KURIER: Herr Lumsden, wer wird morgen die US-Wahl gewinnen?
Robin Lumsden: Ich bin überzeugt, dass Joe Biden gewinnen wird.
Was macht Sie da so sicher? Auch bei der letzten Präsidentschaftswahl lag Hillary Clinton in den Umfragen klar voran und dann machte Donald Trump das Rennen?
Ich bin relativ selbstbewusst, denn es sprechen mehrere Gründe dafür: Schon bei den Briefwahlstimmen sieht man, dass es eine extrem hohe Wahlbeteiligung gibt, weil die Wahl ein Referendum über Trump und seine Politik ist. Wenn man sich das Beispiel Wisconsin anschaut: Hier wird traditionell demokratisch gewählt, aber 2016 hat Trump gewonnen. Er hat mit weniger Stimmen gewonnen, als Mitt Romney zuvor 2012 gegen Barack Obama verloren hat. Wisconsin steht stellvertretend dafür, dass 2016 relativ wenige Demokraten wählen gegangen sind. Das heißt: Es gibt nicht mehr so viele Trump-Wähler, die er bei dieser Wahl noch mobilisieren kann. Aber es gibt sehr, sehr viele Trump-Gegner oder Demokraten, die 2016 nicht wählen gegangen sind. Man darf nicht vergessen, es geht ja nur um wenige tausend Stimmen in einigen Swing States. .
Jede zweite Frau in den amerikanischen Vorstädten hat Trump 2016 gewählt und ihm den Sieg gebracht hat. In Pennsylvania hat Trump um 40.000 Stimmen gewonnen. Jetzt hofft man, dass die Frauen von Trump frustriert sind und Joe Biden wählen. Wird das passieren?
Aktuell sind weniger Frauen glücklich über die Entwicklung der USA, als es 2016 der Fall war und bei Frauen mit Hochschulabschluss hat Trump katastrophale Umfragewerte. Es gibt noch ein zweite Gruppe, wo Trump sich schwer tut - das sind die Pensionisten, weil er in der Corona-Krise auf die Wirtschaft und nicht auf die Sicherheit gesetzt hat. Sehr viele Pensionisten lassen sich traditionell in Florida nieder und hier hat Trump auch katastrophale Umfragewerte. Und wie gesagt: Es geht ja nur um wenige Stimmen. Wenn Florida fällt, weiß man, in welche Richtung es in der Wahlnacht geht.
Viele USA-Politik-Experten befürchten, dass es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommt, wenn Trump nicht gewinnt...
Das glaube ich nicht. Ich halte das für ein interessantes, aber nicht realistisches Szenario. Ich glaube auch, dass Trump in der Provokation des Volkes nicht so weit gehen wird. Wenn er, sagen wir, in der Lage wäre, einen Bürgerkrieg mit seinen Kontakten zu den Proud Boys und ähnlichen Milizen auszulösen, wird er es allein aus ökonomischen Überlebensgründen nicht machen. Trump hat sehr, sehr viele Assets den USA. Käme es zu einem Bürgerkrieg, würden diese teilweise entwertet werden. Eine große Macht liegt in den USA auch beim Senat und bei den Republikanern am Ende des Tages. Wenn die Niederlage nicht minimal knapp ist, würden die Republikaner dem Sieger Biden gratulieren. Das ist so Tradition in den USA. Ich glaube, Trump könnte nur mit diesem Mechanismus spielen, wenn der Großteil der republikanischen Wähler wirklich das Gefühl hätte, sie wurden übers Kreuz gelegen, weil es eine Wahlmanipulation gab.
Wir haben bis jetzt viel über Trump geredet aber wenig über Joe Biden. Was kann man sich von seiner Präsidentschaft erwarten? Wird er das Land einigen können?
Er wird es sicher versuchen. Biden wird zumindest eine Tonalität finden, die an Obama anschließen wird, der aber auf Grund seiner Hautfarbe natürlich stärker polarisiert hat. Sehr schwierig wird es für Joe Biden, wenn er eng und knapp gewinnt. Entscheidend wird auch sein, wie die Senatswahl ausgeht. Wenn Joe Biden einen republikanischen Senat als Gegenüber hat, dann hat er de facto nicht viele Chancen, etwas zu bewegen. Insbesondere wenn er auch noch einen Supreme Court fix gegen sich hat.
Auch wenn Biden gewinnt, dann hat Trump das Land auf viele Jahrzehnte verändert. Denn er hat nicht nur drei Richter am Supreme Court ernannt, sondern auch fast 300 Bundesrichter, die allesamt auf Lebenszeit ernannt sind. Kein anderer Präsident hat in seiner Amtszeit derart viele Richter ernannt...
Es ist kein Zufall, dass Trump in seiner Amtszeit über 200 Richter ernannt hat. Das hat natürlich irrsinnige Auswirkungen auf das Justizsystem. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner, gibt in Interviews zu, dass er sich in den letzten zwei Jahren von Obamas Amtszeit nur darauf fokussiert hat, Richterernennungen zu blockieren. Ich glaube, damit hat er das Land nachhaltig verändert, weil die meisten Richter weiße, relativ junge und konservative Männer sind. Die Spaltung der Gesellschaft treibt Trump damit einfach noch viel, viel weiter voran.
Was hat denn zu dieser extremen Spaltung geführt? Welcher Präsident hat den Grundstein für diese katastrophale Entwicklung gelegt?
Das war bei dem in Europa extrem beliebten Bill Clinton. Er wird in Europa als Reformer wahrgenommen, weil er einfach extrem charismatisch war. Bill Clinton hat strategisch einen Sprung nach rechts von der Mitte gemacht hat, um eine zweite Amtszeit von George Bush senior zu verhindern. Die Politik, die Clinton gemacht hat, ist relativ kritisch zu beurteilen. Seine Politik ist der Grund, warum so viele Menschen in den Gefängnissen sitzen. Er hat den "Criminal Act“ eingeführt. Wenn man dreimal wegen eines Delikts verurteilt wird, kann man automatisch lebenslang bekommen. Die Republikaner mussten dadurch noch mehr nach rechts rutschen - auch der republikanische Flügel der Tea Party ist dadurch entstanden. Auf lange Sicht hat Clinton damit eine radikale republikanische Partei entfacht, bei der man nur hoffen kann, dass sie jetzt wieder den Sprung in die Mitte macht. Ich glaube, wenn Trump verliert, gibt es eine große Chance, dass die Republikaner ideologisch wieder die Partei des verstorbenen Senators John McCain werden. Man kann auch viel Positives über die Republikaner sagen. Immerhin ist es die Partei, die die Sklaverei abgeschafft hat. Das war früher eine große liberale Partei, die erst im Rahmen der Bürgerrechtsbewegung die Rolle mit den Demokraten getauscht hat.
Wie geht es mit Donald Trump weiter, wenn er die Wahlen verliert? Wie wir wissen hat er über 400 Millionen Dollar Schulden...
Wobei, da stellt sich die Frage: Was schaut seine Aktivseite aus? Meiner Ansicht nach wird das FBI unabhängig ermitteln können, wenn Biden im Amt ist. Das "Department of Justic" (Justizministerium) ist nicht mehr Trumps private Kanzlei. Und es gibt jetzt bereits ausreichend dokumentierte, formale Fehler von Trump, etwa seine Zahlungen an eine Porno-Schauspielerin. Es ist dokumentiert, dass er in der Zeit des Wahlkampfs Zahlungen getätigt und diese nicht deklariert hat. Dafür kann man ins Gefängnis gehen. Oder auch wenn man seine Steuererklärung nicht abgibt. So ergeht es auch Hollywoodstars, wenn sie das nicht machen. Ich glaube, die Situation wird ähnlich wie bei den Freiheitlichen, als sie Heinz-Christian Strache fallen haben lassen.
Trump wird bei einer Niederlage zur persona non grata?
Trump wird für Republikaner toxisch sein und es wird zu einer Geschichtsumschreibung kommen. Ich habe nie etwas mit Trump zu tun gehabt, werden viel Republikaner sagen. Sie fangen bereits jetzt damit an. Alle paar Wochen werden wir lesen, welches neue Verfahren gegen Trump eröffnet wurde. Es wird sehr ähnlich zu der Berichterstattung von Heinz-Christian Strache und seinen Verfahren sein.
Ein großes Thema war für Trump, China als den großen Feind darzustellen. Wie wird sich das Klima zwischen den USA und China entspannen, wenn Joe Biden Präsident ist?
Grundsätzlich hat er in diesem Punkt durchaus recht. Er hat aber nicht recht, dass China den Amerikanern Jobs wegnimmt. Denn die Jobs sind nicht nach China gegangen, sondern sind durch die Digitalisierung verschwunden. Es ist ein Fehler, dass Trump nicht die Achse zu Europa suchte. Denn worum geht es? Es kann nicht sein, dass man nur ordentliche Geschäfte in China machen kann, wenn man einen chinesischen Partner ins Unternehmen nimmt und damit aber Gefahr läuft, dass alle Daten verloren gehen. Das muss man einfach ansprechen. Da wäre es mir lieber, wenn er mit Europa die Achse sucht. Als traditionelle Partner hätte man viel mehr Gewicht. Biden wird sicherlich in der Tonalität freundlicher gegenüber China auftreten, aber meiner Ansicht nach keine andere Politik machen.
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