US-Demokrat empfiehlt Sozialdemokraten mehr Mut

US-Demokrat empfiehlt Sozialdemokraten mehr Mut
Der KURIER sprach mit einem Berater des Jungstars der US-Demokraten, Alexandria Ocasio-Cortez, über neue linke und grüne Politik

Wenn es um eine kritische Analyse seiner eigenen Partei geht, ist Andres Bernal nicht zimperlich. „Wir haben einfach versagt, uns um die wirklichen Bedürfnisse der Menschen da draußen im Land zu kümmern“, wird der 28-jährige US-Politologe deutlich: „Und deshalb haben wir jetzt einen Reality-TV-Star als Präsidenten, der wirklich gefährliche Politik macht.“

So klar und offen wie Bernals Analyse der politischen Probleme ist auch seine Antwort darauf: „Die etablierte US-Politik hat ein Bündnis mit den Lobbys von Wirtschaft und Finanzindustrie geschlossen. Was wir jetzt versuchen, ist ein Bündnis mit all den sozialen und Bürgerrechtsbewegungen im Land zu schließen.“

Jüngste Abgeordnete

Die Frau, mit der Bernal gemeinsam dieses Bündnis zu schließen versucht, gilt heute als der linke Jungstar der US-Demokraten: Alexandria Ocasio-Cortez. Die 29-Jährige ist die jüngste Kongressabgeordnete der USA. Die New Yorkerin gilt als Unterstützerin von Bernie Sanders. Eines ihrer zentralen Anliegen ist der sogenannte „Green New Deal“, ein Zehnjahresplan für den radikalen ökologischen Umbau der Wirtschaft. In den USA, aber auch in Europa. Deshalb war Bernal – einer der engsten Berater von Ocasio-Cortez – vor wenigen Tagen in Wien. Die Sozialistische Jugend (SJ) hat ihn eingeladen. Auch sie schließt sich dem Plan an, setzt darauf, ihn bald auch in der ganzen SPÖ durchzusetzen. Finanziert werden soll der New Deal durch großzügige Anleihen für ökologische Infrastruktur-Projekte, ausgegeben von der EIB, der Investitionsbank der EU.

Dass die Europäische Zentralbank dafür frisches Geld in Milliardenhöhe drucken würde, irritiert einen Idealisten wie Bernal nicht: „Unsere Zentralbanken drucken ohnehin Geld – allerdings für den falschen Zweck.“ Die Politik müsse „Konzerne und Institutionen zur Verantwortung ziehen“.

Bernal und das Team von Ocasio-Cortez halten konventionelle Politik längst für untauglich – nicht nur in der Klimakrise: „Das etablierte wirtschaftliche Denken kann keine Lösungen für unsere Probleme mehr liefern.“

Krankenversicherung für alle

Bei den US-Demokraten würde man inzwischen offen und ohne Tabus über diese Grundsatzfragen diskutieren. Eine Krankenversicherung für alle Bürger, das sei in den USA lange ein Tabu gewesen, „jetzt ist das die Haltung, die die Mehrheit der Demokraten vertritt“.

Das alles sei auch ein Erfolg von Ocasio-Cortez, meint ihr Berater stolz. „Sie steht einfach für ein völlig neues Denken in der Politik.“

Nur dieses Denken sei die Chance für die Sozialdemokratie: „Mutige Ideen zum Thema machen – das ist Sozialdemokratie, die im 21. Jahrhundert relevant ist.“

Skeptikern in seiner Partei, die meinen damit die politische Mitte zu verlieren, gibt Bernal eine bemerkenswert simple Antwort: „Wenn wir Ideen haben, die die Leute erreichen, brauchen wir uns um die Mitte keine Sorge zu machen.“

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