Urteil im Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien
Ein Schiedsgericht zum langjährigen Streit zwischen Slowenien und Kroatien um den genauen Verlauf von Landes- und Seegrenzen hat am Donnerstag in Den Haag sein Urteil verkündet: Demnach gehört der größte Teil der Adriabucht von Piran Slowenien, und dem Land wird auch ein Korridor zu internationalen Gewässern eingeräumt.
Zagreb erkennt Schiedsspruch nicht an
Der frühere französische IGH-Richter Gilbert Guillaume zeigte die neue Seegrenze auf einer Karte, berichtete die slowenischen Agentur STA. Die Bucht von Piran war der größte Zankapfel in dem Streit. Slowenien hatte sie zur Gänze beansprucht. Ljubljana war in diesem Zusammenhang vor allem an einem eigenen Zugang zu internationalen Gewässern gelegen. In beiden Punkten bekam das Land nun Recht, dafür profitierte Kroatien von Begradigungen der Landgrenze und erhielt den strategisch wichtigen Berggipfel Trdinov vrh (Sveta Gera) zugesprochen. Die kroatische Regierung kündigte jedoch bereits an, den Schiedsspruch nicht anerkennen zu wollen. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic und Ministerpräsident Andrej Plenkovic hatten in den vergangenen Tagen mehrfach bekräftigt, dass das Verfahren für Kroatien nicht mehr existiere.
Keine Überraschungen bei Landgrenzen
Bei den Landgrenzen gab es keine Überraschungen. Das fünfköpfige Tribunal unter Guillaume erklärte in den meisten Streitpunkten die Katastergrenzen für maßgeblich - etwa entlang der Grenzen an den Flüssen Mur und Sotla (kroatisch: Sutla). So wurde auch der bisher von Slowenien kontrollierte Berggipfel Trdinov vrh (kroatisch: Sveta Gera) Kroatien zugesprochen.
Die Landgrenze auf der Halbinsel Istrien folgt laut dem Schiedsspruch dem Dragonja-Fluss und endet in der Mitte des Sveti-Odorik-Kanals. Dies bedeutet, dass die Dörfer Skodelin, Buzini and Mlini-Skrilje bei Kroatien bleiben. Dies ist eine schlechte Nachricht für den slowenischen Grenzrebellen Josko Joras, der in einem der Weiler lebt und sich jahrelang Scharmützel mit den kroatischen Behörden lieferte.
Hinsichtlich des kroatischen Begehrens, klarzustellen, dass slowenische Militäreinrichtungen von kroatischem Territorium entfernt werden müssen, erklärte sich das Tribunal für nicht kompetent, meldete die kroatische Agentur HINA.
Guillaume betonte eingangs, dass sich beide Staaten in dem im Jahr 2009 geschlossenen Schiedsabkommen dazu verpflichtet hätten, den Schiedsspruch innerhalb von sechs Monaten ab seiner Verkündung umzusetzen. Kroatien hatte sich im Jahr 2015 aus dem Verfahren zurückgezogen, nachdem bekannt geworden war, dass sich der slowenische Richter Jernej Sekolec mit Ljubljana abgesprochen hatte. Weder seine sofortige Auswechslung durch einen internationalen Richter noch eine entsprechende Entscheidung des Tribunals selbst konnten Kroatien dazu bringen, seine Rückzugsentscheidung zu revidieren.
Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, die Kommission werde den Schiedsspruch analysieren und am 4. Juli diskutieren.
Österreich sieht "entscheidenden Schritt"
Österreich sieht den Schiedsspruch als "entscheidenden Schritt" bei der Lösung des Grenzkonflikts zwischen den beiden Nachbarstaaten an. "Wir haben das Schiedsverfahren zwischen Slowenien und Kroatien immer als zweckmäßige Regelung angesehen", teilte das Außenministerium der APA am Donnerstag mit. Österreich vertrete auch die Meinung, dass die im Vorjahr vom Schiedsgericht getroffene Entscheidung, das Verfahren fortzusetzen, zu respektieren sei, hieß es mit Blick auf den zuvor erfolgten Rückzug Kroatiens.
Anders als die deutsche Regierung ruft das Außenministerium die beiden Parteien aber nicht explizit dazu auf, den Schiedsspruch umzusetzen. "Wir rufen beide Parteien auf, den Schiedsspruch als entscheidenden Schritt zu einer endgültigen Beilegung ihrer Streitigkeiten zu sehen", erklärte das Wiener Außenamt.
In den Tagen vor dem Schiedsspruch herrschte vor allem in Slowenien große Nervosität. Ministerpräsident Milo Cerar hatte am Wochenende klar gemacht, dass Slowenien den Schiedsspruch umsetzen werde. Man habe diesbezüglich "mehrere Szenarien" ausgearbeitet. Außenminister Karl Erjavec hatte klargemacht, dass Slowenien zunächst einmal nur die "unstrittigen Punkte" des Schiedsspruch realisieren werde. Damit versuchte er Befürchtungen zu zerstreuen, dass es möglicherweise sogar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Slowenien und Kroatien kommen könnte. In Ljubljana beriet parallel zur Verkündung des Schiedsspruchs der außenpolitische Ausschuss des Parlaments hinter verschlossenen Türen über die weiteren Schritte.
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