Regionalpräsident Quim Torra von der Partei Junts per Catalunya (JxC) positioniert sich dabei als Hardliner. „Wir werden kein anderes Urteil als einen Freispruch akzeptieren“, so Torra. JxC wird von Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont aus dem Exil im belgischen Waterloo angeführt – also jenem Mann, der das Unabhängigkeitsreferendum 2017 gegen den Widerstand Madrids durchzog. Torra droht mit einer Wiederholung des Unabhängigkeitsreferendums: „Wir werden es wieder tun.“ Die katalanische Zivilgesellschaft rief er zu „demokratischer Konfrontation“ auf.
Spaniens Premier Pedro Sanchez von den Sozialisten hat bereits angekündigt, Katalonien erneut unter Zwangsverwaltung zu stellen, sollte ein Referendum abgehalten werden.
Fraglich ist, ob die Katalanen einem Aufruf gegen Madrid massenhaft folgen würden. Laut einer Umfrage, die Ende Juli veröffentlich wurde, unterstützen weniger als zehn Prozent der Katalanen eine unilaterale Abspaltung. „Umfragen deuten darauf hin, dass die moderaten Kräfte auf Kosten der Hardliner zulegen“, sagt der Politologe Jose Fernandez Albertos zum KURIER. Offen ist, inwieweit eine Reaktivierung des Konflikts die Dynamik verändern würde – in Hinblick auf das Urteil gegen Separatistenführer, das Menschen mobilisieren könnte.
Der Juniorpartner in der Regionalregierung, Esquerra Republicana (ERC), schlägt sanftere Töne an. Der Dialog mit Madrid solle bis zum Äußersten ausgeschöpft werden. Eine Strategie, die die Mehrheit der Katalanen dem JxC-Kurs vorzieht.
„Unabhängigkeit ist das langfristige Ziel. Aber das gehe nicht von heute auf morgen“, sagt Jordi Solé von der ERC zum KURIER. Die Partei ist vorgezogenen Wahlen in der Region nicht abgeneigt.
Die JxC hält davon nichts. Wieso, verrät eine Umfrage vom Juli: Die JxC, die bei den Regionalwahlen 2017 mit 21 Prozent zweitstärkste Kraft wurde, käme demnach nur auf 8,5 Prozent, während die ERC mit 26 Prozent stärkste Partei würde. Größter Verlierer: Ciutadans, die Partei der Unabhängigkeitsgegner. 2017 war sie mit 25 Prozent stärkste Kraft, heute käme sie auf vier Prozent.
Insgesamt sind 29 Personen wegen dem Referendum vom 1. Oktober 2017 angeklagt. Sieben sind ins Ausland geflüchtet. Die Separatisten sprechen von politischen Gefangenen. Diese Begrifflichkeit teilt Fernandez Albertos nicht. „Sie sind nicht im Gefängnis wegen ihrer politischen Meinung, sondern weil sie mutmaßliche Delikte begangen haben, die im Strafgesetzbuch eines demokratischen Landes, das den Rechtsstaat respektiert, definiert sind.“ Auch Amnesty International spricht auf Anfrage des KURIER in diesem Zusammenhang nicht von politischen Gefangenen. Allerdings hält Fernandez Albertos die lange Präventivhaft von fast zwei Jahren, die über zwölf der Angeklagten verhängt wurde, für zu hart, während Amnesty die exzessive Polizeigewalt am 1. Oktober 2017 anprangert.
- Linda Osusky, Barcelona
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