UN-Tribunal: Freispruch für Vojislav Seselj

Die Schuld des Nationalisten an Kriegsverbrechen auf dem Balkan sei nicht erwiesen.

Seit seiner Gründung vor über 20 Jahren hat das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien in Den Haag 161 Personen angeklagt. 80 wurden verurteilt. Einen Freispruch gab es hingegen am Donnerstag für den serbischen Nationalisten Vojislav Seselj. Seine Schuld an Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg auf dem Balkan Anfang der 1990er-Jahre sei nicht erwiesen, urteilten die Richter am Donnerstag in Den Haag. Die Anklage hatte 28 Jahre Haft gefordert.

Der 61-jährige Vorsitzende der großserbischen Radikalen Partei hatte sich geweigert, der Urteilsverkündung beizuwohnen. Er war 2014 wegen einer Krebserkrankung vorläufig aus der Haft entlassen worden. Er hatte sich 2003 dem Gericht selbst gestellt.

Das Weltbild von Vojislav Seselj

Vor seinem Freispruch durch das UN-Kriegsverbrechertribunal hat Vojislav Seselj am Donnerstag noch einmal sein Weltbild in einem Interview des Belgrader Magazins Nedeljnik präsentiert: Er sei der "größte Nationalist Serbiens", verkündet er stolz. Die EU ist für ihn der Satan. Der historische Verbündete seines Landes und die "große Liebe" sei Wladimir Putins Russland.

Seinen früheren politischen Ziehsohn und heutigen Staatspräsidenten Tomislav Nikolic bezeichnete Seselj als "Kriminellen übelster Sorte", der mit seinem "riesigen Reichtum" durch den von ihm finanzierten Bau einer Kirche in seinem Geburtsort "den Lieben Gott bestechen" wolle.

Das UN-Tribunal in Den Haag sei "überhaupt nicht" sein Problem. "Ich habe damit abgeschlossen", sagte der Extremist: "Mich interessiert nicht, was die sagen." Seine Radikale Partei (SRS) werde als zweitstärkste Kraft die Parlamentswahl in drei Wochen gewinnen und er werde in die Volksvertretung einziehen.

Zu Kroaten: "Die sind alle gleich"

Zu den Kroaten, gegen die Serbien auch mit Hilfe von Seseljs Freiwilligenbrigaden zwischen 1991 und 1995 Krieg geführt hatte, sagte er: "Die sind alle gleich. Das sind alles Faschisten." Der wichtigste kroatische Politiker, Vize-Regierungschef Tomislav Karamarko, sei "weder gebildet noch intelligent", Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic sei eine "kroatische Sexbombe".

Schon im Interview des Magazins NIN hatte er seinen zweiten ehemaligen Polit-Zögling und heutigen Regierungschef Aleksandar Vucic als seinen "größten pädagogischen Misserfolg" bezeichnet. Das von Seselj verteufelte Amerika sieht Seselj verkörpert in der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton: "Es wäre das Allerschlimmste, wenn diese Psychopathin gewinnen würde."

Urteile: 40 Jahre für Karadzic

Als ranghöchster Politiker wurde bisher der ehemalige Präsident der Republika Srpska Radovan Karadzic am 24. März unter anderem für den Völkermord in Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Er will in die Berufung gehen.

Jadranko Prlic und fünf weitere ehemalige hohe Offiziere der bosnisch-kroatischen Armee waren zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Sie legten Berufung ein. Das Urteil wird für 2017 erwartet.

Mico Stanisic und Stojan Zupljanin, ehemals hohe serbische Beamte in Bosnien, wurden jeweils zu 22 Jahren Haft verurteilt und legten Berufung ein. Das Urteil wird in diesem Sommer erwartet.

Das Verfahren gegen die beiden ehemaligen hohen serbischen Beamten, Jovica Stanisic und Franko Simatovic, muss neu aufgerollt werden. Beide waren in erster Instanz freigesprochen worden.

Kommentare