IS nutzt Familien als "menschliche Schutzschilde"

Zivilisten kehren in ein befreites Dorf zurück
Laut UN-Angaben will die Terrormiliz damit die Offensive auf Mossul aufhalten. Die Dschihadisten reagierten außerdem mit einem Angriff auf die kurdisch dominierte Stadt Kirkuk.

Um die Offensive irakischer Sicherheitskräfte auf Mossul aufzuhalten, soll die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) nach Angaben der UN Hunderte Zivilisten als "menschliche Schutzschilde" missbrauchen. "Wir sind darüber sehr besorgt", sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zaid Raad al-Hussein, am Freitag in Genf.

Sein Büro habe Informationen erhalten, wonach IS-Kräfte zu diesem Zweck am Montag 200 Familien aus dem Dorf Samalia gezwungen hätten, in die IS-Hochburg Mossul zu gehen. Am selben Tag seien 350 Familien aus einem Vorort nach Mosul gekommen, nachdem sie offenbar an der Flucht in ein von der Regierung kontrolliertes Gebiet gehindert worden seien. Zudem prüfe man Berichte, wonach IS-Terroristen in einem Dorf bei Mossul 40 Zivilisten erschossen haben sollen.

"Wir wissen, dass der IS keinerlei Achtung vor dem menschlichen Leben hat", sagte Al-Hussein. "Daher muss die irakische Regierung alles in ihren Kräften stehende tun, um Zivilisten zu schützen."

IS-Angriff auf kurdisch dominiertes Kirkuk

Als Reaktion auf die Offensive auf ihre Hochburg Mossul hat der IS am Freitag eine andere Staat im Nordirak angegriffen. Es handelt sich um die von Kurden kontrollierte Stadt Kirkuk . Während irakische Soldaten und kurdische Peschmerga weiter auf Mossul vorrückten, attackierten IS-Kämpfer öffentliche Gebäude in Kirkuk und ein Kraftwerk im nordirakischen Dibis. Mindestens 22 Menschen wurden getötet.

Die koordinierten Angriffe auf Kirkuk begannen den Angaben zufolge mitten in der Nacht. Mindestens fünf Selbstmordattentäter griffen öffentliche Gebäude im Zentrum an, darunter das Polizeihauptquartier. Auch Kontrollpunkte und Sicherheitspatrouillen in der Stadt wurden attackiert.

IS nutzt Familien als "menschliche Schutzschilde"
TOPSHOT - An image grab taken from the Kurdish news channel RUDAW purportedly shows fighters in the streets of Iraq's northern embattled city of Kirkuk as jihadist gunmen, some of them wearing suicide vests, attacked the city on October 21, 2016, in an apparent effort to divert the thousands of government troops and militiamen closing in on their Mosul stronghold. / AFP PHOTO / RUDAW / HO / == RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HO / RUDAW" " - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS FROM ALTERNATIVE SOURCES, AFP IS NOT RESPONSIBLE FOR ANY DIGITAL ALTERATIONS TO THE PICTURE'S EDITORIAL CONTENT, DATE AND LOCATION WHICH CANNOT BE INDEPENDENTLY VERIFIED /
Schüsse und Explosionen waren nach Angaben von Bewohnern den ganzen Morgen zu hören, örtliche Fernsehsender berichteten live über Straßenkämpfe in mehreren Stadtvierteln. Zur Zeit des Morgengebets habe er mehrere sunnitische IS-Kämpfer beim Betreten der Al-Mohammadi-Moschee beobachtet, sagte Haidar Abdelhussein der Nachrichtenagentur AFP. Sie hätten die Lautsprecher der Moschee genutzt, um "Allahu Akbar" (Gott ist groß) und "Der Islamische Staat wird siegen" zu rufen.

Schläferzellen

Der Gouverneur von Kirkuk, Nadjmeddin Karim, vermutete eine Beteiligung von IS-Schläferzellen an dem Angriff. Offenbar verfügten die Angreifer aber nicht über schweres Gerät oder Fahrzeuge.

Am Nachmittag wurden bei einem Luftangriff auf eine schiitische Zeremonie in Dakuk in der Nähe von Kirkuk nach Behördenangaben 15 Frauen getötet. Frauen und Männer gedenken derzeit in getrennten Zeremonien des Imams Hussein. Der Enkel des Propheten Mohammed war im Jahr 680 in der Schlacht von Kerbela im heutigen Irak vom sunnitischen Kalifen Jasid getötet worden. In Kirkuk erschoss laut Polizei ein IS-Heckenschütze einen irakischen Journalisten.

Ausgangssperre

Über Kirkuk wurde eine vollständige Ausgangssperre verhängt. In der Stadt leben verschiedene religiöse und ethnische Gruppen, kontrolliert wird sie von den Kurden. Sie liegt etwa 150 Kilometer südöstlich von Mosul in einem an Erdöl reichen Gebiet.

Die IS-Miliz bekannte sich über ihr Sprachrohr Amaq zu den Selbstmordanschlägen in Kirkuk sowie auf das Kraftwerk im 40 Kilometer nordwestlich gelegenen Dibis. Angaben der IS-nahen Agentur, wonach die Jihadisten fast die halbe Stadt kontrollierten, hielten Augenzeugen und Sicherheitskräfte jedoch für übertrieben.

Angriff auf Kraftwerk

In Dibis griffen drei Attentäter in der Früh eine Kraftwerksbaustelle an, wie die Behörden mitteilten. Einer der Attentäter wurde erschossen, bevor er seine Sprengstoffweste zünden konnte. Die anderen beiden Angreifer jagten sich in die Luft. Bei dem Angriff wurden zwölf irakische Arbeiter und Ingenieure sowie vier iranische Techniker getötet.

IS nutzt Familien als "menschliche Schutzschilde"
Iraqi special forces soldiers search a building located inside a church compound in Bartella, east of Mosul, Iraq October 21, 2016. REUTERS/Goran Tomasevic
Der IS steht derzeit im Norden des Irak unter Druck, weil irakische und kurdische Militärverbände sowie die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition einschließlich der Türkei am Montag eine Großoffensive gegen Mossul gestartet hatten. Am Donnerstag eroberten sie die mehrheitlich christliche Stadt Bartala vom IS zurück und waren im Osten nur noch 15 Kilometer von Mossul entfernt.

US-Soldat getötet

Im Norden Mossuls wurde ein US-Soldat am Donnerstag bei einer Bombenexplosion getötet. Mehr als hundert US-Soldaten beraten die irakischen Sicherheitskräfte und kurdischen Peschmerga bei ihrer Offensive. Die deutsche Bundeswehr ist indirekt am Sturm auf Mosul beteiligt: Sie bildet in der nordirakischen Stadt Erbil seit September 2014 Peschmerga aus und lieferte mehr als 2.200 Tonnen Kriegsgerät in den Irak, darunter "Milan"-Panzerabwehrraketen, Sturmgewehre und Pistolen.

Der US-Verteidigungsminister Ashton Carter traf am Freitag in Ankara ranghohe türkische Politiker. In einer Erklärung des Pentagon hieß es, beide Seiten hätten eine "enge Koordinierung" vereinbart, um dem IS "eine "dauerhafte Niederlage zuzufügen".

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