Deutschlands Angst vor zu viel "Druck im Kessel"
230.000 Menschen, und das nur im September, lautet die jüngste Schätzung. Das sind mehr Flüchtlinge, als im ganzen Jahr 2014 in Deutschland um Asyl ansuchten – ein Umstand, der nun auch in der deutschen Politik langsam die Skepsis wachsen lässt.
Ist Angela Merkels "Wir schaffen das"-Mantra überholt? Die Zeit der Euphorie scheint verflogen, die Beliebtheitswerte der Kanzlerin sinken, und die warnenden Worte kommen nun nicht mehr nur aus Merkel-kritischen Reihen, sondern auch aus ihrer eigenen Regierung – von Vizekanzler Sigmar Gabriel etwa. Er warnte davor, die Ängste der deutschen Bevölkerung nicht ernst genug zu nehmen: "Jeder Mensch muss in Deutschland seine Sorgen und Ängste auch ausdrücken dürfen. Wenn wir das nicht machen, dann habe ich die Sorge, dass sich da Druck im Kessel aufbaut und am Ende die Falschen davon profitieren", so der SPD-Chef. Man müsse zudem nicht nur bei materiellen Sorgen ein offenes Ohr haben, sondern auch bei kulturellen – wie den Ängsten davor, dass die eigene Religion, die eigene Heimat ins Hintertreffen gerate. "Mit denen umzugehen, ist viel schwieriger."
Eine starke Ansage, gerade in Zeiten, in denen sich Pegida wieder über eine zunehmende Attraktivität freuen kann – am Montag waren mehr als 7000 Menschen bei der Demo. Und eine starke Ansage von Gabriel, der diese selbst ernannten "Asylkritiker" vor Kurzem als "Pack" bezeichnete – und ein Hinweis darauf, dass das Thema Integration in der nicht enden wollenden Debatte um Grenzkontrollen und Unterbringungsprobleme zuletzt untergegangen ist.
Asylrechts-Paket
Das merkt man auch dem neuen Asylrechts-Paket an, das die Große Koalition nun im Eilverfahren durchgepeitscht hat – von Integration spürt man da wenig. Dass man nun Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten einstuft, Geldleistungen maximal ein Monat im Voraus auszahlt und die Unterbringungsdauer in Erstaufnahmequartieren auf ein halbes Jahr verlängert, ist für Experten nur ein "Schnellschuss", der wirkungslos sei. Auch, dass Flüchtlinge in der Erstaufnahme so weit wie möglich Sachleistungen bekommen sollen, erhöhe nur den Verwaltungsaufwand und verfehle die abschreckende Wirkung, moniert etwa der Rat für Migration.
Positive Resonanz kommt nur für die Mittelaufstockung seitens des Bundes. Das Kabinett verabschiedete am Dienstag einen Nachtragsetat: Der Fünf-Milliarden-Polster soll die Flüchtlingskrise in den kommenden Jahren abfedern – Integrationsmaßnahmen inklusive.
Kommentare