Kiew schießt sich auf Firtasch ein
Während Dmitri Firtasch in Wien gegenüber den Medien schweigend auf die schriftliche Ausfertigung seines Urteils wartet – jenes, das besagt, dass er nicht an die USA ausgeliefert wird – zerfällt sein Imperium in der Ukraine. Der ukrainische Innenminister Aresen Awakow gab nun an, neben knapp 500.000 Kubikmetern Gas von Firtaschs OSTCHEM-Holding wollten die ukrainischen Behörden per Gerichtsbeschluss auch Immobilien beschlagnahmen – in Wien. Von 46 Objekten ist die Rede. Seitens des Justizministeriums in Wien hieß es, ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen der ukrainischen Behörden sei noch nicht eingelangt.
Im Visier
Die ukrainischen Behörden jedenfalls haben Firtasch fest im Visier. Zuletzt wurde ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Firtasch eingeleitet: Über die Entscheidung eines Schweizer Gerichts in einem Rechtsstreit zwischen der staatlichen ukrainischen Gas-Gesellschaft Naftogaz und dem Zwischenhändler RosUkrEnergo, an dem Firtasch beteiligt war. In der Folge musste die Naftogaz damals 12,1 Milliarden Kubikmeter Gas an RosUkrEnergo abtreten – zustande gekommen sei das Urteil aufgrund einer geheimen Absprache zwischen der damaligen Naftogaz-Leitung und Firtasch, so der jetzige Vorwurf. Und: Am 5. Juni hatte die ukrainische Nationalbank bekannt gegeben, man werde die Nadra-Bank (sie gehört zu 89,97 Prozent Firtaschs Centrgas-Holding) liquidieren. Firtasch ist damit auch aus dem Bankgeschäft in der Ukraine praktisch raus. OSTCHEM wies alle Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Sowohl OSTCHEM als auch Centrgas haben ihren Hauptsitz in Wien.
"Hub Wien"
Ebenso das Firmenimperium (SLAV-AG) der Kljujew-Brüder Andrej und Serhij. Während Andrej Kljujew nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch (Andrej war Chef der Präsidialverwaltung) untergetaucht ist, war Serhij bis zuletzt Parlamentarier im Oppositionsblock. Vergangene Woche wurde seine Immunität aufgehoben. Als er sich daraufhin nach Wien absetzen wollte, wurde ihm am Flughafen in Kiew die Ausreise verwehrt. Serhij Kljujew tauchte ab. Jetzt gilt ein ukrainischer Haftbefehl gegen ihn.
Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Serhij Leschtschenko von der Präsidentenpartei Block-Poroschenko – er war zuvor einer der profiliertesten Investigativ-Journalisten des Landes – bezeichnet Wien als "Hub" für korrupte ukrainische Offizielle und Oligarchen, die Österreich als "sicheren Hafen" für gewaschenes Geld und ihre Geschäfte ansehen würden. Wiens Vorteile für derartige Gebarungen laut Leschtschenko zusammengefasst: "Profitable Steuergesetze, geografische Nähe, westlicher Lebensstil."
Spindelegger präsentiert Pläne
Aber vor allem Firtasch hegt Pläne für eine Rückkehr in die Ukraine. Den Boden dafür bereiten soll seine in Wien ansässige Agentur zur Modernisierung der Ukraine (AMU), der Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegger vorsteht. Heute planen er und Günter Verheugen, ebenfalls in der Agentur tätig, in Kiew ihre Pläne vorzustellen.
"Niemand in der Ukraine wird auf sie hören", so Leschtschenko. Selbst wenn die Vorschläge sinnvoll sein sollten – aber die Quelle (die Nähe zu Firtasch) sei inakzeptabel. Darüber bestehe politischer Konsens. Zudem gebe es in der Ukraine keinen Mangel an Reformvorschlägen und auch nicht an politischen Beratern, wie Leschtschenko sagt – viel eher mangle es zum Teil an politischem Willen, Reformen durchzuziehen.
Dabei übt Leschtschenko durchaus auch Kritik am eigenen Parteichef. Zuletzt hatten Poroschenkos Nach-wie-vor-Eigentümerschaft über den Schokoladekonzern Roshen und dessen Rekordzuwächse im Vorjahr für Wirbel gesorgt. Den Verkauf von Roshen hat Poroschenko jetzt Rothschild-Investment übertragen. Viel mehr Sorgen bereitet Leschtschenko aber, dass der Präsident nach wie vor große Anteile an Medienunternehmen hält – vor allem am TV-Sender 5.Kanal – und nie auch nur angedeutet hatte, diese abtreten zu wollen.
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