Ukraine-Verbrechen: Moskau verweigert laut UNO-Experten Kooperation

Ukraine-Verbrechen: Moskau verweigert laut UNO-Experten Kooperation
Der norwegische Richter Møse betont, dass bei entsprechenden Hinweisen auch Menschenrechtsverletzungen durch ukrainische Seite untersucht werden.

Russland verweigert sich der Kooperation mit einer UNO-Expertenkommission zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen im Ukraine-Krieg. Dies bestätigte die Kommission am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Kooperationsanfragen seien abschlägig beantwortet worden, sagte der norwegische Ex-UNO-Richter Erik Møse. "Es gibt bisher keinen Dialog, aber wir verfolgen das weiter." Nächste Woche will das Gremium in Genf erste Arbeitsergebnisse präsentieren.

Begründung für seine Verweigerungshaltung habe der Aggressorstaat keine angeführt. "Die russische Seite führte ihre Antwort nicht weiter aus", sagte der frühere Vorsitzende des UNO-Kriegsverbrechertribunals für Ruanda. Der frühere Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) tritt auch entschieden dem Eindruck entgegen, dass die Kommission nur zu russischen Verbrechen ermittle. "Natürlich untersuchen wir Vorfälle durch alle Konfliktparteien in einer unabhängigen und unparteilichen Weise. Uns geht es um die Substanz", betonte er.

Suche nach Beweisen

Møse sammelt gemeinsam mit der bosnischen Volksanwältin Jasminka Džumhur und dem früheren UNO-Menschenrechtsberichterstatter Pablo de Greiff aus Kolumbien Beweise für Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts im Rahmen der russischen Aggressionskrieges auf die Ukraine. Sie können dabei auf ein Team aus 20 Mitarbeitern zurückgreifen, die von Wien aus ermitteln. Seit einem ersten Besuch im Juni habe es auch mehrere Missionen in der Ukraine gegeben.

Man sei bei der Arbeit sehr auf den Schutz der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität der Kommission bedacht, betonte Džumhur. Daher versuche man "so viele Informationen wie möglich aus verschiedenen Quellen" zu bekommen. De Greiff sagte, dass die Opfer im Zentrum der Kommissionsarbeit stünden. "Sie haben ein Anrecht auf Wahrheit, Schutz und die Förderung ihres Wohlbefindens", betonte der kolumbianische Menschenrechtsexperte.

Die Kommission wurde vom UNO-Menschenrechtsrat im März ins Leben gerufen, um Beweise für Menschenrechtsverletzungen zu sammeln und auch Täter zu identifizieren. Nach Berichten von russischen Kriegsverbrechen in zurückeroberten nord- und zentralukrainischen Gebieten wurde der Kommission aufgetragen, sich zunächst auf die Vorfälle im Februar und März in den Gebieten Kiew, Sumy, Tschernihiw und Charkiw zu konzentrieren.

Møse betonte, dass diese zeitliche und geografische Einschränkung aufgrund des "breiten Mandats" der Kommission erforderlich gewesen sei. Die Kommission könne aber im ganzen Land tätig werden und habe auch den "Anspruch" dies zu tun, betonte De Greiff. Džumhur wies darauf hin, dass die Arbeit der Kommission auch logistisch sehr schwierig sei. "Zu manchen Regionen haben wir keinen Zugang, und das behindert uns sehr beim Sammeln von Informationen über dortige Vorfälle", räumte sie ein. Außerdem seien die Ressourcen der Kommission beschränkt. "Wir haben halt nur 20 Leute", sagte sie mit Blick auf die überschaubare Zahl der eigenen Ermittler.

"Noch zu früh, um über Täter zu sprechen"

Nicht sprechen wollten die drei Kommissionsmitglieder über ihre bisherigen Erkenntnisse. Auf die Frage, ob bei dem Auftritt im UNO-Menschenrechtsrat am 23. September schon Namen von Tätern präsentiert werden, sagte Møse, es sei "noch zu früh, um über Täter zu sprechen". Im Oktober werde der UNO-Generalversammlung in New York ein erster 20-seitiger Bericht präsentiert, im März soll es dann den Abschlussbericht geben. Dann läuft das Mandat der Kommission aus. Møse ließ aber durchblicken, dass die Kommission - deren Mitglieder ehrenamtlich tätig sind - wohl bereit wäre, weiterzumachen.

Die Experten wurden auch gefragt, worin sich ihre Arbeit von jener der ukrainischen Strafverfolgungsbehörden oder auch der Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) unterscheide, der ebenfalls in der Ukraine ermittelt. Die Kommission habe ein breiteres Mandat als der IStGH, der nur zu bestimmten international geahndeten Straftaten wie Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt, erläuterte Møse. "Unser Mandat ist nicht auf die strafrechtliche Sphäre beschränkt, sondern umfasst alle Menschenrechtsverletzungen und ist viel breiter." Während der IStGH zu einzelnen Fällen und Personen ermittle, könne die Kommission auch ganze Institutionen ins Visier nehmen. "Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch Namen von Tätern nennen werden, wenn wir entsprechende Beweise haben", fügte der pensionierte norwegische Verfassungsrichter hinzu.

Die Mitglieder der Kommission waren bereits am Mittwoch von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in Wien empfangen worden. Österreich "unterstützt voll und ganz ihre wichtige Arbeit", betonte Schallenberg auf Twitter. "Wir warten mit großem Interesse auf den ersten Bericht", so Schallenberg.

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