Zuerst nennt er ihn einen Diktator, dann behandelt er ihn gemeinsam mit seinem Vize J.D. Vance vor laufender Kamera wie einen Schulbuben: Dass Donald Trump und Wolodimir Selenskij einander nicht gerade mögen, dafür hat es eigentlich keinen weiteren Beweis mehr gebraucht.
Am Dienstag lieferte der US-Präsident ihn dennoch: Die USA frieren die Waffenhilfe für die Ukraine ein - so lange, bis Kiew sich zu Konzessionen bereit erklärt.
Eskalation mit Ansage
Damit ist passiert, wovor Selenskijs Mannschaft seit Monaten Angst hatte. Über Monate hatte der ukrainische Präsident versucht, Trump auf seine Seite zu ziehen; mal sah es aus, als würde das klappen, kurz darauf lag die Beziehung zu Washington wieder in Scherben. Dass nun keine Waffen mehr geliefert werden, kommt für die Ukraine darum nicht überraschend.
Trumps Kalkül dahinter war aber lange Zeit unklar. Gut, zum einen will er sein Wahlversprechen einhalten - so schnell wie möglich einen Frieden in der Ukraine zu paktieren, um damit auch die US-Steuerzahler zu entlasten. Dem US-Präsidenten geht es dabei aber auch um etwas anderes - und zwar wirtschaftliche Dominanz.
Moskaus Vorteil
Der Seltene-Erden-Deal, den Trump an die weiterer US-Hilfe knüpft, wäre für die USA nämlich ein großer Gewinn: Der Abbau der Rohstoffe in der Ukraine würde das Land unabhängiger vom Rivalen China machen. Dort werden derzeit global die meisten kritischen Rohstoffe abgebaut; damit hat Peking ein massives Druckmittel gegenüber Washington in der Hand. Als Reaktion auf US-Restriktionen hat China erst kürzlich den Export von Gallium noch Germanium untersagt - die Elemente sind für die Herstellung von Hochleistungschips und Elektronikbausteinen unverzichtbar, etwa für Glasfaserkabel oder Infrarotoptiken in der Rüstungsbranche.
Viel unklarer ist, was Trumps Werben um Putin bringen soll. Im Rahmen der ersten US-Russland-Gespräche in Riad wurden nämlich auch Handelsdeals mit Moskau diskutiert; ein Friedenspakt, sagte Trump, könnte endlich wieder „große Wirtschaftstransaktionen“ mit Moskau ermöglichen. Außenminister Marco Rubio, der Putin vor Kurzem noch ein „Monster“ genannt hatte, schwärmte gar von „unglaublichen Möglichkeiten“, wenn man die Sanktionen gegen Russland aussetze.
Angst vor Sekundärsanktionen
Allein: Profitieren würde davon auf den ersten Blick nur einer – Wladimir Putin. Russlands Wirtschaft ist zuletzt in deutliche Schieflage geraten, wie Agathe Demarais vom European Council on Foreign Relations festhält. Die Gazprom, die einst zehn Prozent des Staatshaushalt allein stemmte, schrieb Rekordverluste; dazu weigern sich russische Banken, durch den Kauf von Staatsanleihen die Löcher in Putins Haushalt zu stopfen – das macht das Budgetdefizit noch größer. Auch die Strafmaßnahmen auf Öl und Gas, die Joe Biden kurz vor der Amtsübergabe verabschiedete, schmerzen: Russlands Flüssiggas-Anlagen in der Arktis stehen still, und Putins Öl-Schattenflotte findet keine Häfen, weil viele Staaten Angst vor Sekundärsanktionen haben – darunter auch China und Indien, Moskaus neue Hauptabnehmer.
Umgekehrt hätten die USA wenig Nutzen durch ein Sanktions-Aus, sagen Ökonomen. Dass US-Firmen dann in großem Stil in Russland investieren, sei unwahrscheinlich, dazu sei die Wirtschaftslage zu instabil – Russland hat nicht nur ein Zinsniveau von 21 Prozent, 2024 wuchs die Inflationsrate auch auf knapp zehn Prozent. Dazu kommen Gesetze, die Firmen das Leben zur Hölle machen: Wer das Land verlassen will, muss erpresserische Austrittssteuern zahlen, wer zurückwill, den erwarten Repressalien.
Putins Rohstoffe
Unter Demokraten kursiert darum die Erklärung, dass Trump sich nicht nur die kritischen Rohstoffe in der Ukraine sichern wolle, sondern auch die in Russland. Gut die Hälfte der vermuteten kritischen Rohstoffe der Ukraine lagern in Böden, die Russland besetzt hält; dazu hat Russland im eigenen Staatsgebiet riesige Mengen an Seltenen Erden, Titan, Nickel und Platin. Diese Bodenschätze dürfen derzeit nur sehr beschränkt exportiert werden, sind aber essenziell für Luftfahrt und vor allem die Tech-Industrie – dort jammert man seit Jahren über den globalen Mangel.
Hebt Trump die US-Sanktionen auf, floriert der Handel mit Russland wieder, wäre „Big Oil “, also die großen US-Ölfirmen, wegen der wieder erstarkenden Konkurrenz vielleicht nicht ganz glücklich. Aber das würde ausgeglichen durch die Freude woanders: Im Silicon Valley, bei „Big Tech“, ist man auf die kritischen Rohstoffe angewiesen; ein willfähriger Partner wie Russland wäre da durchaus hilfreich.
Berührungsängste hat man dort ohnehin nicht. Auch Tech-Mogul Elon Musk, Trumps „First Buddy“, soll über die letzten Jahre persönlich Kontakt mit Wladimir Putin gehabt haben. Dementiert hat er das nie – vielleicht hat er es, wie Trump seine Diktatoren-Aussage, schlicht vergessen.
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