Im Match Traktor gegen Putin gewinnt: der Traktor

Im Match Traktor gegen Putin gewinnt: der Traktor
Dieser Krieg ist der erste, der live auf Social Media stattfindet. Dort gewinnt die Ukraine haushoch – mit Memes und Witz.

Krieg ist Content. Das stimmt im Fall des  Kriegs um die Ukraine wie nie zuvor: Auf Twitter kann man Open-Source-Analysten in Echtzeit zusehen, wie sie Truppen  lokalisieren, auf TikTok schildern Menschen in Bunkern ihren Kriegsalltag; auf Instagram machen  ukrainische Soldaten  Heiratsanträge an der Front.

Nicht umsonst geistert der Begriff „Great Information War“ durchs Netz, eine Anspielung auf die beiden Weltkriege. Denn dieser Krieg spielt sich auch am Handy ab, und es ist der erste dieser Art. Einen guten Teil davon hat Putin selbst zu verantworten. Seit Jahren finanziert der Kreml einen millionenschweren Informationskrieg gegen den Westen.

Selbstironie fehlt

Nur: Die Ukraine ist ein Gegner, mit dem Putin  weder auf dem echten noch dem virtuellen Schlachtfeld gerechnet hat. Sie nutzt Mittel, die der Kremlpropaganda fehlen: Humor, Selbstironie und Schlagfertigkeit.

Bestes Beispiel dafür ist der Traktor. Weil Putin die Armee ein „Heer aus Traktorfahrern“ nannte –  das Vorurteil des hinterwäldlerischen Bauernvolks gibt es schon immer –, ließen die Ukrainer genau diese Traktoren vom Stapel, um Putin zu demütigen. Im Netz kursieren dutzende – echte (!) –  Videos von Bauern, die russische Panzer oder Flugzeuge stehlen; daraus haben findige Leute  Memes, quasi Bildwitze, gebastelt. Diese und ähnliche – etwa Präsident Selenksij, der von Männlichkeitslegende Chuck Norris, um Rat gefragt wird –, haben sich massiv verselbstständigt. 

Regierung fördert das

Diese Wucht  kommt  nicht von Ungefähr. Die Ukraine ist so netzaffin wie wenige andere  Länder, drei Viertel der Bevölkerung ist auf Social Media aktiv; und  so lange das Handynetz funktioniert, ist das Verbreiten von Memes, Videos und Legenden wie den „Geist von Kiew“ (Pilot, der sechs Kampfjets abschoss) und den „Panther von Kiew“ (Katze, der vier Sniper enttarnt hat) eine gute Beschäftigung für alle in den Bunkern. Die Regierung fördert das aktiv, so erzeugt man  internationalen Rückenwind. Auch Selenskij selbst ist in digitalen Dingen mehr als firm. Schon vor dem Krieg war er unter den erfolgreichsten Staatenlenkern auf Instagram, seinen Wahlkampf 2019 führte er ausschließlich via Social Media –  teils eher im Reality-T-Format denn als politische Kampagne. Das nervte die traditionellen Medien so sehr, dass sie ihn gemeinsam  um ein Interview baten.

Dass er nun täglich per Handyvideo die  Welt für sich einnimmt, wird ihm – egal, wie der Krieg ausgeht – einen Platz in der Historie sichern. Der ukrainischen Bevölkerung sicher auch: Brauchte es früher einen heldenhaften Fotografen, um  etwa den „Tank Man“ am Tiananmen-Platz als Widerstandssymbol um die Welt zu schicken, reicht jetzt ein  Smartphone – und ein Traktor.

Kommentare