"Wir entscheiden": Kiew bestätigt erstmals Angriffe auf russisches Territorium

Beschädigter Apartment-Block in Moskau
Bisher schwieg die Ukraine zu den Attacken, jetzt hat man sie zugegeben. Genutzt würden dafür aber nur im Land produzierte Waffen.

Was, wenn Kiew mit den aus dem Westen gelieferten Waffen Russland, vielleicht sogar Moskau angreift?

Diese Angst gibt es im Westen, seit man Kiew mit Kriegsmaterial unterstützt. Vor allem Deutschland und Frankreich äußerten mehrfach die Sorge, dass Wladimir Putin dies als Attacke des Westens, der NATO interpretieren könnte – und darauf mit seinen eigenen Waffen reagieren und auch Westeuropa angreifen könnte.

Allein: Attacken über die Grenze gab es seit Kriegsbeginn dennoch, in den letzten Monaten häuften sie sich. Da waren die Drohnen, die das Dach des Kreml und die reichen Vororte Moskaus in Brand setzten, dann gab es massive Kämpfe in der russischen Grenzregion Belgorod und mittlerweile unzählige Raketenangriffe und Sabotageakte auf Munitionsdepots und Militäreinrichtung auf russischem Boden. Verantwortung dafür hat Kiew nie übernommen, zumindest nicht nach außen hin.

Das hat sich nun geändert: In einem Interview mit der Washington Post hat der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte selbst bestätigt, dass der Kampf auch über die Grenze getragen wird. „Warum muss ich jemanden um Erlaubnis fragen, um meine Leute zu retten?“, fragt Walerij Zaluschnij rhetorisch. „Das ist unser Problem, wir müssen entscheiden, wie wir den Feind töten. Es ist in einem Krieg möglich und nötig, ihn in seinem eigenen Land zu töten“, sagt er. Benutzt würden dafür aber keine Waffen, die die Ukraine aus dem Westen erhalten habe. „Wenn unsere Partner Angst haben, ihre Waffen einzusetzen, töten wir mit unseren“, sagt Zaluschnij.

Anschläge vereitelt

Moskau behauptet indes, dass man zwei Anschläge auf zwei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vereitelt habe, in Auftrag gegeben von ukrainischen Geheimdiensten. Neonazis der Gruppe „Paragraf 88“ hätten Margarita Simonjan, Chefredakteurin des Russia-Today-Medienimperiums, und die Aktivistin Xenia Sobtschak töten wollen, heißt es vom FSB. In einem von Russia Today verbreiteten Video sagt ein

18-jähriges Mitglied der Neonazi-Gruppe stotternd, er sei vom ukrainischen Geheimdienst beauftragt worden, die beiden Frauen zu töten, und hätte dafür 1,5 Millionen Rubel – umgerechnet 15.000 Euro – bekommen sollen.

Simonjan, eine Vertraute Putins, gilt als eine der mächtigsten Propagandistinnen des Landes, Sobtschak hingegen ist nicht dem Nahfeld des Präsidenten zuzurechnen – zumindest nicht mehr. Die Influencerin ist die Tochter des ehemaligen Petersburger Bürgermeister Anatolij Sobtschak, der als Mentor des Kremlchefs gilt. Xenia war zunächst Reality-TV-Star, engagierte sich ab 2012 aber bei den Protesten gegen Putin. 2018 trat sie sogar bei der Präsidentschaftswahl gegen ihn an. Derzeit betreibt sie einen Youtube-Kanal, in dem sie die Invasion der Ukraine offen kritisiert. Sie ist seit der Invasion an sich nach Litauen emigriert.

Dass in Russland Aktivisten, die Putins Krieg anprangern, physisch attackiert werden, ist keine Seltenheit. Die Behörden lasten die Vorfälle oft dem ukrainischen Geheimdienst an. Kiew dementiert dies stets – die Opposition sieht darin reine Ablenkungsmanöver, die Anschläge geschähen meist mit Sanktus des Kreml.

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