Rettungsmission gegen den Krieg

Kerry in Kiew, Merkel und Hollande in Kiew und Moskau – Drängen auf ein Nachgeben der Ukraine?

Schon der Besuch von US-Außenminister John Kerry in Kiew alleine hat Symbolkraft – wenn dann am selben Tag noch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande in der ukrainischen Hauptstadt eintrudeln, lässt das vermuten, dass etwas im Busch ist. Sie trafen Präsident Petro Poroschenko und wollten am Freitag dann auch noch Gespräche in Moskau zu führen. Im Gepäck habe man, so Hollande bei einer Pressekonferenz vor seiner Abreise in Paris, "einen neuen Vorschlag zur Beilegung des Konflikts".

Dementierter Plan

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sieht der Plan Zugeständnisse an die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine vor. Kern sei ein unmittelbarer Waffenstillstand sowie eine weitreichende Autonomie für die Separatisten in einem Gebiet, das größer als bisher verabredet sei. Der Plan sei seit Tagen von hohen Beamten der beteiligten Regierungen vorbereitet worden und die letzte Chance, die Ukraine vor einer dramatischen militärischen Niederlage und dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu retten. Berlin dementierte am Abend den SZ-Bericht: Er sei "falsch".

Hollande unterstrich in Paris bei einer Pressekonferenz jedenfalls die Dringlichkeit: "Wir befinden uns in einem Krieg, der total werden könnte." Er ließ anklingen, dass es sich gewissermaßen um eine Rettungsmission handle – als Auftakt für einen diplomatischen Groß-Marathon: Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende, Merkels Besuch in den USA, EU-Gipfel Ende kommender Woche.

Zuvor hatte Kerry in Kiew konferiert. Und dabei war völlig klar, was sich die ukrainische Seite erwartete: Zusagen über die Lieferung von Militärgütern – am liebsten Waffen. Kerry sagte bei seinem Besuch einen neuen Kredit von einer Milliarde US-Dollar (873.667,66 Euro) zu. Über Waffenlieferungen werde Präsident Obama bald entscheiden, sagte Kerry unverbindlich. Die Entscheidung wird, wie der Präsident bereits angedeutet hat, wohl negativ ausfallen, trotz immer mehr inneramerikanischer Stimmen für Waffenlieferungen. Zuletzt etwa jener des designierten Pentagonchefs Ashton Carter. Moskau äußerte sich "äußerst besorgt" und warnte die USA vor "kolossalem Schaden" für die bilateralen Beziehungen.

Die Debatte in den USA aber sorgt auf der anderen Seite des Atlantik, in Europa, ebenso für Dissonanzen – in EU und NATO. Während sich die alten EU-Staaten geschlossen gegen Waffenlieferungen aussprechen, preschen solche mit historischen Russland-Erfahrungen vor, vor allem die Balten und Polen.

Uneinigkeit in NATO

Dieser Positionenkonflikt setzt sich in den Strukturen der NATO fort. In Brüssel tagten am Donnerstag die Verteidigungsminister. Deutschlands Vertreterin, Ursula von der Leyen, sieht dabei keine Mehrheit für Lieferungen. Die pro-russischen Separatisten hätten "potenziell unbegrenzten Nachschub", Lösungen müssten am Verhandlungstisch gefunden werden. Die Balten und Polen aber setzen auf Abschreckung und eine härtere Gangart der NATO. Diese Uneinheitlichkeit kommt Moskau entgegen.

Was ein Sprecher des Kreml am Donnerstag nach Bekanntwerden der Merkel-Hollande-Tour jedenfalls andeutete, ließ zunächst keine Kursänderung erwarten: Bei dem Dreiertreffen Hollande, Merkel und Putin am Freitag solle es darum gehen, "was die drei Länder konkret tun könnten, um dringend den Bürgerkrieg im Südosten der Ukraine zu beenden". Die Wortwahl "Bürgerkrieg", spricht für eine unveränderte Haltung Moskaus.

Neuer Putin-Vorstoß

Allerdings soll auch Putin einen neuen Plan zur Konfliktlösung vorgelegt haben. "Wir haben uns erst heute mit dem Text vertraut gemacht und die Gegenvorschläge von Merkel und Hollande noch nicht diskutiert", sagte Kerry in Kiew. Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte, Frieden sei wichtig, "die territoriale Integrität der Ukraine steht aber nicht zur Diskussion".

Am Donnerstag reiste Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel zeitgleich mit Frankreichs Präsidenten Hollande nach Kiew zu Gesprächen mit dem Präsidenten der Ukraine, Petro Poroschenko. Am Freitag ist ein Treffen Merkels und Hollandes mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin geplant. Von Freitag bis Sonntag findet in München die hochrangig besetzte Sicherheitskonferenz statt. Teilnehmer unter anderen: Merkel, Kerry, Poroschenko, US-Vizepräsident Joe Biden und Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Hauptthema: Die Ukraine und der Krieg in Syrien und dem Irak. Am Sonntag wird Merkel zu Gesprächen in die USA und nach Kanada reisen.

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