Ukraine: Neue Gesetze heizen Protest an
Die ukrainische Tradition des friedlichen Protests ist mit den Ereignissen der vergangenen Tage Geschichte. In der Nacht auf Montag war mit einem Mal alles zur Waffe geworden: Pflastersteine, Holzpfähle, Eisenstangen. Mit Stöcken, Schilden und Helmen bewaffnete Demonstranten aus dem ultrarechten Lager der Protestbewegung überrannten Polizeieinheiten und setzten Fahrzeuge in Brand. Es waren die schwersten Zusammenstöße seit Beginn der Proteste vor zwei Monaten. Am Montag ging es weiter. Die Polizei setzte Gummigeschosse ein, und vereinzelt flogen Gas-Granaten hinter die Barrikaden der Demonstranten.
Neue Gesetze
Mit einer Reihe neuer Gesetze haben die Proteste neuen Zündstoff erhalten. Das Tragen von Helmen sowie Gas- oder Gesichtsmasken bei Protesten ist künftig verboten. Und so wie auch in Russland müssen sich Nicht-Regierungsorganisationen, die aus dem Ausland Geld erhalten, als „ausländische Agenten“ registrieren lassen – das betrifft praktisch die gesamte ohnehin chronisch unterfinanzierte NGO-Szene in der Ukraine.
Beschlossen wurde aber auch eine Reihe an Gesetzten, die den Behörden praktisch freie Hand geben, gegen unliebsame Machenschaften einzuschreiten. So benötigen Kolonnen von mehr als fünf Autos künftig eine Genehmigung – womit in der chronisch Stau-geplagten Vier- bis Sieben-Millionenstadt Kiew praktisch jeder Autofahrer mit einem Fuß im Kriminal steht. Gerichtet ist die Maßnahme gegen die Abhaltung von Autokorsos, mit denen Aktivisten die Fahrzeugkolonnen von Abgeordneten und Funktionären blockiert hatten. Zahlreiche Anzeigen wurden bereits gegen Teilnehmer solcher „Automaidans“ erlassen (benannt nach dem zentralen Demo-Platz Maidan). Es drohen der Entzug des Führerscheins und die Beschlagnahme des Autos. Anmeldepflichtig ist künftig auch jeder Einsatz von Bühnen- und Lautsprecher-Equipment – wovon praktisch jede größere Familienfeier betroffen ist.
Haarsträubende Korruption
„Das ist zu viel – sogar für unser Land“, so eine Aktivistin, der wegen der Teilnahme an Auto-Protesten eine harte Strafe droht. Zudem sieht sie ihren Arbeitsplatz bei einer ukrainischen Zeitung gefährdet. Viele in den Reihen der Opposition sehen in den neuen Gesetzen nur den letzten Schritt einer zunehmenden „Weißrusslandifizierung“ der Ukraine, die zwar mit haarsträubender Korruption und Bestechlichkeit von Richtern zu kämpfen hatte, jedoch über eine relativ offene Gesetzgebung verfügte.
Nach den Krawallen wollten sich die Führer der Opposition am Montag mit Präsident Janukowitsch treffen. Der hatte zuvor – nach der Warnung von Oppositionspolitiker Vitali Klitschko vor einem Bürgerkrieg – Verhandlungen in Aussicht gestellt.
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