Ukraine-Krise: USA ließen Putin-Partner in Wien verhaften
Für Dmitry Firtasch (48), einen der zwei mächtigsten Oligarchen der Ukraine und Freund von Wladimir Putin, klickten am Mittwoch, gegen 20 Uhr, in Wien-Wieden die Handschellen. Beamte des Bundeskriminalamtes und der Eliteeinheit "Cobra" hatten ihn bereits erwartet. Als er eine seiner Firmen in der Schwindgasse (nahe dem bekannten Russendenkmal am Schwarzenbergplatz) verließ, wurde er auf offener Straße festgenommen. Er und seine zwei Bodyguards leisteten keinen Widerstand. Laut Polizeikreisen habe es im Vorfeld einen Tipp gegeben, dass sich der Ukrainer in Wien befände. Es bestand Fluchtgefahr, da Firtash bereits nach London weiterreisen wollte.
Seit Jahren ermittelt das amerikanische FBI gegen Firtasch. Laut nun exekutiertem Haftbefehl des US-Bundesstaates Illinois wird dem 48-Jährigen "die Bildung einer kriminellen Organisation und Bestechung" vorgeworfen. Der Oligarch stieg in Indien in die Förderung von Titan ein. Dabei habe er im Bundesstaat Andhra-Pradesch mehrere Mitglieder der Regierung bestochen, lautet der Vorwurf. Von 18 Millionen Dollar Schmiergeld ist die Rede. Da das Titan auch an US-Firmen geliefert wurde, erließ das Gericht in Illinois im vergangenen Juni einen Haftbefehl gegen Firtasch.
Drei Milliarden Euro
Der Oligarch, dessen Vermögen auf über drei Milliarden Euro geschätzt wird, hat in Wien zwei Firmen: die Group DF Real Estate und die Centragas Holding. Nachbarn berichteten allerdings, ihn dort nie gesehen zu haben, obwohl auch eine Wohnadresse auf ihn läuft. Beide Gesellschaften sind offiziell als "Finanzdienstleister" angemeldet und eine große Nummer im Osten Europas. Sie kontrollieren zumindest eine ukrainische Bank und Teile der RosUkrEnergo. Letztere ist Zwischenhändler für Erdgas zwischen Russland auf der einen und der Ukraine auf der anderen Seite. Firtasch ist eine Schlüsselfigur in den ukrainisch-russischen Beziehungen der vergangenen Jahre – entsprechend symbolträchtig ist seine Festnahme.
Bereits seit Jahren werden Firtasch’ Geschäfte in Zusammenhang mit der russischen Mafia gebracht. Der russische Capo Semyon Mogilevich dürfte Verbindungen zu RosUkrEnergo haben, wie auch Enthüllungen der Plattform WikiLeaks gezeigt haben. In einem vertrauensvollen Botschaftstreffen soll Firtasch sogar selbst zugegeben haben, dass Mogilevich nicht nur ein "persönlicher Freund", sondern die eigentliche Kraft hinter seinen Gasgeschäften sei. Beide haben auch den gleichen Anwalt. Mogilevich steht auf der Liste der zehn meistgesuchten Männer in den USA, auf seine Ergreifung sind 100.000 Dollar ausgesetzt.
Aktuell sitzt Firtash in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ein. Dort wird über sein weiteres Schicksal entschieden werden. Der gesamte Ablauf kann sich allerdings über Wochen hinziehen. Das hängt vor allem davon ab, wie sehr er sich gegen eine sehr wahrscheinliche Auslieferung in die Vereinigten Staaten wehrt. Im Bundeskriminalamt in Wien betonte Sprecher Mario Hejl, dass die Verhaftung gar nichts mit der aktuellen Lage in der Ukraine zu tun habe.
Firtash wurde im Mai 1965 in Sinkiw in der Zentralukraine geboren. Im Jahr 2000 stieg er nach einem Engagement als Feuerwehrmann über diverse eher dubiose Handelsgeschäfte in den Bereich Erdgas ein, ein Jahr später wickelte er die Gaslieferungen zwischen Russland und der Ukraine über eine Subfirma ab. Bereits 2004 wurde seine in Ungarn ansässige Gesellschaft wegen Verbindungen zur organisierten Kriminalität liquidiert. Deshalb gründete er danach jene RosUkrEnergo, die nun im Visier des FBI stehen dürfte.
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Die Nachricht von Firtashs Festnahme regt dieser Tage chronisch überarbeitete ukrainische Journalisten zu Scherzen an: "Russland hat die Ukraine als Geisel genommen, die USA nehmen Firtash als Geisel – asymmetrische Reaktion nennt man das", sagt einer. Die Stimmung ist einhellig: Es ist eine "gute Nachricht".
Firtash, das war in den vergangenen Jahren einer der undurchsichtigsten Geschäftsleute der Ukraine. Ein Meister der Allianzen und einer, von dem man sich gerne distanzierte: So wie Vitali Klitschko, der alle Berichte, sein Wahlkampf bei den Parlamentswahlen 2012 sei von Firtash finanziert worden, kategorisch zurückwies. Aus vor allem einem Grund: Denn auch Firtash war in den vergangenen Jahren bemüht, jegliche Verbindung zu einem Mann zurückzuweisen, der wie ein Mythos über der kriminellen Welt des postsowjetischen Raums steht: "Don Semyon", Semyon Mogilewitsch. Immer wieder gab es Berichte und Verdachtsmomente, dass Firtash und der vom FBI gesuchte und als Boss der Bosse bezeichnete Mogilewitsch in Verbindung stehen.
Und Firtash wies auch Berichte zurück, ihn verbinde eine enge Freundschaft mit Ex-Präsident Viktor Janukowitsch. In der Tat aber gehörte die Nummer 8 im Ranking der reichsten Ukrainer durchaus zum Kreis der Vertrauten um Janukowitsch – wenig schmeichelhaft "die Familie" genannt. In diesem Kreis machte der Gas- und Chemiemogul Firtash beste Geschäfte in einem für ihn an sich komplett neuen Feld: Im sensiblen Medienbereich mit einem ganzen Konglomerat an TV-Sendern mit einer Reichweite von 18 Prozent der ukrainischen Seherschaft.
Die Inter Media Group erwarb er dabei zu Beginn 2013 von Valeri Choroschkowskj, damals in Ungnade gefallener Ex-Chef des Geheimdienstes SBU, zeitweilig Vize-Premier und zugleich Medienmogul – heute Ex-Medienmogul.
Nicht von ungefähr rührt daher die Freude vor allem unter Journalisten über die Festnahme Firtashs. Denn unter Janukowitsch hatte eine kleine Schar eingeschworener und gehorsamer Unternehmer die Kontrolle über einen überwiegenden Teil dessen übernommen, was in der Ukraine publiziert und gesendet wurde. Eine Tendenz mit politischem Kalkül: Gezielt wurden kritische Medien akquiriert und auf Linie gebracht, wie etwa das einstige Aushängeschild des Investigativjournalismus, Korrespondent, und auch andere. Firtashs Sender Inter betrieb dabei praktisch unverhohlen Propaganda.
Und schließlich wurde Firtash nachgesagt, Mastermind hinter dem scharfen juristischen Vorgehen gegen die Oppositionelle Julia Timoschenko gewesen zu sein. Timoschenko und Firtash waren Rivalen im selben Geschäftsfeld: Dem Gas-Business. Schließlich eskalierte der Streit zwischen den beiden um den dubiosen Gas-Zwischenhändler RosUkrEnergo. Auch in diesem Fall fiel der Name Mogilewitsch – und auch hier wies Firtash jede Verbindung zu ihm zurück.
Monarchie-Flair, sichere Verhältnisse und ein Bankgeheimnis, das über Jahre zur Geldwäsche geradezu einlud: Ukrainische Oligarchen schätzen traditionell Wien, als ruhige Bleibe für ihre Familie und ihr Vermögen. Kein Zufall, dass Ex-Premier Azarow sich sofort nach seinem Sturz im Jänner nach Wien verabschiedete. Sein Sohn hat im Nobelviertel Pötzleinsdorf eine standesgemäße Bleibe. Dazu kommen ein paar Firmen mit ziemlich schwer durchschaubarer Geschäftsgebahrung. Ganz ähnlich hält es auch der Clan des gestürzten Präsidenten Janukowitsch. Seine frühere Luxusresidenz bei Kiew hatte offiziell eine Wiener Firma als Besitzer, von dort führt die Spur des Geldes weiter nach London und Liechtenstein.
Leidenschaftliche Teilzeit-Wiener sind auch Janukowitschs engste politische und geschäftliche Verbündete, die Kljujew-Brüder. Die besitzen hier nicht nur Firmen, sondern auch eine Residenz am Tulbingerkogel.
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