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Ukraine: Ganz Sjewjerodonezk von Russen besetzt
Russland: Mit der Einnahme der Stadt sei "der Versuch des Feindes vereitelt worden, das Industriegebiet des Unternehmens Sjewjerodonezk "Asot" in ein Zentrum des Widerstands zu verwandeln".
Die Stadt Sjewjerodonezk in der Ostukraine ist nach Angaben ihres ukrainischen BĂŒrgermeisters Olexander Strjuk vollstĂ€ndig von russischen Truppen besetzt. "Sie versuchen, ihre eigene Ordnung herzustellen. Soweit ich weiĂ, haben sie eine Art Kommandanten ernannt", sagt Strjuk im ukrainischen Fernsehen. Wo Strjuk sich aufhĂ€lt, wurde nicht genannt.
Die ukrainischen Truppen haben sich zu groĂen Teilen aus dem schwer umkĂ€mpften Sjewjerodonezk zurĂŒckgezogen. Sie hĂ€tten andere Stellungen bezogen, sagte Strjuk am Samstag der ukrainischen Nachrichtenseite 24tv zufolge. Zahlen und Details nannte er nicht. Die Truppen hĂ€tten die Chemiefabrik "Asot" verlassen. Dort hielten sich demnach noch Zivilisten auf.
"VollstÀndig befreit"
Die ukrainische Armee hatte am Freitag ihren RĂŒckzug aus der Stadt angeordnet. Das sollte einige Tage in Anspruch nehmen. Sjewjerodonezk zĂ€hlte bisher zu den letzten Teilen des Gebietes Luhansk, die noch nicht von russischen und pro-russischen KĂ€mpfern erobert waren.
In der Stadt leben heute noch einige Tausend Menschen. Nach Darstellung der pro-russischen Separatisten sollen inzwischen mehr als 800 Zivilisten das Chemiewerk verlassen haben, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete. Zuletzt gab es unterschiedliche Angaben, wie viele Menschen in der Fabrik Schutz vor den Angriffen gesucht haben.
Das ukrainische MilitĂ€r bestĂ€tigte den RĂŒckzug aus Sjewjerodonezk, der zuletzt umkĂ€mpften Stadt in der Ostukraine spĂ€ter. "Nach dem RĂŒckzug von Einheiten unserer Truppen hat sich der Feind in Sjewjerodonezk festgesetzt", teilte der Generalstab am Samstagabend in Kiew mit. Dies sei auch in zwei Vororten der Fall sowie in Syrotyne, einem Dorf westlich von Metjolkine.
Das russische Verteidigungsministerium in Moskau vermeldete: Pro-russische KĂ€mpfer der Volksrepublik Luhansk hĂ€tten mit UnterstĂŒtzung russischer Truppen Sjewjerodonezk "vollstĂ€ndig befreit", sagte Sprecher Igor Konaschenkow der Staatsagentur TASS zufolge. Mit der Einnahme der Stadt sei "der Versuch des Feindes vereitelt worden, das Industriegebiet des Unternehmens Sjewjerodonezk "Asot" in ein Zentrum des Widerstands zu verwandeln". Das IndustriegelĂ€nde werde derzeit von Einheiten der Luhansker Separatisten kontrolliert, sagte Konaschenkow.
Russland nahm nach Angaben der Ukraine in der Nacht auf Samstag Ziele in allen Landesteilen unter schweren Beschuss genommen. "48 Marschflugkörper. Nachts. In der ganzen Ukraine", schrieb einer der Berater von PrĂ€sident Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, auf Twitter. "Russland versucht weiter, die Ukraine einzuschĂŒchtern, Panik zu schĂŒren und die Menschen in Angst zu versetzen." Von russischer Seite lag zunĂ€chst keine Stellungnahme vor.
Raketen teils abgefangen
Aus dem Norden meldete die Ukraine am Samstag Raketenangriffe nahe den StÀdten Schytomyr, Tschernihiw und Charkiw. Die russischen StreitkrÀfte hÀtten fast 30 Raketen auf eine militÀrische Infrastruktureinrichtung bei Schytomyr abgefeuert, teilte Gouverneur Witalij Bunetschko mit. Knapp zehn Raketen seien abgefangen und zerstört worden. Mindestens ein Soldat sei bei dem Angriff getötet worden.
In der Region Tschernihiw sei die Kleinstadt Desna unter massiven Raketenbeschuss geraten, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Tschaus mit. Es habe keine Verletzten, aber SchĂ€den an der Infrastruktur gegeben. In Desna befindet sich ein Ausbildungszentrum fĂŒr die ukrainische Infanterie. Auch die Region Charkiw wurde nach Angaben des ukrainischen Generalstabs von Raketenangriffen getroffen.
In der Westukraine wurden ukrainischen Angaben zufolge bei einem russischen Raketenangriff auf eine MilitĂ€ranlage in Jaworiw vier Menschen verletzt. Die russischen StreitkrĂ€fte hĂ€tten sechs Raketen vom Schwarzen Meer aus abgefeuert, sagt der Gouverneur der Region Lwiw, Maxym Kosyzkyj, in einer Videobotschaft. Vier Raketen hĂ€tten den StĂŒtzpunkt getroffen, zwei seien von der ukrainischen Luftabwehr abgefangen und zerstört worden. Im MĂ€rz waren bei einem russischen Angriff auf ein Ausbildungslager des ukrainischen MilitĂ€rs nahe Jaworiw nach Behördenangaben 35 Menschen getötet und mindestens 130 verletzt worden.
In der sĂŒdukrainischen Stadt Mykolajiw und deren Umland schlugen nach Angaben von BĂŒrgermeister Olexander Senkewytsch fĂŒnf russische Raketen ein. Die Zahl der Opfer werde noch geklĂ€rt, teilte er mit.
Russland hat den Angriffskrieg, den die Regierung in Moskau als "militĂ€rische Spezialoperation" bezeichnet, am 24. Februar begonnen. Anfangs rechneten viele Experten damit, dass die Ukraine nach wenigen Tagen besiegt sein wĂŒrde. Doch schlugen die Ukrainer die russischen Truppen etwa vor den Toren der Hauptstadt Kiew zurĂŒck. Russland verstĂ€rkte seine Angriffe daraufhin auf den Osten des Landes, wo es trotz heftiger Verluste zuletzt immer mehr Gebiete einnehmen konnte. Westliche Wirtschaftssanktionen gegen Russland, russische GaslieferbeschrĂ€nkungen sowie die Blockade ukrainischer Getreideexporte lasten auf Volkswirtschaften weltweit.