Ukraine-Verhandlungen: Sind wir dem Frieden jetzt näher gerückt?
Es war ein gewaltiger Kraftakt – der ein entscheidender Schritt für die Ukraine werden kann: Angeführt von Deutschlands Kanzler Friedrich Merz haben sich die Staats- und Regierungschefs von weiteren acht EU-Staaten, von Großbritannien, die Präsidenten des Europäischen Rats und der EU-Kommission am Montagabend in Berlin auf eine Erklärung geeinigt. Dort, in der deutschen Hauptstadt, hat zum ersten Mal auch Ukraines Präsident Wolodimir Selenskij direkt mit den US-Unterhändlern Steve Witkoff und Jared Kushner verhandelt. Was genau wurde in Berlin vereinbart? Und was bedeutet es in Richtung Frieden? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Dass Europa eine Truppe für die Ukraine aufstellen könnte, ist nicht neu. Was ist jetzt vorgesehen?
Angedacht ist eine „multinationale Ukraine-Truppe“ unter europäischer Führung, aber „unterstützt von den USA“. Diese soll wiederum die ukrainischen Streitkräfte bei der Sicherung des ukrainischen Luftraums und bei der Gewährleistung sicherer Meere unterstützen. Dies solle „auch durch Operationen innerhalb der Ukraine“ geschehen, heißt es ausdrücklich in der Erklärung.
Die europäischen Staatsspitzen mit Selenskij und Steve Witkoff (rechts neben Selenskij) beim Treffen in Berlin.
Zu beachten ist hier das Wort AUCH - was nämlich bedeuten könnte, dass die europäischen Soldaten nicht ständig in der Ukraine stationiert wären, sondern nur im Bedarfsfall in der Ukraine zum Einsatz kämen.
Welche Staaten würden Soldaten stellen und wie viele?
Das ist noch völlig unklar, Frankreich und Großbritannien wären dabei, Dänemark hat ebenso Interesse bekundet. Deutschland hat sich bisher nicht bereit erklärt, Bundeswehrsoldaten dafür abzustellen, und die USA schließen die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine kategorisch aus.
Was soll mit der ukrainischen Armee passieren?
Sie soll nach den Plänen der Europäer in etwa so stark bleiben wie jetzt – mit 800.000 Soldaten. Das klingt im ursprünglichen 28-Punkte-Plan der USA noch ganz anders, als Washington nach Wunsch Russlands eine Beschränkung auf maximal 600.000 Soldaten festlegen wollte.
Und wozu sind die USA bereit? Gibt es Sicherheitsgarantien für die Ukraine?
Zumindest gab es ein Versprechen, und das ist mehr, als die USA bisher angeboten haben: Die USA haben zugesagt, die Ukraine vor einem künftigen russischen Angriff zu schützen. Diese Sicherheitsgarantien würden Überwachung, Verifizierung und Konfliktvermeidung umfassen, sagten US-Beamte nach den Gesprächen in Berlin. Zudem soll nun auch die Rolle der USA festgelegt werden, falls Russland gegen das Friedensabkommen verstoße und die Ukraine erneut angreife.
Angedacht ist auch die Lieferung von Waffen zur Abschreckung russischer Streitkräfte. Die Rede ist sogar von einer „rechtlichen Verpflichtung“, die laut USA dem berühmten Artikel 5 der NATO-Verträge nahe kommen soll - also eine Art Beistandsverpflichtung light. Ein NATO-Beitritt der Ukraine, den Selenskij immer gewünscht hatte, steht nicht zur Debatte, mittlerweile verzichtet Selenskij sogar offiziell darauf.
Und was bedeutet dieses Entgegenkommen der USA und die europäische Geschlossenheit nun für ein Ende des Krieges in der Ukraine?
Es ist ein wichtiger Schritt, eine Grundlage, auf der weiter aufgebaut werden kann. Zumindest verhandeln die Europäer nun wieder mit und die USA sind von ihren bisher rein pro-russischen Standpunkten wieder ein Stück abgerückt. Aber zunächst muss weiter verhandelt werden, am Wochenende in Florida wieder zwischen USA und Ukraine. Und Moskau wird über die neuen Pläne ab heute, Dienstag, beraten. Die ersten Signale aus Moskau fielen erwartungsgemäß ablehnend aus: Vize-Außenminister Sergej Rjabkow stellte sogleich fest, dass Moskau unter keinen Umständen einer Stationierung von NATO-Soldaten in der Ukraine zustimmen werde. Bisher hat Russland jeden Vorschlag, der nicht ausschließlich russische Forderungen einbezogen hat, abgelehnt.
Muss die Ukraine den Donbass an Russland abtreten?
Das ist die Forderung Russlands, und dem stehen die USA nach wie vor nicht wirklich entgegen. Jüngster Vorschlag aus den USA: Ukraine soll den gesamten Donbass abtreten, auch jene Gebiete, die noch nicht von russischen Truppen besetzt sind (20 Prozent des Donbass) – und dort solle eine militärisch neutrale Sonderwirtschaftszone entstehen. Zu gewissen territorialen Zugeständnissen ist die Ukraine mittlerweile zwar bereit, doch den gesamten Donbass aufzugeben, kommt für sie nicht in Frage. Europäer und Ukraine beharren darauf: Die aktuelle Frontlinie müsse eingefroren werden – entlang dieser könne dann verhandelt werden. Moskau lehnt dies bisher kategorisch ab.
Und wie sieht es mit Wiederaufbauhilfen aus?
Zugesagt werden in den Plänen der Europäer umfangreiche Investitionen in den wirtschaftlichen und materiellen Wiederaufbau. Die Rede ist zudem von Handelsvereinbarungen zu beiderseitigem Nutzen „und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, dass Russland die Ukraine für den verursachten Schaden entschädigt“. In diesem Zusammenhang wird auf die in der EU eingefrorenen russischen Vermögenswerte verwiesen – wobei noch immer offen ist, ob die EU sich auf die Nutzung der 210 Milliarden Euro Russlands einigen kann. Das wird voraussichtlich beim EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel entschieden.
Wie geht es jetzt weiter?
Gespräche zwischen USA und Ukraine am Wochenende, danach sollen die US-Verhandler wieder nach Moskau fliegen. Nach Wunsch von US-Präsident Trump soll der Krieg noch heuer beendet werden – Europäer und Ukraine bezweifeln das. Moskau wird indessen fortgesetzt angreifen.
Kommentare