EU-Ratspräsident: Werden auch Gas-Importstopp brauchen
EU-Ratspräsident Charles Michel hält einen Importstopp von russischem Öl und letztlich auch von Gas für unumgänglich, um den Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine zu beenden. "Ich denke, dass auch Maßnahmen bei Öl und selbst Gas früher oder später nötig werden", sagt Michel am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament. Eine Forderung, die etwa in Deutschland und Österreich auf Widerstand stößt.
Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments, unterstützt Michel "aus vollster Überzeugung" und fordert ebenfalls einen Ausstieg aus den Gas- und Ölimporten "so rasch wie möglich." Er kündigte in einer Pressekonferenz eine entsprechende Resolution des Parlaments an, für die er die Unterstützung aller österreichischen EU-Mandatare erwarte. "Wir sind fassungslos, dürfen aber nicht handlungslos sein", forderte Karas generell weitere Verschärfungen der EU-Sanktionen. Es gehe nicht darum, einen "gemeinsamen Nenner" mit Wladimir Putin zu finden, sondern um nichts weniger als "um die Zukunft der EU", um den Erfolg der Demokratie über die Autokratie und die Beendigung von Putins Kriegsverbrechen. "Wenn wir das nicht zu leisten imstande sind, haben wir vor der Geschichte versagt."
In diesem Zusammenhang schlug Karas auch die Einrichtung eines "EU-Krisenkabinetts" vor, im Rahmen dessen Vertreter von Parlament, Kommission, Rat, außenpolitischem Dienst, EZB, Investitionsbank und humanitären Organisationen gemeinsam über Ziele, Maßnahmen und deren Konsequenzen beraten sollten.
Energieministerin Gewessler bekräftigte im Pressefoyer nach dem Ministerrat dagegen, dass Österreich auf das russische Gas nicht verzichten könne und wolle. "Wir sind von russischen Gasimporten abhängig, wir sind in Europa nicht alleine, aber in einer besonders schwierigen Lage." Österreich habe in der Vergangenheit zu wenig gemacht, um diese Abhängigkeit zu reduzieren. "Ganz im Gegenteil, wir haben gut davon gelebt. (...) Heute sind wir abhängig und verletzlich. Wir können diese Abhängigkeit nicht von heute auf morgen beenden", so Gewessler. Aber das sei der Auftrag: "Wir müssen unabhängig werden und zwar nicht irgendwann, sondern so rasch als möglich, wir müssen unsere Energie selber produzieren." Die Sonne und der Wind "schicken uns keine Rechnung und sie erpressen uns nicht, Russland tut es schon." Jedes Windrad und jede Solaranlage befreie uns aus der Klammer vom russischen Präsidenten Wladimir Putin. Es gehe bei der Energiewende nicht nur ums Klima, sondern auch um unsere Freiheit, sagte die Ministerin.
Grundsätzlich wollte die EU am Mittwoch Sanktionen auf Holz, Zement, Gummi, Chemikalien und Luxuslebensmittel wie Kaviar bzw. Spirituosen wie Wodka beschließen.
Auch sollen gewisse Exporte verboten werden: Halbleiter, High-Tech-Maschinen und Ausrüstung zu Flüssiggastechnik. Zudem sollen russische Lastwagen und Schiffe nicht mehr in die EU dürfen. Die Importverbote summieren sich auf ein Gesamtvolumen von rund fünf Milliarden Euro jährlich, die Exportverbote belaufen sich auf rund zehn Milliarden Euro.
Der deutsche Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte mit Blick auf Russland: „Es braucht zielgenaue und langfristig durchhaltbare Sanktionen, die den Aggressor stärker bestrafen als uns Europäer. Für Kohle trifft das zu: Sie lässt sich auf dem Weltmarkt durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzen und prinzipiell mit der vorhandenen Transport-Infrastruktur zu den Nutzern bringen.“
Die deutsche Regierung müsse nun gemeinsam mit den europäischen Partnern dafür sorgen, die logistischen Herausforderungen, die sich durch den Verzicht auf russische Kohleimporte ergeben, ohne wirtschaftliche Schäden zu bewältigen.
Völlig anders sei die Situation beim Gas, so Russwurm ähnlich österreichischen Industrievertretern und Politikerinnen und Politikern: „Ein Komplettausfall russischer Gaslieferungen, die andere Lieferanten nicht kurzfristig ersetzen können, wäre ein gewaltiger Stresstest für die EU - mit unabsehbaren Folgen für Versorgungssicherheit, Wachstum, Beschäftigung und unsere politische Handlungsfähigkeit.“ Auch die deutsche Regierung lehnt ein Embargo russischer Gasimporte ab und warnt vor schweren Schäden für die Wirtschaft.
Kommentare