Etappensieg für Opposition
Runde zwei im ukrainischen Parlamentsmarathon. Am Mittwoch fand in der Obersten Rada erneut eine wichtige Abstimmung statt: jene über eine Amnestie für Demonstranten und Aktivisten. Nach langer Verzögerung wurde sie beschlossen. Am Vortag hatte man bereits umstrittene Gesetze über das Versammlungsverbot gekippt. Die Regierung von Premier Azarow trat zurück. Ein Etappensieg für die Opposition, der die Lage in Kiew sichtlich entspannte.
Die Rücknahme der Gesetze war mit überwältigender Mehrheit angenommen worden. Eine Mehrheit, die Präsident Viktor Janukowitsch zu denken geben sollte. Die Amnestie jedoch hat Janukowitsch an Bedingungen geknüpft: Die Protestbewegung müsse im Gegenzug Barrikaden und besetzte Gebäude räumen. Eine Forderung, die die politischen Führer der Opposition bisher kategorisch zurückwiesen. Fraglich ist aber auch vor allem, ob sie überhaupt die Autorität besitzen, das auch tatsächlich zu realisieren.
Opposition im Aufwind
Die Protestbewegung hat eher wieder Aufwind. Das vor allem aber auch aus einem Grund: In Janukowitschs Partei der Regionen werden offene Brüche sichtbar. Weniger zwischen Fraktionen innerhalb der Partei als zwischen ihren Geldgebern, die ihre Abgeordneten in der Rada haben, und Janukowitsch und seinem engsten Umfeld.
„Die Partei hat ihre Struktur verloren“, so ein einfaches Parteimitglied, das nicht namentlich erwähnt werden will. Viele Gruppen innerhalb der Partei der Regionen würden jetzt gegeneinander arbeiten. Mit der alten Gepflogenheit, keiner mischt sich in das Business des anderen ein, habe Janukowitsch gebrochen, wodurch Unruhe entstehe.
Es ist eine Unruhe, die für Janukowitsch gefährlich werden könnte. Vor allem zwischen ihm und dem mächtigen Multimilliardär Rinat Achmetow sowie dem einstigen Chef seiner Präsidialadministration, Sergej Lyovochkin, soll es zu offenen Auseinandersetzungen gekommen sein. Der Auslöser: Janukowitsch und sein Kreis hätten zu viele Geschäftsfelder in der Ukraine an sich gerissen. Und dann herrscht freilich noch ein Grund vor: Unruhen – und vor allem die Aussicht auf etwaige Sanktionen – sind schlecht fürs Geschäft.
Hinterzimmer-Deals
Manche sehen gar Gruppen aus dem Lager der Regionen hinter dem Rechten Sektor, dem gewaltbereiten Block der Protestbewegung, dessen Aktionen die Lage vor knapp zwei Wochen eskaliert hatten. Und angeblich strecken diverse Oligarchen, die ganz eindeutig dem Lager der Partei der Regionen zugeordnet werden, auch bereits die Fühler in Richtung politischer Opposition aus.
Die Ironie an der Sache: Es sind unter anderem auch genau diese Machenschaften, gegen die sich der Protest Hunderttausender in Kiew und anderen Städten des Landes richtet; gepaart mit der Forderung nach Transparenz. Wie es jetzt scheint, könnte der Konflikt aber vielleicht genau durch solche undurchsichtigen Hinterzimmer-Deals beigelegt werden.
Streifzug durch Kiew
Ein erstes Zeichen des guten Willens hat das ukrainische Protestlager am Mittwoch gezeigt. Mitglieder der Bewegung Spilna Sprawa (Gemeinsame Sache) zogen sich nach Aufforderung Vitali Klitschkos aus dem besetzten Agrarministerium in Kiew zurück. Ein paar Männer blieben zurück. Die Räumung ging nicht ohne Zwischenfälle über die Bühne. Es kam zu Handgreiflichkeiten mit nationalistischen Demonstranten.
Unterdessen hat der russische Präsident Wladimir Putin bekannt gegeben, dass er mit der vereinbarten Milliardenhilfe für den südwestlichen Nachbarn noch warten will, bis dort – nach der Regierungsauflösung von Dienstag – ein neues Kabinett im Amt ist. Einen Tag früher hatte Putin noch versichert, Moskau wolle an dem 11-Milliarden-Euro-Deal auch bei einem Regierungswechsel festhalten.
Kommentare