Die Zeichen stehen auf Sturm

Separatisten in der Ost-Ukraine werden mit weiteren Sanktionen belegt.
Neue Kämpfe, Verstärkung für Separatisten – Waffenstillstand sieht anders aus.

Dass der Waffenstillstand zwischen den Separatisten in der Ostukraine und der ukrainischen Regierung den Konflikt einfrieren würde, war die Optimistischste aller Hoffnungen. Es sieht nicht danach aus, als würde sie erfüllt werden. Seit einer Woche toben an mehreren Stellen entlang der Frontlinie zwischen den Konfliktparteien wieder schwere Gefechte. Vor allem der Flughafen von Donezk ist umkämpft. In Kiew spricht man von massiver Verstärkung aus Russland, die die Separatisten erhalten hätten. Gesichtet wurde eine Fahrzeugkolonne (43 Fahrzeuge ohne militärische Kennzeichnung) mit schweren Waffen auch von Beobachtern der OSZE. Die NATO bestätigt solche Berichte. Es handle sich um Beute-Stücke, sagen die Separatisten.

In der Region aber und auch in der gesamten Ost- und Südukraine herrscht die Befürchtung, dass der Konflikt nicht nur hochkochen, sondern sich noch mehr ausweiten könnte. Auf dem Tisch liegen drei Szenarien.

1. eine russische Offensive Angesichts der Aufrüstung und Unterstützung der Separatisten durch Russland (wie es westliche Quellen oder auch Kiew sehen) oder durch Beute-Stücke und Freiwillige (wie es die Separatisten darstellen) sprechen nun selbst Quellen im russischen Lager von einer möglichen Großoffensive nach Westen, um die Landbrücke auf die chronisch unterversorgte Krim zu schlagen oder sogar bis nach Odessa. Ein solcher Schlag wäre laut Militärs wohl aber nur durch Luftunterstützung möglich – und damit nur durch offene Hilfe Russlands.

2. ein ukrainischer Vorstoß Vor allem seitens der ukrainischen Führung war wiederholt beteuert worden, man werde die Krim zurückholen. Realistisch betrachtet (ausgehend vom Zustand der ukrainischen Armee) ist das nicht mehr als politisches Paukenspiel – außer die Versorgungslage lässt die Stimmung auf der Krim radikal kippen. Zumindest die anfängliche Euphorie über den Anschluss an Russland scheint jedenfalls verflogen. Und in der Ostukraine: Nach den Erfahrungen der Sommer-Offensive (die massive Unterstützung über die Grenze hinweg zur Folge hatte) käme ein neuerlicher Vorstoß wohl Harakiri gleich.

3. "Frozen Conflict" Eine Rückkehr zu der Waffenstillstandsvereinbarung vom 5. September scheint unrealistisch. Ein neues Abkommen ist derzeit nicht in Reichweite.

Gemunkelt wird außerdem, wie sich die westlichen Staaten gegenüber Russland verhalten oder verhalten würden. In einem Interview mit dem Spiegel deutet Ex-US-Außenminister Henry Kissinger an, dass vor allem die USA in Sachen Ukraine Russland nicht verärgern sollten und wollten, weil man Moskau für eine Einigung im Atomstreit mit dem Iran und in Nahost brauche. Der österreichische Ex-Spitzendiplomat Albert Rohan glaubt das nicht. Moskau, so sagt er gegenüber dem KURIER, habe zum einen ein reges Interesse daran, dass sich der Klub der Atommächte nicht ausweite; zum zweiten mache Russland durch die Verhandlungen mit dem Iran gute Geschäfte im Nuklearsektor. Wie weit Putin letztlich bei seinem Versuch, die Ukraine wieder in die Einflusszone Russlands zu ziehen, gehen werde, wisse niemand, so Rohan. Auch das finale Ziel seiner Pläne kenne man nicht, so der Ex-Diplomat.

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