Vor 40 Jahren kam der Terror nach Wien
Sie kamen mit der Straßenbahn: Am Sonntag, den 21. Dezember 1975 stürmten sechs junge Menschen das OPEC-Gebäude. Die spektakuläre Geiselnahme während der OPEC-Ministerkonferenz hielt Österreich und die Welt zwei Tage lang in Atem. Das Terror-Kommando tötete drei Menschen und erzwang die Verlesung einer antiisraelischen Erklärung im Radio.
Um 11.45 Uhr erstürmten die Terroristen das Gebäude am Dr.-Karl-Lueger-Ring, wo die Ölminister der Organisation der Erdöl Exportierenden Länder über den Erdölpreis debattierten. Dabei wurden ein österreichische Polizist und ein irakischer Sicherheitsbeamter getötet. Die Leiche des dritten Todesopfers - ein libyscher Delegierter - wurde erst nach Abzug der Terroristen gefunden. Bei dem Versuch der Polizei das Gebäude zu stürmen, wurden ein österreichischer Kriminalbeamter und der deutsche Terrorist Klein verletzt.
70 Geiseln
Mit Sprengstoff und Handgranaten drohten die Geiselnehmer das Gebäude in die Luft zu sprengen und forderten die Bereitstellung einer AUA-Maschine. In dem sechseinhalbseitigen Kommuniqué, das im Radio in französischer Sprache verlesen werden musste, kritisierte die Gruppe die Friedenspolitik einiger arabischer Staaten gegenüber Israel, erklärten den Iran zum Agenten des amerikanischen Imperialismus und forderten die Nationalisierung des Erdöls. Die Terroristen bedauerten darin außerdem, dass sie gerade Österreich zum Schauplatz des Geschehens machen mussten. Im Falle der Nichterfüllung der Bedingungen drohten die Geiselnehmer, Geiseln im 15-Minuten-Takt zu erschießen. Der deutsche Terrorist Klein, der einen Bauchschuss erlitten hatte, wurde ins Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH) gebracht.
Nach zähen Verhandlungen entschied Bundeskanzler Bruno Kreisky in der Nacht auf 22. Dezember, die Terroristen ausfliegen zu lassen. In der Früh stand ein Postautobus vor dem OPEC-Gebäude bereit und brachte das Kommando und 33 Geiseln zum Flughafen Schwechat, wohin auch der schwer verletzte Klein aus dem AKH gebracht wurde. Die in Österreich wohnhaften OPEC-Mitarbeiter waren zuvor freigelassen worden. Ursprünglich waren rund 70 Personen - darunter elf Öl-Minister der OPEC-Länder - in Geiselhaft genommen worden. Für Aufsehen und Kritik sorgte später, dass sich Carlos am Wiener Flughafen mit einem Händedruck vom österreichischen Innenminister Otto Rösch verabschiedete.
Drei Landungen
Mit der bereitgestellten DC-9-Maschine flogen die Terroristen zunächst nach Algerien, wo die nichtarabischen Geiseln freigelassen werden. Beim zweiten Stopp in Tripolis kamen die Ölminister Algeriens und Libyens frei. In Algier, wo die Terroristen am 23. Dezember erneut landeten, wurden schließlich die beiden letzten Geiseln - der saudi-arabische und der iranische Erdölminister - freigelassen. Vermutlich wurden hohe Summen an Lösegeld bezahlt. Die Terroristen reisten wenig später unbehelligt nach Libyen aus.
Klein, der erst nach über 20 Jahren im Untergrund verhaftet wurde, sagte später aus, dass das Attentat zwar eine Gemeinschaftsaktion der palästinensischen Befreiungsbewegung und den deutschen Revolutionären Zellen (RZ) gewesen sei. Idee, Waffen und Informationen seien jedoch aus Libyen gekommen. Das OPEC-Mitgliedsland habe durch die Geiselnahme der Minister die übrigen Mitgliedsländer „zu mehr Solidarität mit den Palästinensern“ zwingen wollen, so Klein.
Unbekannt geblieben
Carlos wurde 1994 im Sudan verhaftet und an Frankreich ausgeliefert, wo er zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Kröcher-Tiedemann wurde im Dezember 1977 an der Schweizer Grenze festgenommen und nach zehnjähriger Haft an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Ein Kölner Landgericht sprach sie 1990 jedoch von der Mordanklage im Zusammenhang mit dem OPEC-Anschlag aus Mangel an Beweisen frei. Die Identität der drei anderen Mitglieder des Terrorkommandos - vermutlich Palästinenser - konnte nie zweifelsfrei geklärt werden.
Die Organisation erdölexportierender Länder hat seit 50 Jahren in Wien ihr Hauptquartier. Es war am 1. September 1965, als die Republik Österreich und die OPEC ein Abkommen über die Errichtung eines Amtssitzes unterzeichneten. Zuerst war die Organisation in zwei kleinen Gebäuden untergebracht, übersiedelte aber bald in ein Bürohaus an der Ringstraße gegenüber der Universität.
Im März 1977 übersiedelte die OPEC in einen Bau am Donaukanal, den sie über Jahrzehnte nutzen sollte. Im Vorjahr hat das Kartell schließlich einen Neubau übernommen, der sich neben der Alten Börse und damit unweit der ersten Wiener Zentrale befindet, während der Altbau am Kanal derzeit abgerissen wird.
Gegründet wurde die OPEC im Jahr 1960, ihren Amtssitz hatte sie bis 1965 allerdings in Genf. Ziel der Organisation ist es, die Erdölpolitik ihrer Mitglieder gegenüber den internationalen Ölkonzernen zu koordinieren. Ihr gehören aktuell die Staaten Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela als Gründer sowie (in chronologischer Reihenfolge ihres Beitritts) Katar, Libyen, die Vereinigten Arabischen Emirate, Algerien, Nigeria, Angola und Ecuador an.
Die OPEC-Länder fördern mehr als 40 Prozent des Rohöls weltweit und besitzen etwa drei Viertel der bekannten Reserven. Saudi-Arabien ist in der Organisation besonders einflussreich.
Bedeutungsschwund
Das Kartell hat in letzter Zeit an Einfluss verloren, weil etwa die USA mit neuer Technik (Fracking) zusätzliche Förderquellen in großem Umfang erschlossen haben. Zudem ist derzeit das Angebot auf dem Ölmarkt größer als die Nachfrage, weil sich die Weltkonjunktur schwächer entwickelt als erwartet.
Durch die Debatte über die Schließung des umstrittenen Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) werden auch negative Auswirkungen auf den OPEC-Standort Wien befürchtet. Das Außenministerium schreibt in einem Bericht zum Abdullah-Zentrum, ein Abzug internationaler Organisationen wie der OPEC sei „nicht ausgeschlossen“.
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