TV-Wahlkampf: Chlorhuhn, Asyl und ein Schimpfwort

Die Spitzenkandidaten: Harald Vilimsky, Ulrike Lunacek, Eugen Freund, Angelika Mlinar und Othmar Karas
Die Elefantenrunde sollte eine letzte Entscheidungshilfe für die Wahl sein. Der Live-Blog zur Nachlese.

Eine letzte Ehrenrunde der österreichischen Spitzenkandidaten zur Europawahl am Sonntag: Der ORF lud unter der Begleitung von Ingrid Thurnher die Listenersten der Parlamentsparteien zur Debatte. Eugen Freund, Othmar Karas, Harald Vilimsky, Ulrike Lunacek und Angelika Mlinar hatten ein letztes Mal die Gelegenheit, die Wähler zu überzeugen. Die Themen waren vorprogrammiert: Eurokrise, Arbeitslosigkeit, Ukraine, Freihandel und Flüchtlinge.

Die Vertreter der Parteien hatten wenig Überraschendes abzuliefern, die Positionen waren klar. Es galt vielmehr, die eigenen Kernkompetenzen noch einmal hervorzukehren und die eigene Klientel zu mobilisieren. So verteidigte etwa Karas die EU, die keinen Krisenstaat pleitegehen ließ, Freund prangerte die Austeritätspolitik an. Lunacek machte Werbung für green jobs, Vilimsky für mehr Österreich und weniger Brüssel. Mlinar, Vertreterin der NEOS, trat wiederholt für die Vereinigten Staaten von Europa auf - und überraschte mit einem verbalen Lapsus: "Scheiße, das ist echt schwer", sagte sie auf die Frage, was eine Pensionistin von der EU hätte.

Der Politologe Peter Filzmaier analysierte in der anschließenden ZiB2, dass keiner der angetretenen Kandidaten explizit Lösungen anbieten konnte - weder die EU-Befürworter, noch die EU-Gegner, namentlich die FPÖ. Neu war, dass der ORF die User in die Debatte miteinbezog: Per Twitter gestellte Fragen wurden auch live in der Sendung behandelt.

Lesen Sie hier die Nachlese des Live-Blogs der TV-Debatte.

Das Special zur EU-Wahl finden Sie hier.

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TV-Wahlkampf: Chlorhuhn, Asyl und ein Schimpfwort

Die Elefantenrunde wurde durch die Bank mit relativ leidenschaftslosen Schlussplädoyers beendet. Wer stärker überzeugen konnte, werden wir wohl alle am Sonntag sehen. Falls Sie immer noch nicht genug haben können, hier noch einmal eine Aufstellung der österreichischen EU-Kandidaten:

Die Abschlussrunde ist eröffnet, die Kandidaten dürfen Wahlreden anstimmen. Mlinar ist zuerst dran: Was hat eine Pensionistin von Europa? Richtig firm wirkt die Kandidatin nicht, sie hoffe, auch die Pensionistin verstehe die Vorteile der EU, Schlusssatz Mlinar: "Scheiße, das ist echt schwierig".

Die alte Europa-Hasin Lunacek hat leichteres Spiel: Für sie ist Europa ein Erfolgsprojekt. Vilimsky wiederholt: "Wir wollen mehr zurück nach Österreich". Freund ist überzeugt, jeder profitiere von Europa, schließlich sei man auch abhängig von seinen Handelspartnern. Deshalb müsse Europa wieder wachsen, er wolle alles gegen die Arbeitslosigkeit tun. Karas will ein transparentes Europa, nicht hinter verschlossenen Türen.

Daran angeschlossen gleich die Frage nach direkter Demokratie: Soll es eine Volksabstimmung geben über den Verbleib in der EU? Die Situation der Österreicher innerhalb der EU solle "nachgebessert" werden, meint der FPÖler. Dann könne man doch irgendwann die Bevölkerung nach ihrer Meinung befragen. Doch so richtig will Vilimsky nicht ja sagen auf die Frage: Ja oder Nein?

"Wir kennen uns aus, dass wir uns nicht auskennen", meint die Moderatorin. Scheinbar stimmt das Studiopublikum zu.

Die NEOS-Kandidatin fordert erneut ein Verfassungskonvent auf europäischer Basis, gekoppelt mit einer Parlamentswahl.

Soll die EU noch weitere Staaten aufnehmen? Ja, es gibt noch Platz, etliche Kandidatenländer stehen Schlange, meint Karas. Die Schweiz, Norwegen und Island seien bald soweit. Freund will sich hier nicht näher festlegen, Vilimsky wird dezidiert auf Serbien angesprochen. Der Freiheitliche ist für Serbiens Beitrag - wenn die Kriterien erfüllt sind.

Lunacek erwähnt ebenfalls die Staaten des früheren Jugoslawien. Diese näherten sich ohnehin schon an, erhalten etwa schon Gelder für Hilfe gegen das derzeitige Hochwasser aus EU-Töpfen.

Die pinke Anwärterin auf einen Parlamentssitz sieht derzeit kaum eine Möglichkeit, neue Staaten aufzunehmen.

Die Runde der Kurzantworten ist eingeläutet: EU als Militärmacht? Karas mit Jein, Freund nein. Vilimsky: "Österreich muss neutral bleiben", die Grünen sind freilich gegen Krieg, die Pinken für ein europäisches Heer.

Nun geht es um die Ukraine-Krise: Die FPÖ sei nicht "russophil", wie der Anschein erweckt wurde, meint Vilimsky. Er selbst sein gerade in den USA gewesen, um über die NSA-Aktivitäten zu beraten. Doch die EU solle sich raushalten, er sei selbstverständlich gegen weitere Sanktionen.

Freund spricht erneut vom "Friedensprojekt Europa" und will "kein Öl ins Feuer gießen". Die Antwort nach seiner Haltung zur Politik der EU rückt Freund nicht leicht heraus. Doch befürwortet er dann doch die Sanktionen, die deutlich Wirkung gezeigt hätten.

Lunacek will die EU unabhängig von Russland sehen - weg von Öl und Gas, dann könne Europa sich auch in Menschenrechtsfragen deutlicher positionieren.

Am Sonntag wird gewählt, derzeit kämpfen die Spitzenkandidaten in der Elefantenrunde um Ihre Stimmen. Zur Auflockerung können Sie sich bei uns durch Europa klicken, mit einem Streifzug durch zwölf EU-Ländern: Zwischen Skepsis und Wurschtigkeit

Thema Flüchtlinge: Wie wollen die Grünen die Boatpeople vor Lampedusa retten? Sie spricht von neuen Konzepten, wie man die Flüchtlinge in Europa aufteilen könnte, von einem gemeinsamen Europäischen Asylsystem. Mlinar zeigt Betroffenheit und zeigt Dankbarkeit dafür, dass sie in einem Rechtsstaat leben darf. Das sei letztlich ein Verdienst der Europäischen Union. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und ein gemeinsames Asylsystem soll in einem Europa der Vereinigten Staaten entwickelt werden.

Nun ist Vilimsky am Wort: Er prangert nicht Flüchtlinge an, die etwa aus "rassischen Gründen" verfolgt würden, sondern Wirtschaftsflüchtlinge. "Österreich hat ja jetzt schon mehr als ausreichend", meint der Freiheitliche. Bei der Aufteilung der Flüchtlinge gebe es eben keine europäische Solidarität, das sei "schäbig".

Freund widerspricht: Man müsse den Menschen in Seenot helfen, dass das nicht von Anfang an gemacht wurde, sei eine Katastrophe. Zudem sei er für solidarische Aufteilung der Flüchtlinge. Als Beispiel nennt er Syrien: Es sei auch Aufgabe der EU, dort zu Frieden zu verhelfen.

Auch Karas sieht es als "große Schande" an, wie mit den Flüchtlingen umgegangen wird. Es gebe zu wenig Gemeinschaft in dieser Frage, so der ÖVPler.

Falls Sie mehr über Harald Vilimsky lernen wollen:

Unausweichlich das Thema TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA.

Die Frage könne Sie nicht beantworten. Die NEOS seien für Freihandel, das sei eine große Chance. Doch kritisiert sie scharf die Verhandler: Man wissen nicht, was hinter geschlossenen Türen passiere. Die Grünen glauben hingegen zu wissen, was auf uns alle zukommt, Stichwort Chlorhuhn. Deshalb: Die österreichischen Standards dürften nicht unterwandert werden. Die Elefantenrunde hat zumindest bisher eine Seltenheit hervorgebracht: Die FPÖ im Gleichklang mit Grün und Pink. Das Chlorhuhn müsse aufgehalten werden, meint Vilimsky, eine Allianz müsse her. "Und wenn es zwischen Grün und Blau ist".

Karas beruhigt noch schnell: Ohne das Parlament gebe es keine Zustimmung, das Abkommen stehe ja noch nicht.

Wieder eine Frage via Social Media: Wieso man Schlüsselarbeitskräfte aus Spanien hole, die dort selbst gebraucht würden? Weil wir sie auch hier brauchen, so Karas. Erneut ein Appell, die österreichischen Modelle (Stichwort duales Ausbildungsmodell) in Europa zu implementieren. "Das können Sie ja dann gleich selber machen", meint Thurnher.

Die Debatte dreht auf das Thema Arbeitslosigkeit:

Es bleibe Geld unangetastet liegen, meint Eugen Freund in Anspielung auf durch die Lappen gegangene Steuereinnahmen. Diese Wahl sei zudem eine Richtungsentscheidung, so Thurnhers Ex-Kollege. Das habe er auch Martin Schulz heute in Wien gesagt. Vilimsky kontert: Gerade Schulz, "der oberste Sozialdemokrat", erhalte 18.000 Euro im Monat. Dann dürfe man nicht behaupten, Steuerflüchtlinge einzufangen. Vilimskys Rezeot gegen Arbeitslosigkeit: "Renationalisieren", Arbeitsmarktpolitik prioritär für Österreicher betreiben.

Die Grünen haben eine andere Herangehensweise: Bildungsinvestitionen, Mindestlohn in der Nähe des Medianeinkommens, Energiewende: "Dort sind die Jobs der Zukunft drinnen".

Mlinar ist ebenso wie Lunacek für Erasmus+ - Studenten und Lehrlinge können so ins Ausland gehen. Aber: "Wir brauchen einen neuen Unternehmergeist". Mlinar setzt auf Startups. "Dafür braucht es Mut zur Hoffnung", so das pinke Plädoyer.

Thema Steuerflucht: Mlinar ist für einen "Steuerrahmen, eine Art Korridor". Sie ist weder für volle Steuerfreiheit noch für Harmonisierung. Lunacek ist für Die Harmonisierung des Steuerrechts, das würde auch der Wirtschaft helfen, so die Grüne. Thurnher voller Hoffnung zu Vilimsky: "Schaffen wir eine Antwort?" Diese lautet "selbstverständlich Nein zu einem gemeinsamen Steuerrecht!"

Alle seien also gegen Steuerbetrug, stellt die Moderatorin fest...."Wieso ist dann bis jetzt nichts passiert?" - Freund entsetzt.

Thurnher spricht einen User-Tweet an:

Eugen Freund sieht den Vorschlag nicht als realistisch an, weil gerade in diesen Ländern die Zustimmung fehle. Karas hingegen will alle EU-Länder in der Eurozone sehen. Der Euro ist stabil, so der Parlaments-Vizepräsident. Freund pflichtet erneut bei: Österreich sei durch den Euro auch weit besser mit der Inflation zurechtgekommen.
Erwartungsgemäß weiß Vilimsky anderes zu berichten: "Wer will schon in eine de facto insolvente Firma einsteigen?"

Die Grüne EU-Abgeordnete spricht die Euro-Skeptiker in Großbritannien an: Dort gebe es mitunter sehrwohl den Willen, in die Eurozone zu kommen, meint sie.

Der erste große Themenblock behandelt erwartungsgemäß die Euro-Krise. Karas wiederholt, was er im Wahlkampf stetig meinte: Kein Eurostaat ist pleitegegangen. Man habe zwar Fehler gemacht, aber es habe keine Alternative gegeben. Auch Freund stimmt zu: Die Alternative wäre eine ähnliche Depression wie in den 30er-Jahren gewesen. Doch der Neo-Politiker mahnt auch Wachstumsimpulse ein, Vorbild USA. Freund kann dieses Mal auch mit Zahlenwissen auftrumpfen.

Vilimsky hat schärfere Kritik anzubringen: Die Banken hätten die Krise ausgelöst, die Politik habe sie verschärft, durch den "Fluch des billigen Geldes", vor dem alle Ökonomen gewarnt hätten. Man hätte Banken auch in Konkurs gehen lassen müssen, ist der Vilimsky überzeugt.

Die Grüne Lunacek prangert die FPÖ an: Raus aus EU und Schengen würde großen Schaden für Österreich bedeuten. Auch sie räumt Fehler der EU-Politik ein: Die Austeritätspolitik sei zu rigide gewesen. Durch grüne Jobs und Millionärssteuer hätte man abfedern können.

NEOS-Kandidatin Mlinar ist für eine Institutionen-Reform, Stichwort Verfassungskonvent. Die Bankunion sei ein richtiger Schritt.

Moderatorin Ingrid Thurnher läutet die letzte Elefantenrunde ein - NEOS-Kandidatin Angelika Mlinar wird mit den Worten begrüßt: "Schön, dass Sie heute nicht schwänzen!".

Erste Frage: Diskrepanz zwischen nationalen und europäischen Kompetenzen. Wollen die NEOS mehr Macht für Brüssel? Mlinars Antwort: Definitiv ja, man müsse jedenfalls mehr kooperieren.

Auch Grünen-Kandidatin Lunacek antwortet differenzierter. Bei der Gentechnik solle nicht Brüssel über Österreich entscheiden.

Für die Freiheitlichen ist die Frage ein aufgelegter Elfer: Man dürfe den Österreichern nicht noch mehr Macht entreißen, sagt Harald Vilimsky. "Rauben wir nicht diesem Europa seine Souveränität." Die Korrektur folgt auf dem Fuße: "Rauben wir unserem Land nicht seine Souveränität."

Eugen Freund in seinem angestammten Terrain, dem Küniglberg. Er versucht, gleich auf die Kernkompetenz der Sozialdemokraten zu kommen, etwa Mindestlöhne. In der Sozialpolitik wolle er nicht mehr Macht für Brüssel.

Und schließlich Othmar Karas von der ÖVP: "Europa ist kein Superstaat". Wo es um große Fragen gehe, müsse man größer werden, und umgekehrt.

Der Beginn der Elefantenrunde steht kurz bevor. Die Spitzenkandidaten sind bereits im ORF-Zentrum eingelangt und wurden wahlkampfgemäß von Unterstützern empfangen. Moderatorin und Regie stehen bereit, auch auf Twitter wird schon heftig kommentiert. Der Hashtag lautet übrigens #orfwahl14.

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