Opposition gibt Erdogan Schuld an Eskalation mit PKK
Es ist eine denkbar inhomogene Regierung, die dieser Tage in der Türkei gezimmert wird. Eine mit Ablaufdatum. Am 1. November wird neu gewählt. In Koalitionsgesprächen hatten sich die bisher regierende AKP, die bei den Wahlen im Juni die absolute Mehrheit verfehlte, und die Mitte-links-Partei HDP, die aus dem Stand mit 13 Prozent den Einzug ins Parlament schaffte, nicht einigen können. In der Übergangsregierung wird die HDP drei Minister stellen. Ein Zweckbündnis mit einer Partei, mit der die HDP laut ihrem Co-Vorsitzenden Selahattin Demirtas nur den letzten Buchstaben gemeinsam hat: Das P.
Demirtas ist derzeit auf EU-Tour. Am Mittwoch und Donnerstag war er in Wien – Audienz bei Präsident Fischer und andere politische Gespräche inklusive. Gegenüber Journalisten eröffnete der Vize-Parteichef dabei ganz konträre Visionen zu denen der AKP. Er spricht von "radikaler Demokratie", für die die HDP stehe, von Minderheitenrechten, von einer nötigen Waffenruhe zwischen PKK und Armee, vom Erfolg der HDP als "Erfolg der türkischen Demokratie".
Andeutungsweise Einigkeit mit der AKP besteht nur in der Ortung der Probleme des Landes: Der Syrien-Krieg, der damit verbundene Flüchtlingsstrom (bis zu zwei Mio. in der Türkei), der Krieg zwischen Armee und der Kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Bei den Lösungsansätzen aber gehen die Vorstellungen auseinander. Demirtas fordert mehr Befugnisse für Regionen und Kommunen, ein Ende des Zentralismus.
Militärisch motiviert
In der Flüchtlingskrise wiederum will er nichts von einer Schutzzone in Nordsyrien wissen, wie sie die derzeitige Führung andenkt. Er will eine konsequente Stabilisierung und Sicherung syrischer Städte – durch Konsultationen zwischen allen Parteien in dem Bürgerkrieg. Auch externer wie den USA, Russland, Saudi-Arabien oder dem Iran. Und Assad – auch wenn Demirtas sagt, dass dieser in Syrien keine Zukunft haben werde: "Syrien kann nicht mehr das Syrien von einst werden." Wohl aber müsste man sicherstellen, dass die Rechte der Alawiten (Assad ist Alawit) gesichert und ihre politischen Vertreter eingebunden werden.
Bis eine sichere Rückkehr der Flüchtlinge möglich sei, so Demirtas, müsse die Türkei eine menschenwürdige Betreuung aller Schutzsuchenden sicherstellen. Pläne Ankaras zur Einrichtung einer Schutzzone in Nordsyrien nennt Demirtas eher militärisch als humanitär motiviert: Sichere Gebiete in Nordsyrien gebe es, nur würden die unter kurdischer Verwaltung stehen – welche Ankara aber als Gefahr betrachte. Denn diese Verwaltungen stehen der PKK nahe.
In den vergangenen Monaten waren zahlreiche HDP-Vertreter in der Türkei verhaftet worden. Der Vorwurf: Nähe zur PKK, die Ankara als Terrorgruppe listet. Diese Gleichsetzung mit dem IS sei absurd, schwäche den Kampf gegen den IS und schade den Friedensbemühungen, so Demirtas. Um der PKK den Weg in die "demokratische Kultur" zu ebnen, müsse diese von der Terrorliste weg.
Als akutestes Problem sieht Demirtas die "Kriegsentscheidung der Türkei" gegen die PKK. Ankara habe kundgetan, eine von der PKK angebotene einseitige Waffenruhe nicht anerkennen zu wollen. Das zeige, wer Kriegspolitik mache und wer nicht. Für den 1. November prophezeit er der HDP satte Zuwächse.
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