Türkei: IS reklamiert Anschlag in Diyarbakir für sich

Polizeihelikopter über dem Schauplatz des Terroranschlags
Neun Todesopfer forderte der Bombenanschlag in Kurdenmetropole. Türkische Regierung machte PKK für Tat mitverantwortlich.

Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hat den Anschlag mit neun Toten in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir vom Freitag für sich reklamiert. Dies habe die IS-nahe Nachrichtenagentur Amaq vermeldet, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE in der Nacht auf Samstag mit.

Ankara machte hingegen die verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für die Tat verantwortlich, bei der auch mehr als hundert Menschen verletzt wurden.

IS-Chef rief zu Anschlägen auf

Erst am Donnerstag hatte IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi in einer Audiobotschaft zu Angriffen gegen die Türkei aufgerufen. Für das Vorgehen Ankaras gegen den IS in Syrien und im Irak müsse Rache geübt werden, forderte er. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim schrieb den jüngsten Anschlag hingegen der verbotenen PKK zu.

Türkei: IS reklamiert Anschlag in Diyarbakir für sich
A picture taken on November 4, 2016 after a strong blast in the southeastern Turkish city of Diyarbakir shows a damaged building at the explosion site. At least one person was killed and 30 injured in a blast outside a police building on November 4 in Diyarbakir, the centre of the Kurdish minority, medical sources told AFP. The explosion occurred just hours after police detained the two co-leaders of the country's main pro-Kurdish party and several other MPs in a major escalation of a broader crackdown against leading Kurds. / AFP PHOTO / ILYAS AKENGIN
Der mehrheitlich kurdische Südosten der Türkei kommt seit dem Ende eines Waffenstillstands zwischen der PKK und der Armee im Juli 2015 nicht mehr zur Ruhe. Seither wurden mehr als 600 Mitglieder der Sicherheitskräfte und mehr als 7.000 PKK-Kämpfer getötet. Anfang des Monats hatten die Behörden einem regierungsnahen Beamten die Leitung der Kurdenmetropole Diyarbakir übertragen, nachdem die beiden Bürgermeister wegen angeblicher "terroristischer" Aktivitäten festgenommen worden waren.

Der Anschlag auf das Polizeihauptquartier in Diyarbakir war am Freitagmorgen verübt worden, wenige Stunden nach der Festnahme der Chefs der prokurdischen Oppositionspartei HDP. Bei Anti-Terror-Razzien in der Nacht auf Freitag waren die beiden Ko-Parteivorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, sowie mehrere HDP-Abgeordnete festgenommen worden. Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittgrößte Partei im türkischen Parlament und die größte politische Vertretung der Kurden.

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(FILES) This file photo taken on October 31, 2015 at Galata Sarai Square in Istanbul shows Selahattin Demirtas (C), co-leader of Turkey's pro-Kurdish Peoples' Democratic Party (HDP), greeted by supporters during a gathering of "Saturday Mothers" on the eve of the country's general election. Selahattin Demirtas was detained on November 4, 2016 at his home in the southeastern city of Diyarbakir while the co-chairperson Figen Yuksekdag was detained in Ankara within the framework of a terror investigation, the Hurriyet newspaper and NTV television said. / AFP PHOTO / DIMITAR DILKOFF

Internationale Proteste gegen Festnahmen

Trotz massiver internationaler Proteste wurden am Nachmittag Haftbefehle gegen die beiden Spitzenpolitiker sowie sieben weitere HDP-Abgeordnete ausgestellt. Insgesamt wurden zwölf HDP-Abgeordnete festgenommen, drei kamen gegen Kaution frei. Demirtas und Yüksekdag wurden laut der Nachrichtenagentur Dogan am späten Abend unter großen Sicherheitsvorkehrungen in Gefängnisse im Westen des Landes gebracht. Die türkischen Behörden gehen gegen die HDP im Rahmen von "Anti-Terror"-Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kontakte zwischen der HDP und der PKK vor.

Türkei: IS reklamiert Anschlag in Diyarbakir für sich
People get angry as Turkish police officers block the streets near the explosion site on November 4, 2016 after a strong blast in the southeastern Turkish city of Diyarbakir. Eight people were killed, including two police, and over 100 wounded in a car bombing by Kurdish militants in the southeastern Turkish city of Diyarbakir, Prime Minister Binali Yildirim said on November 4, 2016, updating an earlier toll. The blast, which Yildirim said was carried out by the outlawed Kurdistan Workers Party (PKK), targeted a police headquarters hours after top Kurdish politicians were detained in an unprecedented police crackdown. / AFP PHOTO / ILYAS AKENGIN
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zitiert den Geschäftsträger der türkischen Botschaft am Freitag ins Außenamt. Ähnliche Schritte gab es in anderen EU-Staaten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini berief ein Treffen der EU-Botschafter in Ankara ein. Mogherini und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung die Festnahmen. Als Gast auf dem CSU-Parteitag in München sagte Kurz: "Wenn die Opposition mundtot gemacht wird, Journalisten eingesperrt werden oder die Todesstrafe eingeführt wird, hat diese Türkei definitiv keinen Platz in der Europäischen Union."

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