Türkei: IS reklamiert Anschlag in Diyarbakir für sich
Neun Todesopfer forderte der Bombenanschlag in Kurdenmetropole. Türkische Regierung machte PKK für Tat mitverantwortlich.
05.11.16, 08:37
Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) hat den Anschlag mit neun Toten in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir vom Freitag für sich reklamiert. Dies habe die IS-nahe Nachrichtenagentur Amaq vermeldet, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE in der Nacht auf Samstag mit.
Ankara machte hingegen die verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für die Tat verantwortlich, bei der auch mehr als hundert Menschen verletzt wurden.
IS-Chef rief zu Anschlägen auf
Erst am Donnerstag hatte IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi in einer Audiobotschaft zu Angriffen gegen die Türkei aufgerufen. Für das Vorgehen Ankaras gegen den IS in Syrien und im Irak müsse Rache geübt werden, forderte er. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim schrieb den jüngsten Anschlag hingegen der verbotenen PKK zu.
Der mehrheitlich kurdische Südosten der Türkei kommt seit dem Ende eines Waffenstillstands zwischen der PKK und der Armee im Juli 2015 nicht mehr zur Ruhe. Seither wurden mehr als 600 Mitglieder der Sicherheitskräfte und mehr als 7.000 PKK-Kämpfer getötet. Anfang des Monats hatten die Behörden einem regierungsnahen Beamten die Leitung der Kurdenmetropole Diyarbakir übertragen, nachdem die beiden Bürgermeister wegen angeblicher "terroristischer" Aktivitäten festgenommen worden waren.
Der Anschlag auf das Polizeihauptquartier in Diyarbakir war am Freitagmorgen verübt worden, wenige Stunden nach der Festnahme der Chefs der prokurdischen Oppositionspartei HDP. Bei Anti-Terror-Razzien in der Nacht auf Freitag waren die beiden Ko-Parteivorsitzenden der HDP, Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag, sowie mehrere HDP-Abgeordnete festgenommen worden. Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittgrößte Partei im türkischen Parlament und die größte politische Vertretung der Kurden.
Internationale Proteste gegen Festnahmen
Trotz massiver internationaler Proteste wurden am Nachmittag Haftbefehle gegen die beiden Spitzenpolitiker sowie sieben weitere HDP-Abgeordnete ausgestellt. Insgesamt wurden zwölf HDP-Abgeordnete festgenommen, drei kamen gegen Kaution frei. Demirtas und Yüksekdag wurden laut der Nachrichtenagentur Dogan am späten Abend unter großen Sicherheitsvorkehrungen in Gefängnisse im Westen des Landes gebracht. Die türkischen Behörden gehen gegen die HDP im Rahmen von "Anti-Terror"-Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kontakte zwischen der HDP und der PKK vor.
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) zitiert den Geschäftsträger der türkischen Botschaft am Freitag ins Außenamt. Ähnliche Schritte gab es in anderen EU-Staaten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini berief ein Treffen der EU-Botschafter in Ankara ein. Mogherini und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn kritisierten in einer gemeinsamen Erklärung die Festnahmen. Als Gast auf dem CSU-Parteitag in München sagte Kurz: "Wenn die Opposition mundtot gemacht wird, Journalisten eingesperrt werden oder die Todesstrafe eingeführt wird, hat diese Türkei definitiv keinen Platz in der Europäischen Union."
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