Babiš vor Wahlsieg in Tschechien: Ein politischer Wetterhahn nutzt den Wind

Ein Mann zeigt eine rote Mütze
Tschechien wählt - und Ex-Premier Andrej Babiš hofft auf sein Comeback. Dass der Multimillionär Tschechien auf den ungarischen Weg im Stile Orbans führt, gilt aber als unwahrscheinlich.

Andrej Babiš, ehemaliger Regierungschef und siebentreichster Mann Tschechiens, könnte für eine Premiere sorgen: Siegt er am Freitag und Samstag bei den Parlamentswahlen, wäre der 71-jährige Multimillionär der erste tschechische Premier, der ein zweites Mal als Chef in die Straka-Akademie, den Amtssitz der tschechischen Regierung, einzieht. In den Umfragen deutete bereits alles auf einen klaren Wahlsieg für den Chef der ANO-Partei hin: Mit 30 bis 33 Prozent Zustimmung liegt Babiš um bequeme zehn Prozentpunkte vor seinen Kontrahenten vom bisher regierenden liberal-konservativen Bündnis Spolu von Premier Petr Fiala.

Doch bis zu einem echten Comeback ist es noch weit: "Das wird eine sehr schwierige Regierungsbildung", gibt Marco Arndt, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Prag, zu bedenken. "Babiš kann auf Leute zugehen und Stimmungen aufgreifen. Bei den Älteren und auf dem Land kommt er gut an, diese Volksnähe ist sein größtes Plus", führt Arndt gegenüber dem KURIER aus. Der Multimillionär wirke trotz seines enormen Reichtums auf seine Wähler geerdet.

TV debate ahead of Czech parliamentary elections

TV-Debatte zwischen Babis und Regierungschef Fiala

Anders aber sieht es in den Städten, bei den besser Gebildeten und der jungen Bevölkerung aus - und so wird Babiš mindestens einen Koalitionspartner brauchen, um eine Regierung bilden zu können.

Genau die aber sind das Problem: Die gemäßigten Parteien der politischen Mitte lehnen die Zusammenarbeit mit Babiš ab. Ihr Vorwurf:  Babiš habe vor, das Land von Europa abzuwenden und den Rechtsstaat nach dem Vorbild von Ungarns Premier Orban zu schleifen. Außerdem wolle der vom einstigen Liberalen zum Populisten gewandelte Millionär die tschechische Munitionsinitiative und finanziellen Hilfen für die Ukraine abdrehen - dabei galt Prag bisher als einer der wichtigsten Unterstützer für Kiew. 

Und da ist da immer noch der Vorwurf des Interessenskonfliktes: Babiš ist Eigentümer des Agrar- und Lebensmittelkonzerns Agrofert, eines der größten Unternehmen des Landes mit rund 220 Tochterfirmen. Brüssel wirft ihm vor, zu Unrecht europäische Fördermillionen eingestreift zu haben - was der Unternehmer kategorisch bestreitet. Und der „angebliche Interessenskonflikt wird sicherlich kein Problem darstellen“, sollte er wieder Premier werden, versicherte Babiš jüngst dem besorgten tschechischen Präsidenten Petr Pavel. Dann werde Agrofert eben einer Treuhandgesellschaft überschrieben.

In den Ohren der aktuellen Regierungskoalition klingt das wenig glaubwürdig. Und so würden dem wahrscheinlichen Wahlsieger Babiš nur extreme Koalitionspartner zur Verfügung stehen: 

Mehrere potenzielle Koalitionspartner 

Die rechtspopulistische, islamfeindliche Partei der direkten Demokratie (SPD) etwa  oder die Mitte rechts stehenden Motoristen, die Tschechien am liebsten aus der EU hinaus führen würden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Babiš sich von diesen Kräften abhängig machen würde", gibt Politologe Marco Arndt zu bedenken. "Die EU- und NATO-Mitgliedschaft Tschechiens stellt Babiš nicht in Frage, und er sucht auch nicht die Nähe zu Moskau oder China. Das unterscheidet Andrej Babiš von Viktor Orban oder Robert Fico."

Die Sorge, dass Tschechien mit einer möglichen Babiš-Regierung deshalb den Weg Ungarns oder der Slowakei nehmen, den Rechtsstaat schwächen und auf europafeindlichen Kurs gehen könnte, sieht Experte Arndt nicht. "In seiner politischen Ausrichtung ist Babiš flexibel", glaubt Arndt - er sei kein Ideologe vom Schlag Orbans. Letztlich agiere er immer noch wie aus der Sicht eines Unternehmers. Im engeren Umfeld des Politikers gilt Babiš gar als politischer Wetterhahn. "Er ist der Ansicht, dass Politik sich danach ausrichten soll, was die Umfragen zeigen", schilderte einer seiner ehemaligen Berater der Financial Times.

Election poster of ANO 2011 (Action of Dissatisfied Citizens) party leader and former Prime Minister Andrej Babis, in Strancice

Wahlplakat für Babis

Und diese Umfragen zeigen zwar, dass sich die Wirtschaft Tschechiens mit einem heuer erwarteten Plus von 2,4 Prozent zwar erholt hat und die Arbeitslosigkeit bei niedrigen 4,5 Prozent liegt - doch bei vielen Tschechen ist der Aufschwung noch nicht angekommen. Die Sparpolitik der Regierung hat viele Menschen frustriert, vor allem Pensionistinnen und Pensionisten sind enttäuscht und wollen nun aus Protest die Opposition wählen. Zumal Babiš auf riesigen Plakaten im ganzen Land höhere Pensionen, niedrigere Preise und günstigere Hypotheken verspricht: "Wählen Sie ein besseres Leben"

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