"Die Welt wird von einem Kind geführt"

Wetten, dass Trump...
Jeden Tag ein neuer Skandal. Steht Donald Trump vor seiner Amtsenthebung?

Niemand weiß, was aus dieser Präsidentschaft werden wird. Keine vier Monate ist sie alt. Vier Jahre sollen es werden. Eigentlich. Donald Trump liegt in diesen Tagen unter selten schwerem Feuer, wie so oft maßgeblich selbst verursacht. "Die Welt wird von einem Kind geführt", titelt die New York Times.

Blankes Chaos

Gefährden die Entlassung des FBI-Direktors, Trumps Ausplaudern von Geheimdiensterkenntnissen, seine Russlandkontakte und das blanke Chaos im Weißen Haus wirklich seine Präsidentschaft? Seit seinem 114. Tag im Amt kann man sagen: Ja. Vielleicht sogar kurzfristig, langfristig auf jeden Fall.

Sollte Trump tatsächlich FBI-Chef James Comey um eine Einstellung der Russland-Ermittlungen rund um Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn gebeten haben, wie die New York Times und später andere Medien berichten, hätte der Präsident ganz klaren Rechtsbruch begangen. Versuch der Behinderung der Justiz. Das hat eine andere Qualität als unbedachte Plauderei. Dann würde es eng.

Was Richard Nixon bei der Watergate-Affäre zu Fall brachte, war genau das: Er hatte seinen Staabschef angewiesen, der CIA aufzutragen, Ermittlungen des FBI zu beenden, die einen Einbruch bei der demokratischen Partei zum Gegenstand hatten. Trump hat das nun viel direkter gemacht. Er hat offenbar Comey gebeten, die Ermittlungen gegen seinen Kurzzeit-Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen.

Amtsenthebung

Mit großem Bedacht nimmt Angus King, unabhängiger Senator von Maine, am Dienstagabend (Ortszeit) erstmals das Wort "Impeachment" in den Mund. Amtsenthebung.

Allerdings: Die Gravitationskräfte einer US-Präsidentschaft sind immens. In der Geschichte der Vereinigten Staaten gab es nur gegen zwei Präsidenten Amtsenthebungsverfahren. Keines hat im Sinne der Kläger funktioniert. Wenn sie nicht im Amt sterben, machen US-Präsidenten ihre vier Jahre in aller Regel voll. Mindestens. Nur: Wenn in Sachen Trump keine Regeln gelten, sind auch alle historische Ableitungen und Analogien mit Vorsicht zu genießen.

"Trump ist wie ein Pilot, der sein Flugzeug mit Absicht durch schwerste Turbulenzen fliegt und danach das Bordpersonal dafür verantwortlich macht, dass es den Passagieren schlecht geht", schreibt die Washington Post. Die Lage im West Wing wird als verheerend beschrieben. Manchmal, schreibt die New York Times, drehen sie in der Presseabteilung die Fernseher auf volle Lautstärke, damit man das Gebrüll und all den Zorn nicht hört.

Wo kommen all die Informationen her, die Trump so sehr beschädigen? Und wird, wer sie streut, nicht noch viel mehr in petto haben? Comey könnte im nächsten Schritt nun vom - allerdings republikanergeführten - Kongress zu einer öffentlichen Aussage vorgeladen werden. Es wäre ein nackter, gigantischer Alptraum für ein Weißes Haus im Krisenmodus.

Der Senat braucht Trump nicht

So hoch Trumps Werte in der Anhängerschaft auch sind, mittlerweile sehen die Republikaner ihre Agenda bedroht. Der US-Senat braucht Trump nicht, auch darin liegt für ihn eine echte Gefahr. Solange die Republikaner zu ihm halten, kann ihm kaum etwas passieren. Die Hürden einer Amtsenthebung sind einfach sehr hoch.

"Die Macht eines Präsidenten über eine Partei oder den Kongress gründet sich darauf, dass ausreichend viele Parlamentarier ihn brauchen, fürchten oder aufrichtig mögen. Präsident Trump hat nichts davon", schreibt der Newsletter Axios.

Hat sich Trump als Präsident unabhängig eines etwaigen Flynn-Memos etwas zuschulden kommen lassen, das ein Impeachment rechtfertigen würde? Ist er ein "Sicherheitsrisiko", wie Medien und Demokraten höhnen? Wurden im Weißen Haus Gespräche aufgezeichnet, wie damals bei Richard Nixon? Ist die Lage schlimmer als Watergate?

Das wird womöglich erst die Zeit zeigen.

Demokraten hoffen auf die Kongresswahlen 2018

Impeachments dauern lange. Die Ermittlungen auch. Zwei Jahre vergingen nach dem Einbruch ins Watergate-Hotel, bis die Dinge gegen Präsident Nixon ernsthaft ins Rollen kamen. Bei Bill Clinton war es ähnlich. Erst im langwierigen Klein-Klein der Whitewater-Affäre kam der Sex-Skandal um Monica Lewinsky ans Licht.

Weil das so ist, werfen die Kongresswahlen 2018 bereits einen scharfen Schatten. Die Demokraten bauen die größten Hoffnungen auf einen Wiedergewinn des Repräsentantenhauses. Die Anti-Trump-Stimmung müsste sich dafür in echten Stimmen materialisieren. Wenn die Republikaner Trump zuvor eher als Ballast sehen denn als Lokomotive, hat er ein Problem. Schon jetzt verlieren viele die Angst vor seiner Gewalt, auch vor der seiner Twitter-Attacken. Ihr Hemd des Berufspolitikers ist ihnen näher als der Hermelin des Präsidenten.

Als "Festung" wird Trump beschrieben, als manisch Ich-fixiert, dem nur seine Familie etwas gelte. Von Beginn an wurde gefragt, ob man Trump überhaupt "verkaufen" könne, wer ein guter Sprecher eines solchen Präsidenten sei. Für Sean Spicer, den Vielgescholtenen, wird im Pressecorps mittlerweile Mitleid laut. Blass ist er geworden, freudlos, gedeckelt, einsilbig. Seine Ablösung steht offen im Raum, aber nicht seine allein.

Trump sei stocksauer auf die meisten seiner Berater, schreibt die New York Times. Selbst Stabschef Reince Priebus und Chefstratege Steve Bannon seien gefährdet, will auch CNN wissen, gehe es doch für Trump so nicht mehr weiter.

Verschiedene Realitäten

Einer Präsidentschaft in heller Aufruhr steht indes ein Land gegenüber, das die Realität völlig verschieden wahrnimmt. Fox News, mächtige Lautsprecher wie Alex Jones' Universum Infowars und andere nutzen die Entlassung des FBI-Chefs für Beschimpfungen von Demokraten und Medien. Jeremy Peters beschreibt im Podcast Daily der New York Times, welche Vorstellung rechte Medien von der Wirklichkeit erzeugen. Nichts hat das mit dem Bild der USA zu tun, das in Europa und Deutschland via Washington Post, CNN oder New Yorker ankommt.

Trumps Anhänger sind zutiefst überzeugt, dass "die Linken" ihrem Präsidenten Böses wollen und seit der völlig unerwarteten Niederlage Hillary Clintons eine Verschwörung gegen das Weiße Haus planen. Wenn dieser Mai 2017 Trump tatsächlich einmal richtig auf die Füße fallen sollte, wird bereits ein langer, klebriger Faden ausgelegt. Er soll zurückführen zu den Demokraten und den Medien. Sie waren schuld, dass das nichts wurde mit Trump. Von Anfang an.

Nach den Dienstags-Enthüllungen verbreitete Trumps Kampagne, "Ungewählte" aus dem Beamtenapparat der USA sabotierten seine Präsidentschaft.

Von den Verfehlungen Trumps und dem Wirrwarr seiner Präsidentschaft wird man in solchen Berichten nichts hören. Die USA sind dort ein anderes Land, in dem böse Mächte einen gutwilligen Präsident bremsen und verfolgen. Wie das echte Amerika je wieder zusammenfinden will, weiß momentan niemand.

Ein US-Präsident kann nach der amerikanischen Verfassung nur vom Kongress aus dem Amt entfernt werden. Dazu gibt es das Impeachment-Verfahren (Amtsanklage). Als Gründe dafür werden in der Verfassung "Verrat, Bestechung oder andere schwere Verbrechen und Vergehen" genannt - eine nähere Definition gibt es nicht.

Das Impeachment wird vom Repräsentantenhaus eingeleitet, erste Schritte des Verfahrens erfolgen in dessen Justizausschuss. Am Ende verabschiedet die gesamte Kammer mit einfacher Mehrheit eine Liste von Anklagepunkten und leitet sie an den Senat weiter. Diesem kommt die Funktion eines Gerichts zu. Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs leitet das Verfahren, einer Verurteilung müssen am Ende zwei Drittel der anwesenden Senatoren zustimmen. Die Kammer hat 100 Mitglieder. Nach Angaben des Senats kann keine Berufung eingelegt werden.

Bisher ist kein US-Präsident durch ein Impeachment-Verfahren des Amtes enthoben worden. Zuletzt musste sich der Demokrat Bill Clinton 1999 wegen einer Lüge über eine sexuelle Beziehung zu Monica Lewinsky einem Verfahren stellen. Der Senat sprach ihn jedoch von den Vorwürfen des Meineides und der Behinderung der Justiz frei. 1974 kam der Republikaner Richard Nixon wegen der Watergate-Affäre um die abgehörte Wahlkampfzentrale des politischen Gegners einer Amtsenthebung durch seinen Rücktritt zuvor.

Gegen Andrew Johnson - dem Nachfolger von Abraham Lincoln - wurde das Verfahren 1868 eingeleitet, weil er sich über die Mitspracherechte des Kongresses bei der Besetzung von Regierungsposten hinweggesetzt haben sollte. Für seine Amtsenthebung fehlte am Ende nur eine einzige Stimme.

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