Warum sich Trump plötzlich für JD Vance als Nachfolger "halbstark" macht

US-Präsident Donald Trump und hinter ihm sein Vize JD Vance
Der US-Präsident sieht seinen Vize JD Vance „höchstwahrscheinlich“ als möglichen Nachfolger. Vielleicht aber auch noch: Außenminister Marco Rubio.

War es ein verspätetes Geburtstagsgeschenk zum 41. seines Vizepräsidenten JD Vance?  Oder war es  purer Zufall, dass der leitende White-House-Reporter von Fox News, Peter Doocy, in völlig sachfremdem Kontext – es ging um die Olympischen Sommerspiele in Los Angeles in vier Jahren – Donald  Trump mit einer suggestiven Frage zu den Präsidentschaftswahlen 2028 konfrontierte: „Sind Sie auch der Meinung, dass JD Vance der designierte Nachfolger für MAGA ist?“ Und Trump antwortete: „Höchstwahrscheinlich“.  

Anders als noch im Februar, als Trump solchen Fragen auswich und aggressiv mit einer dritten (laut Verfassung verbotenen) Kandidatur liebäugelte, sprang der 79-Jährige diesmal ohne Zögern über das Stöckchen: „Es ist natürlich noch zu früh, darüber zu sprechen, aber er macht auf jeden Fall einen großartigen Job und wäre derzeit wahrscheinlich der Favorit“, sagte Trump über den Mann, der ihn vor gut zehn Jahren noch in Bausch und Bogen abgelehnt hatte. 

Und da gibt es noch Außenminister Rubio

Dass Trump schnell nachschob, Außenminister Marco Rubio käme auch infrage und könnte sich vielleicht mit Vance als Doppelspitze „zusammentun”, ging im Stirnrunzeln der anwesenden Reporter unter. Schließlich hatte der ehemalige Senator aus Florida und erbitterte Trump-Gegner des Wahljahres 2016 erst kürzlich eine Lobeshymne auf Vance abgelassen: „Ich finde, er macht einen großartigen Job. Er ist ein enger Freund und ich hoffe, dass er kandidieren will, aber ich weiß, dass es noch etwas früh ist“, sagte Rubio.

US-POLITICS-ECONOMY-VANCE

US-Vizepräsident JD Vance

Wo sagte er das? Natürlich bei Fox News, wo Trumps Schwiegertochter Lara Trump neuerdings Interviews führen darf. Vance gab die Blumen zurück: „Marco ist unglaublich kompetent und zuverlässig, und er ist auch einer meiner engsten Freunde in der Regierung.“

Weil Trump bei den Früh-Geplänkeln über seine möglichen politischen Erben noch nie so weit gegangen ist wie jetzt, rückt JD Vance noch ein Stück mehr ins Rampenlicht. 

Was sich nach seinen ersten sechs Monaten im strukturell undankbaren Job des „Veep” gewiss sagen lässt: Selten hatte ein temporärer Bewohner des stolzen Herrenhauses am „Naval Observatory” in Washington DC, traditioneller Amtssitz des US-Vize-Präsidenten, so viel Macht und Einfluss wie der aus ärmlichen Verhältnissen in den hinterwäldlerischen Appalachen stammende Vance. 

Der Systemsprenger

Von der ersten Minute an autorisierte Trump den Vater dreier Kinder, sich als Systemsprenger zu inszenieren. Vance, stets hoch loyal, fehlt bei kaum einem Treffen im Oval Office, wenn Trump mit ausländischen Staatsgästen seine Show für die Medien abzieht. Hier zettelte der als intelligenter, kalkulierender und kontrollierter geltende Jurist im März den berüchtigten Streit mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij an, der bis heute das Verhältnis zwischen Washington und Kiew verschattet. 

International hinterließ der über Stipendien und viel Fleiß an der Elite-Universität Yale ausgebildete Finanz-Technokrat auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar seine Visitenkarte. Dass er es wagte, im Herzen Europas den russischen Präsidenten Wladimir Putin davonkommen zu lassen und stattdessen eine linksgewirkte Meinungsdiktatur als Wurzel allen Übels diagnostizierte, haben ihm viele Diplomaten nicht vergessen. Seitdem ist, wie ein deutscher Top-Beamter in Washington sagte, klar: „Kommt JD Vance ans Ruder, müssen wir uns bei Themen wie Ukraine, Nato, Schutzzölle, China-als-Feind und Digitalisierung ganz warm anziehen. Der Mann ist beinhart.”

US-POLITICS-ECONOMY-VANCE

Auf seinem Feldzug gegen die Institutionen und Konventionen des politischen Betriebs macht JD Vance keine Gefangenen. Dass die Regierung illegale Einwanderer ohne rechtsstaatliche Verfahren in übel beleumundete Knäste in El Salvador abschiebt, findet keinen leidenschaftlicheren Unterstützer als den mit einer indisch-stämmigen Wissenschaftler-Tochter (Usha) verheirateten Katholiken. 

Attacken gegen die Elite-Unis

Auch die von Trump angeführten Attacken der Top-Universitäten trägt seine Handschrift. Vance sieht in renommierten Lehreinrichtungen von Harvard bis Columbia den „woken Feind”, den man „aggressiv angreifen” müsse. Vance macht es bei seinen Auftritten diebische Freude, aus der Perspektive der Rechten Tabus zu brechen und das demokratische Lager gegen sich aufzubringen. Anders als der ewige Entertainer und Lebemann Trump, der keinen ideologischen Kern besitzt und heute so und morgen so redet, hat Vance` Kampf gegen linke Identitätspolitik etwas Missionarisches.

Mächtigen Kräfte, darunter die einflussreichen wie finanzstarken Tech-Bosse im Silicon Valley, gefällt das sehr. Sie hielten Trump immer schon für eine Übergangslösung und sehen in Vance die eloquentere, klügere und gleichzeitig hinreichend skrupellose Führungsfigur für einen Rechtspopulismus, der die Demokratie, wie sie heute existiert, bewusst zerschlagen will. 

Dabei spielen Abhängigkeiten eine Rolle, die der breiten Mehrheit der Amerikaner nicht immer geläufig sind. Den JD Vance des Sommers 2025 gäbe es ohne PayPal-Gründer Peter Thiel nicht. Bei dem deutschstämmigen Tech-Milliardär fand Vance nach der Universität einige Zeit sein Auskommen. Später finanzierte Thiel Vance’ Wahlkampf um den Posten des Senators von Ohio mit 15 Millionen Dollar. Auch der Silicon Valley-Großinvestor Marc Andreessen, der nach Rechtsaußen abgedriftet ist, gehört zu den Fan-Boys von Vance, der seine anfängliche Hölzernheit im Umgang mit Menschen auf der Straße überwunden hat. 

Was nicht unwichtig ist, denn JD Vance trägt nach wie vor den Makel des Opportunisten. Er war es, der Trump vor dessen erster Kandidatur als „amerikanischen Hitler” und „kulturelles Heroin für die Massen” abgekanzelt hatte. Spätestens als er Senator werden wollte, kam die Kehrtwende. Vance nahm alles zurück, sah sich als Opfer der „Lügenpresse”, trat den Canossa-Gang nach Mar-a-Lago an und tat öffentlich Abbitte für seine harschen Worte. 

Kommentare