39 Prozent: Warum die Schweiz Trumps Zollhammer mit voller Wucht abbekommt

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Die Eidgenossenschaft rühmte sich eigentlich für ihren guten Draht zum US-Präsidenten. Nun hat er ihr Zölle in der Höhe von 39 Prozent aufgebrummt. Der Schock im Land sitzt tief.

Am Freitag, dem Schweizer Nationalfeiertag, war Karin Keller-Sutter wohl kaum zum Feiern zumute. Am Vorabend hatte die Schweizer Bundespräsidentin mit Donald Trump telefoniert. Sie habe dem US-Präsidenten erklärt, dass der 1. August 1291 der Geburtstag ihres Landes sei. „Er konnte das fast nicht glauben. 1291 war kein neuer Zolltarif, sondern wirklich das Datum des Rütlischwurs“, stichelt sie bei einer Veranstaltung.

Das Publikum kann über den Seitenhieb lachen. Dabei hat das Telefonat mit dem US-Präsidenten für die Eidgenossenschaft eigentlich in einem Fiasko geendet: Nur kurz danach hat Trump nämlich Zölle in der Höhe von 39 Prozent auf alle Schweizer Waren verkündet. Es ist der höchste Satz für ein europäisches Land.

Schock sitzt tief

In Bern sitzt seitdem der Schock tief, von den Zollverhandlungen nicht nur mit einem blauen Auge, sondern mit einer schallenden Ohrfeige davongekommen zu sein. Regierung und Industrie sprechen von einer „willkürlichen Strafe“ für das exportorientierte Land, für das die USA das wichtigste Absatzland sind. Der Verband „Handel Schweiz“ warnt am Montag gar vor einer „drohenden Handelskatastrophe“. Der ab dem 7. August geltende Zollsatz sei „sachlich nicht gerechtfertigt“ und widerspreche auch „den Prinzipien eines regelbasierten, freien Welthandels“. 

Warum die US-Zollkeule gerade die Alpenrepublik so hart trifft – und sie damit in die Gesellschaft von Ländern wie Brasilien, Syrien oder Myanmar bringt – ist unklar. Eine Berechnungsformel liegt nicht vor. Trump dürfte sich aber vor allem am US-Handelsdefizit mit der Schweiz gestört haben, das 2024 bei 38,5 Milliarden Franken lag. (Bei Dienstleistungen betrug der US-Überschuss dagegen fast 20,4 Milliarden Franken.) Offiziell heißt es aus dem Weißen Haus aber lediglich, die Schweiz habe „keine bedeutenden Zugeständnisse“ gemacht.

Dabei wähnte sich Bern eigentlich auf gutem Kurs. Nach Trumps Ankündigung globaler Zölle im April stieg man rasch in Verhandlungen ein – und war bis zuletzt zuversichtlich, besser als die EU (15 Prozent) davonzukommen. „Ich fand offensichtlich den Zugang zu ihm“, sagte Keller-Sutter nach einem früheren Telefonat gar.

Swiss Federal President addresses press conference on Trump's tariffs in Bern

Guy Parmelin und Karin Keller-Sutter  bei einer Pressekonferenz.

Verzettelt

Rückblickend meinen Kritiker: Die Schweiz habe sich verzettelt. Man habe sich zu lange mit Formalitäten aufgehalten, sich zu sehr auf US-Unterverhandler verlassen und den entscheidenden Moment für den Abschluss verpasst, während andere Länder Trump längst großzügige Angebote vorgelegt hätten. Zudem habe die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten das Land, das wie kein anderes für Zuverlässigkeit steht, auf dem falschen Fuß erwischt.

Nun ist man in Bern panisch um Schadensbegrenzung bemüht. Der Bundesrat kam am Montag zu einer Krisensitzung zusammen. Wirtschaftsminister Guy Parmelin kündigte an, nachverhandeln zu wollen. Im Raum stehen Käufe von US-Flüssiggas, verstärkte Investitionen von Schweizer Firmen in den USA und Rindfleisch-Importe. 

Die Zeit läuft: Kommt bis Donnerstag keine Last-Minute-Einigung zustande, drohen gravierende Folgen. Laut ETH-Ökonom Hans Gersbach könnte die Schweizer Wirtschaftsleistung dann um bis zu 0,6 Prozent schrumpfen. Sollten auch Pharmazeutika - ein Exportschlager im Wert von 35 Milliarden Dollar  - von den US-Zöllen betroffen sein könnte der Rückgang noch höher sein. Auch sie sind ein möglicher Hebel für die Schweiz: So störte sich Trump in der Vergangenheit wiederholt an den hohen Preisen für Medikamente in seinem Land. 

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