Der US-Präsident hat am Mittwoch mit Wladimir Putin telefoniert und dabei nach eigener Auskunft vereinbart, sofort Friedensgespräche über die Ukraine aufzunehmen. Danach hat er den ukrainischen Präsidenten Selenskij darüber informiert. Voraussichtlich sollen diese Gespräche zwischen Trump und Putin in Saudi-Arabien stattfinden, eine Teilnahme der Ukraine, oder der NATO-Verbündeten ist vorerst nicht geplant. Es soll also über die Köpfe Europas und der Ukraine hinweg ein Frieden ausverhandelt werden, statt ihnen soll möglicherweise China als Vermittler einbezogen werden.
Wie sieht Trumps Plan für die Ukraine aus?
Trump hat schon im Wahlkampf deutlich gemacht, dass er rasch ("in einem Tag") Frieden in der Ukraine schaffen will und dass dieser Frieden mit Gebietsverlusten für die Ukraine verbunden sein wird. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth hat das jetzt gegenüber den NATO-Verbündeten in Brüssel noch deutlicher gemacht: Es werde keine Wiederherstellung der Ukraine in den Grenzen von 2014 - also vor der Annexion der Halbinsel Krim - geben. Trump hat vor wenigen Tagen sogar laut drüber nachgedacht, dass die Ukraine eines Tages "russisch" sein könnte.
Welche Rolle spielt Europa in diesem Plan?
Der US-Verteidigungsminister hat Trumps Linie unmissverständlich festgelegt. Es werde keine amerikanischen Truppen für die Sicherung eines Friedensabkommens, oder einer Waffenstillstandslinie in der Ukraine geben. Das hätten die Europäer zu erledigen, allerdings nicht im Rahmen einer offiziellen Mission der NATO. Denn das hätte zur Folge, dass ein russischer Angriff auf diese Friedenstruppe im Sinne der NATO-Beistandspflicht von allen NATO-Partnern, also auch den USA, entgegnet werden müsse. Das aber Hegseth klar ausgeschlossen und dabei sogar den Artikel 5 der NATO-Verträge, der diese Beistandspflicht vorsieht, erwähnt: Bei einem russischen Angriff würden die USA definitiv nicht einschreiten.
Wie reagiert Russland?
Hoch erfreut. Alle Kremlnahen Medien jubeln, dass das Telefonat ein Sieg Putins gewesen sei, und dass die USA "die Ukraine endlich fallen gelassen hätten". Dass Trump die Europäer übergangen hat - die erfuhren von dem Telefonat aus den sozialen Medien -, wird hämisch kommentiert: "Trump interessiert sich überhaupt nicht für die Meinung von Kiew und Brüssel", heißt es. Zeitgleich wird das als positive Normalisierung der Beziehungen zwischen den Atommächten gesehen - man spricht endlich wieder auf Augenhöhe, und da wollte Putin bekanntlich hin. Auch wirtschaftlich zeigte sich das umgehend: Der russische Aktienmarkt legte zu, der Ölpreis sank in Erwartung einer Wiedereingliederung Russlands in den Weltmarkt.
Und was sagt Kiew?
Dort ist man völlig ernüchtert. Trump hat mit der bisherigen US-Politik komplett gebrochen, deren Leitlinie immer "nichts über die Ukraine ohne die Ukraine" hieß - also keine Gespräche ohne Beteiligung Kiews. Präsident Wolodimir Selenskij war zwar um Optimismus bemüht ("Niemand wolle Frieden mehr als die Ukraine, schrieb er auf X), forderte aber eine Beteiligung an den Gesprächen. Allein: Entscheiden wird er das nicht, und Druckmittel hat er auch keines - Trump hingegen schon: Er kann die Unterstützungen für Kiew eigenmächtig einstellen.
Wie reagiert Europa auf Trumps Pläne?
Vorerst herrscht Schockstarre und offizielle Reaktionen beschränken sich auf das Festhalten an der bisherigen Linie. NATO-Generalsekretär Mark Rutte spricht aber inzwischen nur noch von einem "starken Deal, der ein stabiles Ergebnis sichert". Es müsse klar sein, dass sich der Westen durchgesetzt habe und "Putin nie wieder so etwas versuchen wird". Doch hinter den Kulissen sprechen viele europäische Diplomaten von einem dramatischen Kurswechsel der USA, der fatale Folgen haben werde. Trump habe Putin damit schon vor Beginn von Friedensgesprächen in entscheidenden Punkten nachgegeben, genau das, was man bisher bewusst nicht getan habe. Die Ankündigung, ohne die Ukraine zu verhandeln und obendrein deren Gebietsverzicht von Anfang an zu akzeptieren, werde Putin nur zu weiterer Aggression ermuntern.
Was wollen die Europäer in EU und NATO?
In beiden Institutionen haben sich die Mitgliedsländer grundsätzlich darauf festgelegt, dass die Ukraine wieder ihre vollständige Souveränität in den 1992 völkerrechtlich festgelegten Grenzen bekommen soll und dass man militärische und politische Unterstützung leisten will, bis dieses Ziel erreicht und in einem Friedensvertrag verankert ist. Die Verhandlungen darüber müssen unbedingt unter Teilnahme der Ukraine stattfinden. Allerdings zeigen sich einzelne EU- und NATO-Mitgliedsländer, etwa Ungarn, die Niederlande, oder die Slowakei, offen skeptisch gegenüber dieser Position.
Wer leistet die meiste Unterstützung für die Ukraine?
Militärisch ist das bisher die USA, rechnet man aber auch die humanitäre und wirtschaftliche Hilfe dazu, haben die EU-Staaten inzwischen schon mehr geleistet. Auch militärisch haben die Europäer ihre Hilfe massiv verstärkt. Die von der Ukraine geforderte Million an Artilleriegranaten wird man 2025 tatsächlich liefern können, nachdem der weltweite Einkauf dieser Granaten, aber auch die Produktion in Europa angekurbelt wurden. Auch Panzer, Raketensysteme mit Reichweiten über 100 Kilometer, Kampfjets und Luftabwehr wurden von Großbritannien und Frankreich geliefert.
Deutschland hat zwar Panzer und Artillerie geliefert, verweigert aber die Lieferung der weitreichenden Raketensysteme. Doch sowohl der ukrainische Präsident Selenskij als auch die Führungsspitze von EU und NATO haben klar gemacht, dass man der Krieg ohne US-Unterstützung nicht fortgesetzt werden kann.
Hat Trumps Vorstoß Aussicht auf Erfolg?
Beobachter sind sehr skeptisch, dass Trump eine langfristige Lösung herbeiführen wird. Die russische Kreml-Kennerin Tatjana Stanowaja argumentiert, Trump wolle nur eine Feuerpause und eine schnelle Verständigung, die die gesamte Ukrainefrage ins Abseits schiebe; Putin hingegen wolle nach wie vor eine russifizierte entmilitarisierte Ukraine. "Putin ist voll und ganz darauf vorbereitet, dass diese Gespräche scheitern werden", schreibt sie. Aus Sicht des Kreml gebe es nichts, was der Westen tun könnte, um Russlands Gebietsgewinne rückgängig zu machen und den Zusammenbruch der Ukraine auf lange Sicht zu verhindern. Die Zeche dafür muss aber nicht Trump zahlen, sondern die Ukraine - und auch Europa.
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