Zweifelhafter Ursprung des Friedensplans, Gespräche in Genf gestartet

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Von der Leyen nennt Bedingungen für einen Friedensschluss der Ukraine. Der türkische Präsident Erdoğan will mit Putin telefonieren

Regierungsvertreter aus den USA, Europa und der Ukraine sind am Sonntag in Genf zu Gesprächen über Möglichkeiten zur Beendigung des russischen Angriffskriegs zusammengekommen. Dabei wollen sie über einen von den USA vorgelegten 28-Punkte-Plan sowie über eine von den Europäern stark überarbeitete Version beraten. Sowohl die Ukraine als auch die EU-Staaten und Großbritannien hatten ein US-Ultimatum bis Donnerstag abgelehnt, weil es einer ukrainischen Kapitulation gleichkomme.

Als Vertreter der USA trafen am Vormittag der Sondergesandte Steve Witkoff und Außenminister Marco Rubio in Genf ein. "Wir hoffen, die letzten Details auszuarbeiten und ein für die Ukraine vorteilhaftes Abkommen zu erzielen", sagte ein US-Regierungsvertreter. Er erweckte dabei den Eindruck, dass es vor allem um Gespräche mit der Ukraine gehe. "Es wird keine Einigung geben, bevor die beiden Präsidenten nicht zusammenkommen", fügte er mit Blick auf US-Präsident Donald Trump und den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij hinzu. Vor Rubios Abflug nach Genf hatte Trump seinen 28-Punkte-Plan wieder relativiert und betont, dies sei nicht sein endgültiges Angebot.

Der US-Regierungsvertreter sprach von Koordinierungstreffen am Vormittag, bevor die Gespräche offiziell begännen. Es werde den ganzen Tag lang Gespräche in verschiedenen Formaten zwischen US-amerikanischen und ukrainischen Sicherheitsberatern geben, fügte er hinzu. Es war zunächst unklar, wie die Europäer dabei eingebunden sind.

Verwirrung darüber, wer US-Plan ausgearbeitet hat

Seit der Bekanntgabe des US-Plans herrscht erhebliche Verwirrung darüber, wer an seiner Ausarbeitung beteiligt war. Die europäischen Verbündeten kritisieren, nicht konsultiert worden zu sein. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hatte Freitag mit Trump telefoniert und dabei die Beratungen in Genf vereinbart. Er hatte die US-Regierung am Samstag gewarnt, dass die USA keine Vereinbarung ohne die Ukraine und die Europäer treffen können.

Auf europäischer Seite sind die Sicherheitsberater Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens sowie der EU-Kommission nach Genf gereist. Die neunköpfige ukrainische Delegation wird von Andrij Jermak, dem Leiter des Büros von Präsident Selenskij, angeführt.

Das erste Treffen mit den nationalen Sicherheitsberatern der Staats- und Regierungschefs des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und Deutschlands habe stattgefunden, sagte Jermak. Als nächstes sei ein Treffen mit der US-Delegation geplant. "Wir sind sehr konstruktiv eingestellt", sagte er. Es seien heute eine Reihe von Treffen in verschiedenen Formaten geplant. "Wir arbeiten weiterhin gemeinsam daran, einen nachhaltigen und gerechten Frieden für die Ukraine zu erreichen."

Selenskij hofft auf positives Ergebnis

Der ukrainische Präsident Selenskij hatte vor dem Treffen in Genf erklärt, Alternativvorschläge zum US-Plan machen zu wollen. Nach dem Beginn der Gespräche sagte er, dass die Teams der Ukraine, der USA und der Europäer in engem Kontakt seien und an Schritten für eine Beendigung des Krieges arbeiteten. "Das Blutvergießen muss gestoppt werden, und wir müssen sicherstellen, dass der Krieg nie wieder von Neuem entzündet wird", schrieb Selenskij in den sozialen Netzwerken.

"Ich erwarte die Ergebnisse der heutigen Gespräche und hoffe, dass alle Teilnehmer konstruktiv eingestellt sind. Wir alle brauchen ein positives Ergebnis", betonte der Präsident.

US-Sondergesandter Keith Kellogg: "Es ist ein guter Plan"

Der US-Sondergesandte Keith Kellogg gab sich unterdessen optimistisch, dass der US-Plan den Krieg zwischen Russland und der Ukraine beendet. "Es ist ein guter Plan", sagte Kellogg in einem Interview mit dem Sender Fox News. "Der Rahmen ist da, um zu einem Abschluss zu kommen."

Das Ende des Krieges sei zum Greifen nah, aus militärischer Sicht seien die letzten zehn Meter immer die schwierigsten, sagte der General. "Und wir sind auf den letzten zwei Metern - wir sind fast da", sagte Kellogg im Gespräch mit Lara Trump, der Schwiegertochter des US-Präsidenten. Einiges in dem 28 Punkte umfassenden Dokument bedürfe noch etwas Anpassung und mehr Erklärung, so Kellogg. Dies sei Sache von Verhandlungen.

Die Ukraine hat deutlich gemacht, dass sie gegenüber Russland keine Zugeständnisse bei Gebietsansprüchen oder in Bündnisfragen machen will, wie es der von Trump vorgelegte Plan unter anderem vorsieht. Dass die Ukrainer diese Haltung "für ihre eigenen Leute" an den Tag legten, sei verständlich, so Kellogg. Aber jetzt gehe es darum, "kluge Entscheidungen zu treffen".

Kellogg gilt in der Trump-Regierung als der Politiker, der am ehesten mit Kiew sympathisiert. Er geht davon aus, dass auch Russland angesichts katastrophaler Verluste in den eigenen Soldaten-Reihen an einer Lösung interessiert sei und letztlich beide Kriegsparteien dem Plan zustimmen werden: "Ich denke, wir können die Ukrainer dahin bringen, das zu tun, und ich denke, wir können die Russen später ebenfalls dazu bringen."

Erdogan drängt auf diplomatische Lösung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drängte indes auf eine diplomatische Lösung zur Beendigung des Ukraine-Krieges. Vor dem Hintergrund von Beratungen über einen US-Friedensplan müssten "alle diplomatischen Mittel" genutzt werden, um einen gerechten und dauerhaften Frieden zu erreichen, sagt er dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, wie das türkische Präsidialamt mitteilte.

Merz macht eigenen Vorschlag

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat unterdessen nach eigenen Worten einen eigenen Vorschlag eingebracht. Es handle sich um einen Vorschlag "unterhalb der kompletten Lösung" des von den USA vorgelegten 28-Punkte-Plans, sagte Merz am Sonntag nach dem G20-Gipfel in Südafrika. Er zeigte sich zugleich skeptisch, dass es wie von US-Präsident Trump zuletzt gefordert bis Donnerstag zu einer Einigung kommen könne. Eine Einigung bis Donnerstag sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, sagte Merz. "Ich bin aber skeptisch ob angesichts der gegenwärtigen Differenzen ein solches Ergebnis möglich ist."

Erdoğan will mit Putin telefonieren

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan brachte unterdessen sein Land erneut als Vermittler im Ukraine-Krieg ins Spiel gebracht und kündigte ein Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Schon in der Vergangenheit habe die Türkei etwa das Getreideabkommen zwischen den beiden Kriegsparteien vermittelt, das als Ausgangspunkt für Friedensverhandlungen gedacht war, sagte Erdogan am Rande des G20-Gipfels in Johannesburg. Es wäre gut, wenn dieser Prozess wieder aufgenommen werde. An diesem Montag werde er mit Putin in einem Telefonat darüber sprechen.

Der türkische Präsident hatte bereits am Mittwoch bei einem Besuch des ukrainischen Staatschefs Selenskij in Ankara gefordert, dass die Verhandlungen in Istanbul wieder aufgenommen werden. Die Türkei unterhält gute Beziehungen zu Russland und der Ukraine und war bereits mehrfach Ausrichterin von Friedensverhandlungen. Zu dem umstritten 28-Punkte-Plan der Amerikaner äußere sich Erdogan nicht.

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