Geschworene beraten: Wie es für Trump im Schweigegeld-Prozess weitergeht
Anklage und Verteidigung hatten das letzte Wort. Die Schlussplädoyers des Staatsanwalts sowie der Trump-Anwälte wurden am späten Mittwochabend (Ortszeit) im Gerichtshof von Manhattan vorgetragen, der letzte Prozesstag damit zu Ende gegangen.
Jetzt beginnt die heikelste Phase im Schweigegeld-Prozess um Donald Trump, den Porno-Star Stormy Daniels und mutmaßlich illegal verbuchte Zahlungen in sechsstelliger Höhe: Die Geschworenen müssen in 34 Anklagepunkten entscheiden, ob der Ex-Präsident schuldig ist oder nicht. Ein kurzer Leitfaden bis zur Entscheidung - und darüber hinaus:
Was wird Trump vorgeworfen?
Trump soll der Pornodarstellerin Stormy Daniels, mit der er zehn Jahre zuvor eine Affäre hatte, 130.000 Dollar (120.000 Euro) an Schweigegeld gezahlt und diese Transaktion verschleiert haben, um seine Chancen auf einen Sieg bei der Präsidentenwahl 2016 zu wahren. Der heute 77 Jahre alte Republikaner, der im November erneut ins Weiße Haus einziehen will, bestreitet dies.
Im Zentrum des Falls steht ein Treffen dreier Männer: 2015 trafen sich den Aussagen zufolge Trump, sein damaliger persönlicher Anwalt Michael Cohen und der ehemalige Herausgeber des Boulevardblattes "National Enquirer", David Pecker, im New Yorker Trump Tower. Pecker soll sich bei dem Gespräch bereit erklärt haben, dem Präsidentschaftsbewerber beim Aufspüren unvorteilhafter Geschichten über ihn zu helfen - mit dem Ziel, sie niemals ans Licht der Öffentlichkeit gelangen zu lassen.
In der Folge kaufte der "National Enquirer" tatsächlich die Rechte an mehreren Geschichten, die das Blatt letztlich nie veröffentlichte. Für die Vertraulichkeitsvereinbarung mit Stormy Daniels aber bezahlte Cohen selbst, wie Zeugen und Unterlagen bestätigen sollen. Vieles hängt davon ab, ob die Geschworenen überzeugt davon sind, dass die Zahlung an Daniels wirklich das Ziel hatte, Trumps Wahlchancen zu verbessern - und nicht etwa seine dritte Ehe zu retten.
Was folgt jetzt, nach den Schlussplädoyers?
Jetzt schlägt die Stunde von Richter Juan Merchan. Er gibt den zwölf Geschworenen einen detaillierten Fahrplan, wie sie die vergangenen Prozesstage und die dort vorgetragenen Beweise der Staatsanwaltschaft sowie die Konter-Argumente von Trumps Anwälten im Sinne der Gesetze zu beachten haben. Wichtigster Merkposten: Alle zwölf müssen „über jeden vernünftigen Zweifel hinaus” von der Schuld des Ex-Präsidenten überzeugt sein, andernfalls können sie am Ende nicht auf "schuldig" plädieren.
Das heißt konkret: Das ausgewählte Dutzend muss sich sicher sein, dass Trump die angeklagte Fälschung seiner Geschäftsunterlagen (für die Abwicklung der 130.000 Dollar an Stormy Daniels und die Erstattung an seinen früheren Anwalt und Mittelsmann Michael Cohen) mit der Absicht autorisiert hat, eine weitere Straftat (Verstoß gegen nationale und bundesstaatliche Wahlkampffinanzierungsgesetze) zu begehen.
Dabei muss die Jury Trump nicht in allen 34 Anklagepunkten schuldig sprechen, es können auch einzelne Vorwürfe gemeinschaftlich zurückgewiesen werden. Für ihre internen Beratungen, die am heutigen Donnerstag beginnen, gibt es kein Zeitlimit. Falls Unklarheiten bestehen, dürfen sich die Juroren aus den 4.500 Seiten an Prozess-Protokollen Dokumente und Passagen erneut vorlegen lassen und den Richter dezidiert um Rat fragen.
Das ganze Prozedere kann wenige Stunden dauern. Aber auch etliche Tage oder Wochen sind möglich. Prozessbeobachter halten es für möglich, dass die Würfel schon bis Freitagnachmittag (31. Mai) fallen könnten.
Wie wird das Urteil der Geschworenen kommuniziert?
Der sogenannte „Vormann” der Jury nimmt Kontakt mit Juan Merchan auf. Wenn die Geschworenen ein einstimmiges Urteil gefällt haben, wird der Vorsitzende Richter alle Prozess-Beteiligten (auch Trump) in den Gerichtssaal im Süden Manhattans rufen und das Urteil verlesen lassen. Merchan muss es offiziell bestätigen.
Er könnte aus eigenem Antrieb - oder auf Antrag der Anklage wie der Verteidigung - die Geschworenen überstimmen. Dafür spricht aber nach gegenwärtigem Stand nichts.
Muss Donald Trump ins Gefängnis, falls er schuldig gesprochen würde?
Nein. Nach der Urteilsfindung vergehen in der Regel einige Monate bis zur Strafmaß-Verkündung. Rechtsprofessoren gehen nicht davon aus, dass Richter Merchan die nach der Gesetzeslage im Bundesstaat New York maximal vier Jahre betragende Strafe gegen Trump vor der Präsidentschaftswahl am 5. November vollstrecken lassen würde.
Zum einen, weil es den republikanischen Präsidentschaftskandidaten de facto aus dem Wahlkampf nehmen würde. Zum anderen, weil Trumps Anwälte im Falle eines Schuldspruchs definitiv in Berufung gehen würden. Dieses Verfahren kann Monate oder sogar Jahre dauern und am Ende, wie so oft bei Trump, vor dem Supreme Court in Washington landen.
Dazu kommt: Eine Haftstrafe ist überhaupt nicht ausgemacht. Trump ist nicht vorbestraft. Bei ihm käme auch eine hohe Geldbuße (analog zu den bereits verhängten rund 500 Millionen Dollar in zwei Zivil-Verfahren) in Betracht oder eine Bewährungsstrafe. Damit ist klar: Bis zum Abschluss eines Berufungsverfahrens bliebe Trump aller Voraussicht nach ein freier Mann.
Was wären die politischen Konsequenzen für Trump im Fall einer Verurteilung?
Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage, auf die es de facto erst nach dem Wahltag am 5. November eine belastbare Antwort geben wird. Trumps Basis und viele Millionen Amerikaner darüber hinaus glauben, dass Trump das Opfer einer angeblich von den Demokraten gesteuerten feindseligen Justiz geworden ist, die ihn, Trump, vor der Wahl aus dem Verkehr ziehen wolle. Das könnte ihm Sympathien an der Wahlurne einbringen.
Auf der anderen Seite sagen rund 20 Prozent der republikanischen Wähler, dass sie Trump nicht mehr im Weißen Haus sehen wollen, falls er als erster Ex-Präsident in der amerikanischen Geschichte von einer Jury aus der Mitte des Volkes strafrechtlich schuldig gesprochen wird. Trotz Breitband-Berichterstattung in allen großen Medien über jeden einzelnen Prozesstag hielt sich das Interesse der Amerikaner bisher in Grenzen. Über 55 Prozent geben an, das Verfahren in New York gar nicht oder kaum verfolgt zu haben.
Ähnlich hoch sind die Werte derer, die sagen, dass ein Urteil ihre Wahlentscheidung für oder gegen Trump nicht beeinflussen wird. Angesichts des leichten Umfragen-Vorsprungs, den Trump in mutmaßlich entscheidenden Bundesstaaten gegenüber Amtsinhaber Joe Biden hält, ist nicht festzustellen, dass Trump der Prozess bisher nennenswert geschadet hat. Ob das so bleibt, ist offen.
Was, wenn sich die Jury auch nach langer Beratung nicht auf ein einmütiges Votum verständigen kann?
Dazu reichte schon ein einziger der zwölf Juroren aus. Dann ist der Tatbestand der „hung jury” erfüllt und der Prozess geplatzt. Die Staatsanwälte um Chef-Ankläger Alvin Bragg, der einigermaßen blamiert wäre, könnten eine Neu-Auflage des Prozesses anstreben. Vor der Präsidentschaftswahl im November lägen die Chancen dafür aber bei Null.
Was, wenn die Jury Trump in allen Punkten freisprechen sollte?
Dann ist das Verfahren sofort vorbei und kann von der Staatsanwaltschaft auch nicht mehr neu aufgerollt werden. Donald Trump würde nach Einschätzung von Wahlkampf-Strategen triumphieren und den juristischen Sieg für seinen Wahlkampf instrumentalisieren.
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