Heimliche Ölimporte aus Russland: Hat Trump recht mit seiner Europa-Kritik?

Donald Trump und seine Drohungen, das ist so eine Sache. Mehr als einmal hat der US-Präsident Wladimir Putin bereits ausgerichtet, er werde es heftig zu spüren bekommen, wenn er nicht bald die Waffen in der Ukraine ruhen lasse und sich an den Verhandlungstisch setze. Nur passiert ist bisher: nichts.
Stattdessen sucht Trump die Schuld woanders, etwa bei den Europäern. Ihnen warf der US-Präsident jetzt lautstark vor, Putins Kriegsmaschinerie trotz aller Sanktionen weiterhin heimlich zu ölen. Die EU beziehe trotz ihres lautstark verkündeten Importstopps weiter russisches Öl, beschuldigte er die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in einem Telefonat. 1,1 Milliarden Dollar habe Europa so in nur einem Jahr an Moskau überwiesen.
Stimmt das?
Putins inoffizielle Wege
Ja, Trump hat recht. Europa ist tatsächlich nicht zur Gänze aus dem Ölgeschäft mit Russland ausgestiegen. Für die Slowakei und Ungarn, die beide sehr putinfreundliche Regierungen haben, gibt es ganz offiziell Ausnahmen vom EU-Ölembargo. Doch auf diese beiden Staaten spielte Trump gar nicht an: Ihm ist das Öl ein Dorn im Auge, das auf inoffiziellen Wege nach Europa kommt – etwa über Indien und die Türkei.
Russland hat als Reaktion auf die EU-Sanktionen nämlich begonnen, sein Öl in großem Stil umzuleiten und auch über dubiose Wege an den Mann zu bringen. Zum einen nutzt Moskau eine „Schattenflotte“, sprich Tanker, die zwar russisches Öl transportieren, aber Russland nicht zuzuordnen sind. Etwa 500 solcher Schiffe dürfte es derzeit geben, Tendenz steigend – Moskau kauft regelmäßig alte Tanker, um sie umzuetikettieren und um die Welt zu schicken.
Diese Schiffe steuern zwar keine europäische Häfen an, das ist ihnen verboten, aber das Öl kommt auf Umwegen retour: Die Schattenflotte beliefert indische und türkische Raffinerien, die das Rohöl verarbeiten und nach Europa verkaufen. Verschifft wird es derzeit hauptsächlich in die Niederlande, von dort aber dürfte es durchaus auch an Tankstellen anderer EU-Länder landen.
Öl-Embargo: Seit Juni 2022 hat sich die EU selbst verordnet, aus dem Ölgeschäft mit Russland auszusteigen. Was im Gasbereich wegen massiver Abhängigkeiten nicht gelang – noch immer importiert Europa massiv LNG aus Russland, seit Kriegsbeginn wurden so mehr als 100 Milliarden Euro an Moskau überwiesen – ist im Ölsektor fast flächendeckend gelungen.
Ausnahmen: Die Slowakei und Ungarn konnten sich eine Übergangsregelung bis 2028 ausverhandeln, sie beziehen weiterhin Pipeline-Öl. Doch auch über indische Raffinerien gelangt noch russisches Öl Richtung Europa – das ist zwar ab Jänner 2026 untersagt, ist technisch aber schwer zu überprüfen.
Indien als Nutznießer des West-Ausstiegs
Dieser Handel floriert seit Kriegsbeginn, zuletzt sogar mit massiven Steigerungsraten, da hat Trump recht. Indien ist der größte Nutznießer des angeblichen Ölausstiegs des Westens, es kauft mittlerweile beinahe gleich viel Rohöl wie die fünf Mal größere Volkswirtschaft China, und indische Ölfirmen verdienen gut am Weiterverkauf nach Europa.
Washington war dieses etwas dubiose System aber selbst lange Zeit recht: Die USA hatten Angst, dass der Ölpreis durch ein Komplettembargo Moskaus durch die Decke gehen könnte – das hätte nämlich die US-Bevölkerung an der Tankstelle gespürt, und die reagiert auf hohe Preise nicht gerade freundlich. Durch die Umleitung über Indien blieb der Markt weitgehend stabil, alle waren zufrieden.
Dass Trump sich nun auf die „heuchlerischen“ Europäer einschießt, mag auch als Ablenkung davon dienen, dass seine Ukraine-Friedensbemühungen derzeit stocken. Doch seine Kritik ist auch nicht ganz lupenrein: Brüssel hat das Indien-Schlupfloch nämlich schon längst zu schließen versucht; im Frühsommer wurde im jüngsten Sanktionspaket beschlossen, dass ab Jänner 2026 auch kein weiterverarbeitetes Öl russischer Herkunft mehr in der EU landen darf.
Nur: Das zu kontrollieren, ist nicht so einfach, wie es klingt. Laut EU müssen Importeure zwar „Nachweise über das Herkunftsland des verwendeten Rohöls“ vorlegen, doch die können freilich manipuliert sein – es gibt keine zuverlässige technische Methode, um die Herkunft tatsächlich nachträglich zu eruieren. Und ist das Öl in der Raffinerie mit anderem Rohöl gemischt worden, was natürlich oft passiert, wird die Sache mit dem Nachweis noch komplizierter.
Trumps eigener Plan
Dazu kommt, dass Trump in seiner Kritik ja ausschließlich eigenen Interessen folgt. Während er Europa dafür kritisiert, über Umwege Handel mit Russland zu treiben, peilt er genau dasselbe an – nur ohne Umleitungen: Als er Wladimir Putin zum großen Gipfel nach Alaska eingeladen hatte, lagen auch Wirtschaftskooperationen im Energiesektor zwischen den USA und Russland auf dem Tisch. Und Putin unterzeichnete nicht zufällig genau an diesem Tag ein Dekret, das den Wiedereinstieg des US-Ölriesen Exxon Mobile in das Sachalin-I-Projekt in Russland ermöglichen soll, ein mehr als lukratives Öl- und Gasprojekt. Exxon führt laut Wall Street Journal hinter den Kulissen seit Monaten Gespräche mit den Russen über eine Rückkehr – mit Rückendeckung des Weißen Hauses.
Kommentare