Warum Europa in puncto Ukraine auf König Charles hofft

Donald Trump liebt es, Dinge in die Kamera zu halten. Man kann davon ausgehen, dass der britische Premier Keir Starmer das weiß: Als er vor einigen Monaten auf Besuch im Oval Office war, brachte er dem US-Präsidenten eine handgeschriebene Einladung von König Charles höchstpersönlich mit. Das hatte es noch nie gegeben, Trump hielt den Brief dann auch lächelnd vors Objektiv.
Die Briten haben beim zweiten Staatsbesuch des US-Präsidenten mit vielen Konventionen gebrochen. Neu ist auch, dass die Regierung den König recht unverhohlen für ihre Zwecke einsetzt: Dass Trump König Charles auf Schloss Windsor trifft, hat neben wirtschaftlichen auch diplomatische Gründe. Zwar taucht auf der Agenda des Besuchs das Wort Ukraine nicht auf, aber inoffiziell hofft Starmer auf dessen Mitwirken in Sachen Ukrainekrieg.
Der König als Geheimwaffe
Die EU und Großbritannien leiden bekanntlich schon länger unter dessen Wankelmütigkeit in puncto Kiew. Nur haben die Briten eine Geheimwaffe in petto, die der EU fehlt: ihren Monarchen, den Trump angeblich ernster nimmt als so manchen Politiker. Beim Abflug aus Washington nannte er ihn zwar fälschlicherweise „Prinz Charles“, aber auch als „so eleganten Gentleman“, den er sehr verehre.
Zwar sprechen britische Monarchen an sich nicht über politische Belange, das ist seit Jahrhunderten so. Charles wird mit dieser Tradition auch nicht brechen, aber welchen Standpunkt er vertritt, hat er bereits im Frühling gezeigt: Nachdem Trump Woldimir Selenskij mehr als unsanft aus dem Weißen Haus geworfen hatte, lud der britische König den ukrainischen Präsidenten kurzerhand zum Tee auf Schloss Sandringham. Im Juni folgte dann auch eine Visite auf Schloss Windsor, auch das war ein Signal - danach fand der große NATO-Gipfel in Den Haag statt, den Trump zu sprengten gedroht hatte.

König Charles und Wolodimir Selenskij
Milder Monarchen-Einfluss
Schon damals dürfte die Einladung in Absprache mit der Downing Street passiert sein. Auch jetzt hofft Starmers Labour-Regierung auf Charles milden Einfluss auf den US-Präsidenten – möglichst abseits der Kameras, im Privaten. Fehltritte braucht London aber ohnehin nicht zu befürchten. Charles, schreibt das US-Magazin Politico, sei mehr als gut gebrieft; Starmer und er treffen einander ohnehin einmal wöchentlich zu privaten Audienzen, vor dem Staatsbesuch hat man den Kontakt noch einmal intensiviert. Charles wisse sogar über den aktuellen Stand der Waffenstillstands-Verhandlungen Bescheid.
Ob der Plan aufgeht, wird sich nach Trumps Abreise zeigen. Dass Monarchen Einfluss auf den Präsidenten haben können, kann man aber als bewiesen annehmen: Das niederländische Königspaar Willem-Alexander und Máxima hatte ihn kurz vor dem NATO-Gipfel im Juni empfangen. Danach hatte sich Trumps Haltung in Sachen Verteidigungsbündnis deutlich gedreht - zu Gunsten der Europäer.
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