Auf Putins Drohnen hat die NATO keine Antwort

Polish Armed Forces Day celebrations in Warsaw
Zehntausende Soldaten üben an Polens Grenze den Krieg gegen die NATO. Die muss ihre Abschreckung überdenken: Moskaus Drohnen hat sie kaum etwas entgegenzusetzen.

Wie viele Soldaten vor Polen stehen, weiß keiner so genau. Der Kreml verschleiert die Zahl, das hat er immer schon so gemacht, und auch bei der diesjährigen Großübung „Zapad 2025“ lässt man die Zuseher im Westen lieber im Dunkeln. „Strategische Unklarheit“ nennt man das in der Fachsprache, Analysten sagen einfach Angstmache dazu.

Seit Freitag simulieren Russland und Belarus an der NATO-Ostgrenze und im Finnischen Meerbusen das, was Europa seit Putins Invasion der Ukraine fürchtet: einen großen Krieg mit der NATO. Putin macht das nicht zum ersten Mal, solche Manöver gibt es bereits seit 1999, immer im Vier-Jahres-Turnus. Die Erfahrung aus 2021 versetzt aber jetzt vor allem das Baltikum, Polen und Finnland in Unruhe: Damals sprach Putin auch von einer harmlosen „Truppenmassierung“ zu Übungszwecken, viele der Panzer schossen dann aber auf Ukrainer.

NATO ist teils wehrlos

Dazu hat Putin der NATO schon vor ein paar Tagen eine Warnung geschickt, in Form von Drohnen. Zwar beteuert der Kreml bis heute, keines der unbemannten Flugobjekte, die am Mittwoch in Polen niedergingen, sei russischer Herkunft gewesen. Für die NATO war das aber sonnenklar, Warschau berief danach Artikel 4 ein, sprich NATO-Konsultationen. Auch der UN-Sicherheitsrat wurde damit beschäftigt.

Danach zeigte sich das Verteidigungsbündnis nach außen gewohnt wortstark und geeint. Doch intern sorgte der Vorfall für massive Verunsicherung, schließlich zeigten die 19 Drohnen im polnischen Luftraum wie mit dem Brennglas die Abwehrschwäche der Gemeinschaft. Während die Ukraine teils hunderte russische Drohnen zeitgleich abfängt und dabei eine Abschussrate von bis 90 Prozent schafft, holten die polnischen Streitkräfte auch mit NATO-Unterstützung nicht einmal die Hälfte der Fluggeräte vom Himmel. Nur sieben Drohnen wurden abgeschossen, ein Fluggerät schaffte es sogar 300 Kilometer weit über die Grenze.

Billigdrohnen aus Holz

Besonders irritierend war, dass die russischen Drohnen nicht gerade IT-Wunder waren. Die meisten waren Geranium-Systeme russischer Machart, ein Abklatsch der iranischen Shahed-Drohne, teils mit billigem Sperrholz ausgestattet. Pro Stück kosten sie etwa 10.000 Euro, der Einsatz der Kampfjets, die zum Abschuss nötig waren, aber ein Vielfaches: Eine Luft-Luft-Rakete der eingesetzten F-35 kostet 400.000 Dollar, der Jet selbst mehr als 80 Millionen.

Schon seit Langem sprechen Politik und Rüstungsexperten daher von einem „Drohnenwall“, den es an der NATO-Ostgrenze brauche. Nur: Aufgebaut hat den bisher kein Land ernsthaft. In Polen wurde darum auch massive Kritik am Verteidigungsministerium laut. Das Land hat seit 2022 Milliarden in die Verteidigung investiert, knapp fünf Prozent des BIP sind es heuer. Doch das Drohnenabwehrsystem SKYctrl, eine Eigenentwicklung, funktioniere kaum, sei fehleranfällig und erkenne Drohnen oft gar nicht, klagen polnische Medien.

Ähnlich dürfte die Lage auch in den anderen Staaten an der NATO-Ostflanke sein, das hat das Bündnis im Frühling sogar selbst eingestanden. Derzeit würden gerade mal fünf Prozent jener Luftabwehr-Kapazitäten bereit gestellt, die nötig wären, um einen Großangriff aus Russland abzuwehren.

Kiew soll helfen

Aushelfen soll nun ausgerechnet Kiew. Unterhändler aus Polen, Deutschland, Dänemark und dem Baltikum seien dort vorstellig geworden, um Abwehrdrohnen zu kaufen, schreibt der Kyiv Independent. Seit Russland das Land mit Drohnenangriffen überzieht – teils mit bis zu 800 Stück pro Nacht – hat die Ukraine massiv in die Eigenentwicklung billiger Abfangdrohnen investiert. Pro Stück hat man die Kosten auf etwa 5000 Dollar gedrückt.

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Die Zapad-Übung 2025 an der NATO-Ostgrenze.

Der Kreml wird all das mit großem Interesse verfolgen. Putins Übung sollte den Westen darum umso wachsamer sein lassen, sagen Experten. Russland habe zwar aktuell keine Kapazitäten für einen Angriff auf die NATO, die meisten Land- und Luftlandetruppen seien in der Ukraine gebunden, schreiben Aylin Matlé und András Rácz von der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik. Mit der Aufrüstung der Ostflanke sollte das Bündnis aber nicht bis Kriegsende warten: Putin könnte so versucht sein, einen kleineren Angriff auf die baltischen Staaten und Polen zu riskieren.

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