Thronwechsel: Als Holland noch bei Österreich war

Königin Beatrix tritt am kommenden Dienstag zurück und überlässt die Krone ihrem ältesten Sohn Willem-Alexander, der das Land von nun an mit seiner Frau Máxima repräsentieren wird.

Die Menschen hier in Amsterdam sind im Zwiespalt. Einerseits freuen sie sich auf das neue, strahlende Königspaar, aber gleichzeitig weinen sie ihrer alten Königin nach, denn die meisten Holländer sahen Beatrix als Glücksfall für ihr Land. Kaum in Amsterdam angekommen, besuchte ich die beiden Haupt-Schauplätze des royalen Zeremoniells: den Königspalast, in dem Beatrix am Dienstag abdankt. Und die „Neue Kirche“, in der Willem-Alexander danach als König vereidigt wird. Beide Gebäude sind voll von niederländischer Geschichte – mit österreichischen Wurzeln.

Zwei Königspaläste

Die königliche Familie residiert an „normalen Tagen“ in Den Haag, dem holländischen Regierungssitz. Feierliche Momente wie Hochzeiten und Krönungen werden jedoch in der Hauptstadt Amsterdam begangen. In jeder der beiden Städte gibt es einen Königspalast. Der von Amsterdam wurde Mitte des 17. Jahrhunderts errichtet, als die Niederlande gerade eine Republik waren. Da eine Republik naturgemäß keinen Königspalast braucht, war das Gebäude ursprünglich als Rathaus der aufstrebenden Handelsmetropole konzipiert. Doch die Republik war nur ein Zwischenspiel – davor und danach waren und sind die Niederlande monarchisch geprägt.

Um zunächst beim Davor zu bleiben – damals, als Holland noch bei Österreich war: Durch die Vermählung Maximilians I. von Österreich mit der Herzogin Marie von Burgund wurden die Niederlande 1477 -– frei nach dem Motto „Tu Felix Austria nube“ – dem Habsburgerreich eingegliedert. In dieser Zeit erlebte das Land eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Holland war auch noch Teil der Habsburgermonarchie, als Maximilians Enkel, Kaiser Karl V., erklärte, dass in seinem Reich „die Sonne nicht untergeht“. Da das Haus Habsburg aber die Reformation der mehrheitlich protestantischen Niederländer unterdrückte, begann 1572 unter Wilhelm von Oranien – einem Urahn der heutigen Königsfamilie – die Loslösung von den Habsburgern.

Napoleons Bruder

Es sollte noch mehr als 200 Jahre dauern, bis die Oranier den niederländischen Thron bestiegen. Nach Jahrzehnten als Republik wurde diese vorerst von Ludwig Napoleon – dem jüngeren Bruder Napoleon Bonapartes – abgelöst, der nach dem Einfall französischer Truppen König von Holland wurde. Ludwig Napoleon war es auch, der das Rathaus von Amsterdam im Jahre 1808 zum heutigen Königspalast umbaute, um dort standesgemäß Hof halten zu können.

Der erste Kuss

Nebst viel Marmor, Kronleuchtern, Empire-Möbeln und wertvollen Tapeten ließ er im ersten Stock der Residenz einen Balkon anbringen, um der Bevölkerung Gelegenheit zu geben, ihm zuzujubeln. Es ist derselbe Balkon, auf dem der künftige König Willem-Alexander und seine Braut Máxima vor elf Jahren ihren ersten öffentlichen Kuss tauschten.

Trotz des aufwendigen Umbaues hat Napoleons prunksüchtiger Bruder seine Residenz kaum je betreten, er bevorzugte andere Paläste und zog sich nach nur vier Jahren ganz aus den Niederlanden zurück. Einmal kam dann noch „der richtige“ Napoleon in den Amsterdamer Königspalast, um hier mit seiner österreichischen Frau Marie Louise einen pompösen Ball zu geben – ansonsten blieb die prachtvolle Residenz verwaist.

Napoleons Regentschaft führte jedenfalls dazu, dass die Niederlande wieder zur Staatsform der Monarchie zurückfanden, die sie bis heute geblieben sind. Und das mit deutlich überwiegender Zustimmung: Nur 13 Prozent der Holländer wünschen, dass das Königreich durch eine Republik ersetzt werden soll.

„Wiener Kongress“

Nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft und der Neuaufteilung Europas beim „Wiener Kongress“ im Jahre 1814 wurde beschlossen, dass mit Wilhelm I. der erste Angehörige des Hauses Oranien-Nassau König der Niederlande würde: Er war der Ur-Ur-Ur-Großvater der Noch-Königin Beatrix.

Wilhelm I. wurde in jener Residenz vereidigt, in der am Dienstag Beatrix die Abdankungsurkunde unterzeichnen wird. Wie dies schon ihre Mutter Juliana 1980 und ihre Großmutter Wilhelmina im Jahre 1948 getan hatten.

Keine Krönung

Vom Königspalast sind’s nur ein paar Schritte hinüber zur „Nieuwe Kerk“, der „Neuen Kirche“, einem mittelalterlichen, bis 1578 katholischen und heute protestantischen Gotteshaus. Seit der „Inhuldigung“ des Jahres 1814 leisten in dieser Kirche alle neuen Monarchen ihren Eid – eine Krönungszeremonie wie in Großbritannien gibt es in Holland nicht.

Schicksalsschlag

Hier in Amsterdam wird viel darüber spekuliert, ob der Rücktritt der 75-jährigen Königin Beatrix im Zusammenhang mit dem tragischen Unfall ihres Sohnes Friso steht, der im Februar 2012 am Arlberg von einer Lawine verschüttet wurde und seither im Koma liegt. Doch die meisten Niederländer meinen, dass die Monarchin auch ohne diesen Schicksalsschlag auf den Thron verzichtet hätte – weil schon ihre Mutter und ihre Großmutter einen solchen Schritt der Erneuerung gesetzt hatten.

TV-TIPP:

Thronwechsel: Als Holland noch bei Österreich war
Georg Markus, Holland
Georg Markus ist Dienstag von 9.05 bis 17 Uhr und ab 22.35 mit Karl Hohenlohe, Maya Hakvoort, Eduard Habsburg, Helene Karmasin u. a. Gast von Lisbeth Bischoff und Birgit Fender der Live-Übertragung „Willem-Alexander und Máxima – das neue Königspaar“ in ORF 2. Aus Holland berichtet Hape Kerkeling.

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