Thema Migration bestimmt den Wahlkampf und spaltet die Italiener
Luigi Ammatuna blickt von seinem Büro in der sizilianischen Hafenstadt Pozzallo auf das Meer. Als im Sommer 2015 täglich Schiffe mit Menschen aus Afrika von Libyen ankamen, saß der Bürgermeister auf der Hafenbank und wartete auf jedes Schiff persönlich. Noch heute empfängt das Ex-Stadtoberhaupt Neuankömmlinge.
Seit Innenminister Marco Minniti im Sommer 2017 ein umstrittenes Abkommen mit Libyen schloss, sind die Ankünfte aber stark zurückgegangen. 3.539 Menschen, davon 407 unbegleitete minderjährige Jugendliche, kamen seit Jahresbeginn aus Libyen an italienischen Küsten an. Das sind 56 Prozent weniger gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 und 41 Prozent weniger gegenüber 2016. Insgesamt flüchteten im Vorjahr 119.310 Menschen aus Libyen nach Italien. "Es sind Menschen, die hier eintreffen, darunter viele Frauen und Kinder. Wenn man einmal direkt in die Augen von ihnen geblickt hat, die nach tagelanger Überfahrt vollkommen erschöpft und verängstigt sind, ändert das alles", sagt der Sizilianer Ammatuna zum KURIER.
Österreich als Vorbild
Er habe den Chef der, rechtspopulistischen Lega-Nord, Matteo Salvini, mehrfach vergeblich nach Pozzallo eingeladen, um sich ein Bild der Lage zu machen. "Im Fall eines Wahlsieges will Salvini jeden Tag 100 Personen abschieben", zeigt sich Ammatuna über den möglichen bevorstehenden Rechtsruck in Italien besorgt. Salvinis politische Vorbilder sind Österreichs türkis-blaue Regierung und Ungarns Premier Orban.
Aufgeheizte Stimmung
Der 44-jähriger Mailänder tritt bei der Parlamentswahl am 4. März in einer Mitte-Rechts-Allianz mit Ex-Premier Silvio Berlusconi an. Laut Umfragen liegt das Bündnis vorne – die Lega läge mit 14 Prozent der Stimmen knapp hinter der Berlusconi-Partei.
Über die aufgeheizte Stimmung im Land ist auch der Vize-Bürgermeister Maurizio Zavaglia von Gioiosa Ionica besorgt. Auf der Bürgermeisterkonferenz Now, die Ende Jänner in Wien stattgefunden hat, erzählt er von seinen positiven Erfahrungen mit syrischen Flüchtlingsfamilien. Die Küstenstadt bei Reggio Calabria beherbergt mehrere syrischen Familien, die dank eines humanitären Korridors Italien erreichten.
"Das Problem ist, dass die (regierende, linke) Demokratische Partei schon längst rechte Positionen übernommen hat. Grillo (von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung) spricht auf seinem Blog von Roma und Sinti sowieso wie ein Nazi", kritisiert Zavaglia.
Rote Hochburgen
Viele Gemeinden in der Toskana und in der Emilia Romagna, in den sogenannten "roten Hochburgen", würden keine Flüchtlinge aufnehmen. Und das kalabrische Flüchtlingsdorf Riace, ein Vorzeigemodell, habe man versucht, mit bürokratischen Hürden zu zerstören. Schauspieler und Produzent Beppe Fiorello hat über das Dorf einen Film gedreht. Auf Druck der Lega hat der staatliche Sender RAI den Streifen vom Programm gestrichen.
"Der Film zeigt klar, dass die Zivilgesellschaft die wahre Politik des Landes macht. Es ist einfach, das Thema Migration zu instrumentalisieren. Ich bin gegen ein Einwanderungsmanagement das aus Mauern und Absperrungen besteht. Migration ist kein Notfall, wenn es gut verwaltet wird. Natürlich, wenn wir Leute in Turnhallen einsperren, ohne Beschäftigung, dann kann es zu Gewalt kommen", so Produzent Fiorello.
"Flüchtlingskrise"
"Es gibt einen Weg, um auf menschliche Weise mit der Flüchtlingskrise umzugehen", betont Premier Gentiloni. Seine Regierung hat gemeinsam mit katholischen und evangelischen Kirchenverbänden humanitäre Korridore errichtet. Auf sicherem und legalem Weg sind seit 2016 insgesamt 1030 Flüchtlinge, vornehmlich aus Syrien, nach Italien gekommen. 2018 werden weitere 500 Personen aus dem Libanon (syrische Flüchtlinge), aus Marokko (Sub-Sahara-Flüchtlinge) und aus Äthiopien (für Eritreer, Somalier und Sudanesen) eintreffen.
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