"Onkeltrick“ auf kambodschanisch: Thailand in politischer Krise

Sie galten vor vier Jahren noch als zwei der freundlichsten Länder der Welt – zumindest laut dem Reisebuchverlag „Rough Guides“: Kambodscha (1.) und Thailand (5.) pflegten gute Kontakte, kämpften sich gemeinsam durch die Pandemie und die sinkenden Tourismuszahlen.
Für die guten Kontakte sorgte unter anderem das starke Band zwischen Thaksin Shinawatra, dem ehemaligen Premier Thailands, und Hun Sen, ehemaliger Premier Kambodschas. Und Hun Sens Sohn, Hun Manet, ist heute Premierminister von Kambodscha, während Shinawatras 38 Jahre alte Tochter Paetongtarn Shinawatra 2023 das Amt der thailändischen Premierministerin antrat. Ihr sollte ihr Vertrauen in diese Verbindung zum Verhängnis werden.
Langer Konflikt
Denn Ende Mai brach der langjährige Konflikt an der 817 Kilometer langen Grenze wieder auf. Ein Grund für die Streitigkeiten: der Preah-Vihear-Tempel. Nachdem Kambodscha 1953 von der französischen Kolonialmacht unabhängig geworden war, besetzten thailändische Truppen die Anlage. Im Jahr 1962 entschied der Internationale Gerichtshof in Den Haag, dass der Preah-Vihear-Tempel zu Kambodscha gehört. Die Streitigkeiten blieben bestehen, immer wieder entlud sich der Konflikt brutal.
Nach einigen Jahren der Ruhe flammte der Streit Anfang des Jahres abermals auf: Thailändische Soldaten verboten kambodschanischen Touristen, ihre Nationalhymne bei einem anderen Tempel an der Grenze zu singen.
Gleichzeitig sollen kambodschanische Truppen neue Stellungssysteme errichtet haben. Ende Mai eskalierte die Situation: In einem zehnminütigen Feuergefecht starb ein kambodschanischer Soldat, die Stimmung verschlechterte sich daraufhin rapide. Grenzübergänge wurden geschlossen, Embargos verhängt.
"Onkeltrick"
Premierministerin Paetongtarn Shinawatra handelte. Sie rief den guten Freund ihres Vaters, Hun Sen, an. „Ich habe lediglich versucht, Zusammenstöße und weitere Opfer zu verhindern. Ich betone, dass ich keine bösen Absichten hatte“, beteuerte sie später. Zu spät. Denn Hun Sen zeichnete das Telefonat eiskalt auf, veröffentlichte Mitschnitte. Und dessen Inhalt war Gift für die thailändische Seele – vor allem für das mächtige Militär, das bis 2023 als Junta geherrscht hatte.
Die nunmehrige Ex-Premierministerin Thailands bezeichnete Hun Sen als „Onkel“, einen hochrangigen thailändischen Armeekommandanten jedoch als „Feind“. Für die Thailänder nicht nur eine Peinlichkeit, sondern Landesverrat.
Furcht vor Putsch
Die Empörung war groß, Thailands Verfassungsgericht suspendierte die Ministerpräsidentin am Dienstag. Die Suspendierung soll so lange gelten, bis das Gericht zu einer endgültigen Einschätzung kommt, ob Paetongtarn Shinawatra sich verfassungswidrig verhalten hat, berichtete die Zeitung Bangkok Post.
Paetongtarn Shinawatras Schwierigkeiten sind auch ein Beleg für die schwindende Stärke der populistischen Pheu-Thai-Partei der Milliardärsdynastie Shinawatra, die seit dem Jahr 2001 die thailändischen Wahlen dominiert. Die Partei überstand Militärputsche und Gerichtsurteile, die mehrere Regierungen und Ministerpräsidenten zu Fall brachten.
Es gilt nicht als ausgeschlossen, dass das Militär abermals versucht, zu putschen. Und das in einer Zeit, in der die thailändische Wirtschaft stark schwächelt.
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