Terrorgefahr für Zivilflugzeuge

Boden-Luft-Raketen aus Libyen sind in Ägypten aufgetaucht - westliche Sicherheitsexperten schlagen Alarm.

Es ist ein prophezeites Problem, das jetzt aber ganz konkrete Formen annimmt: Die Masse der Waffen, die in Libyen unter die Leute gekommen ist. Und die Rede ist hier nicht von Faustfeuerwaffen oder Sturmgewehren, sondern von schwerem Kriegsgerät, das lange Zeit völlig unkontrolliert seine Wege aus den Arsenalen Gaddafis in die Bevölkerung fand.

Darunter befinden sich etwa Waffen, die dazu geeignet sind, Flugzeuge in großer Höhe abzuschießen. Gerät, das Muammar al Gaddafi in großen Mengen eingelagert hatte für den Fall des Falles - das im jetzigen Fall aber vor allem seine Wege weiter aus der Normalbevölkerung auf die Schwarzmärkte der Region findet.

Große Reichweite

Konkret geht es um russische Boden-Luft-Raketen vom Typ Strela-2, die die größten Sorgen bereiten. Es sind Geschoße, die mit einer geeigneten Vorrichtung relativ einfach von der Schulter aus abgefeuert werden können, die eine Reichweite von knapp sechs Kilometern haben und die mit einem Lenksystem ausgestattet sind, das sie in Wärmequellen leitet. Etwa in Flugzeugtriebwerke. Im libyschen Bürgerkrieg waren sie vor allem gegen Ziele am Boden eingesetzt worden - einfach, weil sie massenhaft vorhanden waren.

Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) hat jetzt Hinweise, dass genau solche Raketen auf den Schwarzmärkten Ägyptens aufgetaucht sind. Ein Umstand, vor dem die CIA bereits gegen Ende des Bürgerkrieges gewarnt hatte. Laut einem Bericht des BKA könnten Hunderte Strela-2 in Umlauf geraten sein. Ein Umstand, der Sicherheitsbehörden weltweit Kopfzerbrechen bereitet.

Denn in den falschen Händen sind diese relativ einfach zu handhabenden Geschoße mit ihrer großen Reichweite eine Waffe, gegen die klassische Schutzmaßnahmen kaum etwas ausrichten können. Eine Strela-Rakete könnte etwa in der Einflugschneise eines Flughafens aus bewohntem Gebiet oder aus einem Wald heraus auf Flugzeuge im Landeanflug abgefeuert werden. Mit der großen Reichweite ergebe sich da etwa im Fall von Wien ein zu überwachendes Gebiet, das vom Tullnerfeld über den gesamten Wienerwald bis zum Leitha-Gebirge reicht - das gesamte Stadtgebiet inklusive. Die deutsche Polizeigewerkschaft fordert bereits verstärkte Kontrollen der Umfelder von Flughäfen. Aber auch ICE-Schnellzüge zählen laut der Gewerkschaft zu den potenziellen Zielen für Anschläge.

NATO macht Druck

"Es muss sichergestellt werden, dass im Land verstreute Waffen nicht in falsche Hände geraten", so der deutsche Außenminister Guido Westerwelle in Richtung Libyen. Auch der Generalsekretär der NATO, Anders Fogh Rasmussen, hat Libyens Übergangsregierung aufgefordert, die kursierenden Waffen im Land einzusammeln und unter Kontrolle zu bringen. Er verwies zudem auf das nach wie vor gegen Libyen geltende Waffenembargo der UNO. Der Nationale Übergangsrat müsse "eine verantwortliche Rolle in der Welt spielen", sagte Rasmussen, der vor allem davor warnte, dass Waffen aus libyschen Beständen in den Gazastreifen gelangen könnten.

Weniger die Angst vor gezielten Kommandoaktionen als die vor aufgerüsteten Extremisten plagt dagegen Algerien: Das dortige Regime - das inmitten der derzeitigen Umbrüche freilich durch Kommunikationspolitik eigene Interessen verfolgt - hatte gewarnt, dass die "Al Kaida im Islamischen Maghreb" massiv in den Besitz libyscher Rüstungsgüter gelangt sei und so zur "stärksten Armee der Region" werden könnte.

Arsenal: Der Giftschrank Gaddafis

Konventionelle Waffen Aus Angst vor einer Invasion hatte Gaddafi seit jeher große Mengen konventionelle Munition, aber auch Luftabwehrraketen eingelagert. Mit dem Kollaps der Armee gingen diese Bestände an die Rebellen, die sie wegen ihres niedrigen Organisationsgrades jedoch kaum sicherten.

C-Waffen 2003 hatte Gaddafi die Vernichtung aller chemischen Kampfstoffe zugesichert, um der internationalen Isolation zu entgehen. Laut Übergangsrat wurden jetzt an zwei Orten chemische Kampfstoffe gefunden. Unter anderem Senfgas. Der Übergangsrat hat internationale Experten um die Entsorgung gebeten

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