Terrorexperte: IS versucht Frauen zu rekrutieren

Terror-Experte Peter Neumann fordert Fokus auf Frauen und Flüchtlinge bei Anti-Terrormaßnahmen.

Die Extremistenmiliz IS versucht nun verstärkt, Frauen als Kämpferinnen zu rekrutieren. Seit zwei, drei Monaten würden entsprechende Botschaften des IS verstärkt registriert, sagte der Terror-Experte Peter Neumann im Gespräch mit der APA. Eine Fatwa sei ausgegeben worden, die besage, "Frauen dürfen jetzt auch am Terrorismus teilnehmen und sie sollen das auch".

Dass diese Aufrufe Wirkung zeigten, sei noch nicht registriert worden. Frauen seien bisher auch weniger als jihadistische Attentäterinnen oder Kämpferinnen aufgefallen. Allerdings gebe es durchaus Frauen, die sich nach Ausrufung des sogenannten Kalifats 2014 radikalisiert hätten und nach Syrien gegangen seien, erinnerte Neumann.

Frauen seien andererseits aber auch hilfreich, was den Kampf gegen Terrorismus betrifft. Frauen, insbesonders Mütter würden oft erste Anzeichen für die Radikalisierung von Angehörigen bemerken, begründete der Sonderbeauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), warum jetzt Frauen verstärkt im Fokus bei Anti-Terrormaßnahmen stehen.

Präventionsarbeit unter Flüchtlingen

Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Zusammenhang seien Flüchtlinge. "Es gibt keine empirisch bewiesene Korrelation von Flüchtlingen und Terrorismus." Aber man wisse aus Ländern, die Flüchtlinge aufgenommen haben wie Österreich und Deutschland, dass es "auch Fälle gab, wo sich Flüchtlinge radikalisiert haben". Das müsse man "ganz realistisch angehen", obwohl es "ein sensitiver Bereich" sei.

Deswegen bedürfe es bei der "neuen Population" Präventionsarbeit. Dabei gehe es darum, Flüchtlinge zu erreichen und für das Thema Aufmerksamkeit zu erlangen. Menschen, die in Flüchtlingsheimen arbeiten, sollten trainiert werden, Anzeichen von Radikalisierung zu erkennen. Integrationsprogramme müssten entsprechend adaptiert werden, forderte Neumann: Nicht weil, Flüchtlinge generell unter Terrorverdacht stünden, aber weil sie eine Bevölkerungsgruppe seien, "die in manchen Bereichen ansprechbar sind".

Brennpunkt Gefängnis

Ein weiterer "größerer Brennpunkt" seien Gefängnisse. Die Strafen von zwei, drei Jahren seien allerdings "sehr kurz". Jedes Land sollte nach Ansicht von Neumann deswegen einen Plan erstellen, wie die Jihadisten in den Gefängnissen deradikalisiert werden können. Außerdem müsse verhindert werden, dass sich andere in Haft radikalisieren. Nur etwa ein Drittel der europäischen IS-Kämpfer sei bisher in ihre Heimatländer zurückgekehrt, viele noch in der Region.

Gegen Terror-Netzwerke könnten nur "Netzwerke" ankämpfen, sagte Neumann. Ein solches könnte seiner Meinung nach die OSZE sein, die eine stärkere Koordinationsrolle im Bereich Terrorbekämpfung übernehmen könnte. In manchen Ländern, wie dem Kosovo, gebe es viele unkoordinierte Anti-Terror-Aktivitäten von unterschiedlichen Akteuren wie der UNO, EU, USA und anderen Organisationen. In Mazedonien dagegen sei bisher kaum etwas in diesem Bereich passiert: erst die neue Regierung mit albanischer Beteiligung sei bereit, das Thema anzuerkennen.

OSZE als Drehscheibe im Antiterror-Kampf

Die OSZE könne eine "Drehscheibe" aus Erfahrungen mit Antiterror-Maßnahmen werden, betonte Neumann. Außerdem plädierte er dafür, die Feldmissionen der OSZE auch um den Aspekt der Prävention zu erweitern.

Neumann hatte als OSZE-Sonderbeauftragter die gesammelten Erkenntnisse über eine wirksame Bekämpfung von Radikalisierung in einem Bericht zusammengefasst. Neumann sieht für seine Vorschläge "politische Akzeptanz" unter den OSZE-Mitgliedsstaaten. "Die zweite Sache ist, dass man dann auch Geld findet, damit diese Vorschläge umgesetzt werden können." Er lobte in diesem Zusammenhang Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der bereit sei, Mittel bereitzustellen. Österreich hat entschieden, der Anti-Terror-Abteilung des OSZE-Sekretariats 250.000 Euro zukommen lassen, um ein "Handbuch zur Prävention" herauszugeben und die Staaten mit Expertise zu unterstützen.

Kurz hatte als OSZE-Vorsitzender den Professor vom Londoner King's College zum Sondergesandten gemacht. Mit dem Ende des österreichischen OSZE-Ratsvorsitzes zu Jahresende endet auch Neumanns Funktion.

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