Tausende Kriegsopfer ohne Heizung

Gefechte um Awdiiwka – von einem Waffenstillstand ist nichts mehr zu bemerken.
Kämpfe im Osten / Schäden an Infrastruktur bei minus 20 Grad / OSZE unter Österreichs Vorsitz alarmiert.

Da hat anscheinend auch die OSZE-Beobachtermission SMM, die es sich sonst so penibel aufs Zählen versteht, aufgegeben: Von "unzähligen Explosionen" ist im jüngsten Bericht der Beobachtermission für die Ostukraine mehrmals die Rede. Gemeint sind die seit mehreren Tagen anhaltenden Kämpfe nahe der Millionenstadt Donezk, die von pro-russischen Milizen kontrolliert wird. Gerade einmal fünf Kilometer von Donezk entfernt liegt die Stadt Awdiiwka unter Kontrolle der ukrainischen Armee. Die Stadt ist derzeit Hotspot der entlang der gesamten Frontlinie anschwellenden Kämpfe, die laut SMM auch mit schwerer Artillerie, Raketenwerfern und Mörsern ausgetragen werden – allesamt Geräte, die laut Minsk-Abkommen an sich außer Reichweite der Front sein müssten.

Tausende Kriegsopfer ohne Heizung
Zwischenzeitlich sollen bis zu 400.000 Menschen auf beiden Seiten der Front ohne Strom- und Wasserversorgung gewesen sein. Und das bei Temperaturen um die minus 20 Grad. In Awdiiwka aber droht dieser Zustand zu einem Dauerszenario zu werden: Wasser- und Stromversorgung sind zusammengebrochen, ebenso die Fernheizungssysteme. Ein zwischen pro-russischen Milizen und Kiew vereinbarter Waffenstillstand, um die Schäden an der Infrastruktur notdürftig zu reparieren, kam am Dienstag nicht zustande. Am Dienstag ordnete die Regierung in Kiew daher die Evakuierung der 12.000 bis 16.000 verbliebenen Bewohner der Stadt an.

Es mangelt aber an Kapazitäten in der Region. Zunächst sollten daher einmal 8000 besonders prekäre Fälle aus der Stadt gebracht werden. Zugleich wurden Nahrungsmittel und Suppenküchen nach Awdiiwka gebracht, um die verbliebenen Menschen einigermaßen versorgen zu können.

Schuldzuweisungen

Pro-russische Milizen und Kiew schieben einander gegenseitig die Schuld an der Eskalation zu. Wortführer der pro-russischen Einheiten in Donezk warfen der ukrainischen Armee vor, Wohngebiete beschossen zu haben. Vor allem habe Kiew eine Wasser-Pumpstation für Donezk ins Visier genommen.

Kiew wiederum sagt, pro-russische Verbände hätten einen Frontalangriff auf Awdiiwka unternommen, der aber zurückgeschlagen worden sei. Klar ist, Frontveränderungen sind nach jahrelangem Stellungskrieg ein Kraftakt. Beide Seiten haben sich massiv eingegraben.

Wegen der Eskalation im Osten der Ukraine verkürzte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinen Besuch in Deutschland. In Kiew wurde indes der Nationale Sicherheitsrat zusammengerufen. Das ukrainische Außenministerium warf den "russischen Besatzungstruppen" zugleich "Beschuss der gesamten Kontaktlinie" vor. Moskau wiederum – das jede Unterstützung der Milizen im Donbass zurückweist – rief Kiew dazu auf, sich an die Minsker Vereinbarung zu halten und forderte mehr Druck seitens Berlins und Paris’ auf die Führung in Kiew.

Der österreichische OSZE-Vorsitz wandte sich mit der Aufforderung an die Öffentlichkeit, "alle feindlichen Aktivitäten einzustellen" und forderte freien Zugang für die Mission zu allen Frontabschnitten. Die EU sprach von einer eklatanten Verletzung der Waffenruhe.

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