Syriens Opposition sucht Führungsfigur

Syriens Opposition sucht Führungsfigur
Die Regimegegner sind zerstritten, verzeichnen aber immer mehr Zulauf. Noch ist offen, wer Assad folgen könnte.

In der Metropole Aleppo waren die syrischen Aufständischen zuletzt in der Defensive; auch in Damaskus mussten sie Niederlagen einstecken. Präsident Bashar al-Assad ließ Tausende Soldaten aufmarschieren und schickte Panzer, um die Städte zurückzuerobern. Der gestrige Appell von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, die Weltgemeinschaft solle dem Blutvergießen nicht länger zusehen, verhallte einmal mehr. Doch auch wenn die Rebellen phasenweise niedergerungen werden, ist die langfristige Perspektive klar: Ein Syrien mit Assad wird es nicht mehr geben.

Der erste Botschafter, der das erkannte, war bereits vor zwei Wochen Nawaf Fares. Am Donnerstag wechselten auch Syriens Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Abdel Latif al-Dabbagh, und dessen Ehefrau, Lamia Hariri, Geschäftsträgerin in Zypern, die Seiten. H­ariris Flucht nach Katar ist besonders brisant: Sie ist die Nichte des syrischen Vizepräsidenten Farouk al-Sharaa. Auch einige Verwandte Assads sollen sich nach Fluchtmöglichkeiten umsehen.

Akteure

Syriens Opposition sucht Führungsfigur

Die Frage, die sich stellt, ist: Was kommt nach Assad? Viele Akteure wollen in der Zukunft Syriens eine tragende Rolle spielen:
Das Nationale Koordinationskomitee für demokratischen Wandel (NCC) mit Sitz in Damaskus tritt für einen Dialog mit dem Regime ein;
die Front der Syrischen Revolutionäre ist islamistisch geprägt und will einen religiösen Staat;
kleine lokale Koordinierungskomitees bestehen daneben und agieren weitgehend autonom;
die Freie Syrische Armee (FSA), die in den Städten den bewaffneten Kampf gegen die Assad-Soldaten ausficht;
der Syrische Nationalrat (SNC) ist das größte Bündnis. Ob die Dachorganisation eine Führungsfigur hervorbringen kann, ist umstritten. Konflikte hat der in Istanbul ansässige SNC schon genug: Für Streit sorgt die dezentrale Verwaltung, eine ausländische Militär­intervention und die Frage, ob Syrien auch in Zukunft säkular sein wird. Dem SNC ist es bisher nicht gelungen, die vielen Stimmen zu vereinen. Araber, Christen, Dissidenten stehen Muslimbrüdern gegenüber, die von S­audi-Arabien und Katar R­ückendeckung erhalten.
Eine Gruppe stellen auch die Kurden, die eine Art Autonomie anstreben. Das will die Türkei verhindern: Am Donnerstag drohte Premier Recep Tayyip Erdogan gar einen Militärschlag gegen kurdische Rebellen in Syrien an.

Einer, der abseits der Bündnisse eine Rolle an der Spitze spielen will, ist der desertierte Militär Manaf Tlass. Der Ex-Kommandant der 105. Brigade der Republikanischen Garde meldete sich beim Sender Al-Arabiya zu Wort: „Bitte erlauben Sie mir, Syrien in der Post-Assad-Ära zu dienen.“

Tlass, der sich gerne als Dandy mit Zigarre inszeniert, findet international Anklang. Er könnte einen Militärrat nach ägyptischem Vorbild anführen. Doch er ist belastet: Sein Vater war Verteidigungsminister unter Assads Vater Hafez; er selbst Jugendfreund des verhassten Präsidenten. Und Tlass zögerte lange, sich auf die Seite der Opposition zu stellen. Erst als er keine andere Möglichkeit mehr sah, desertierte er. Falls sich Tlass eine Führungsrolle sichern kann, würde das in den Reihen der Aufständischen wohl für weitere Konflikte sorgen.

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