Syrien: Waffenstillstand mit vielen Fragezeichen
München und Aleppo trennen 2473 Kilometer Luftlinie. Unter Umständen sind es aber auch Welten. Und möglicherweise ist es genau die Distanz, die zuweilen Theorie von Praxis trennt. Zumindest beinhaltet die Einigung von München in der Nacht auf Freitag ein Wort, das bisher nur als weites Ziel am Horizont Utopie geblieben war: "Feuerpause". Es mag die Müdigkeit nach zähen Verhandlungen gewesen sein, aber US-Außenminister John Kerry und Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow wirkten wenig euphorisch bei ihrer nächtlichen Pressekonferenz, als sie die Syrien-Einigung verkündeten.
Verhalten optimistisch
Keine Reaktion gab es seitens der syrischen Regierung. Das Hohe Verhandlungskomitee der Opposition (HNC), die Vertretung der bewaffneten Regime-Gegner bei den Genf-Gesprächen, äußerte sich vorsichtig optimistisch. Vor einem Durchbruch sprach aber niemand – weder Lawrow, Kerry noch die Opposition. Auch wenn Kerry betonte: "Ich glaube, wir haben Fortschritte gemacht." Lawrow dazu: "Das Wichtigste ist, dass Regierung und Opposition der Waffenruhe zustimmen."
Laut Berichten aus dem Kampfgebiet gingen die Luftangriffe aber unvermindert weiter. Das meldete zumindest die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Syriens Luftwaffe warf nördlich von Aleppo zudem Flugblätter ab, in denen Zivilisten wegen bevorstehender Offensiven zur Flucht aufgerufen werden.
So schön das Wort "Waffenruhe" also auch klingen mag: An den Differenzen zwischen Russland und den USA hat sich nichts geändert. Ob Präsident Assad künftig eine Rolle spielen soll, ist ebenso ungelöst wie die Frage: Wer ist Terrorist?
Lawrow wies denn auch vor allem auf einen Punkt hin: Der "Islamische Staat" (IS) und der syrische El-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front sind von der Feuerpause explizit ausgenommen. Al Nusra ist aber im Gebiet um Aleppo, das jetzt so umkämpft ist, die militärisch dominierende Kraft – in Allianz mit vielen Gruppen. Macht das diese Gruppen jetzt zu Al-Nusra-Ablegern? Können sie also laut Vereinbarung bombardiert werden? Die im HNC vertretenen Gruppen haben jedenfalls militärisch wenig zu melden, was bei Umsetzung der Feuerpause auf Rebellenseite Probleme machen könnte.
Viele offene Fragen
Unter diesen Vorzeichen ist die Einigung bestenfalls ein "Hoffnungsschimmer", wie es ein Vertreter der zivilen syrischen Opposition ausdrückt. Er versieht dieses Wort mit den Zusätzen: "immerhin" und "besser als gar nichts". Und er verweist auf den Umstand, dass es unzählige offene Themen zwischen Regierung und Opposition gebe, die noch gar nicht angesprochen worden seien – etwa den Umstand, dass Tausende in Folterhaft des syrischen Regimes säßen. Und er sagt: "Auch wenn die Übereinkunft greift, wird es noch Jahre dauern, bis Frieden herrscht."
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