Planspiel der Unmöglichkeiten
Die Planspiele klingen kühn, doch schon der Wortlaut lässt vermuten, dass es bei ebensolchen bleiben wird. In einem Brief an den Streitkräfteausschuss des US-Kongresses hat Generalstabschef Martin Dempsey die militärischen Optionen der USA in Sachen Syrien dargelegt. Es ist die erste öffentlich gewordene konkrete Auflistung von Optionen inklusive Kostenplan.
Die Optionen reichen laut Dempsey von Training für syrische Rebellen über gezielte Bombardements zur Errichtung einer Flugverbotszone oder partieller Flugverbotszonen bis hin zu einem Bodeneinsatz zur Sicherung der Chemiewaffenarsenale. Dempsy führt auch aus, dass jeder Gewalteinsatz nicht weniger sei, als ein „kriegerischer Akt“; dass ein Militärschlag Milliarden Dollar kosten würden; und dass ein solcher letztlich auf die USA zurückfallen könnte: „Wenn wir Aktionen setzen, sollten wir auch auf das vorbereitet sein, was als nächstes kommt.“ Er spricht von einem hohen Risiko, dass die USA in einen größeren Konflikt gezogen würden.
Zerfall
Dempsey bedient sich in dem Brief einer interessanten Wortwahl. Er schreibt: Während sich die Lage auf dem Schlachtfeld verändere – er spricht den Vormarsch der Armee Assads an –, werde Bashar al-Assad „unserer Ansicht nach nie mehr über ganz Syrien herrschen.“ Die US-Führung scheint also davon auszugehen, dass Assad so schnell nicht gestürzt werden wird, aber auch davon, dass Syrien zerfällt.
Dempsey betont, dass die US-Armee bereit sei, all die dargebotenen Optionen umzusetzen, dass es aber der zivilen Führung – also Obama – obliege zu entscheiden, welcher Weg genommen werde.
Die derzeitige Handhabe der USA mit dem Konflikt in Syrien sieht vor, dass man gemäßigte Rebellengruppen, die unter dem Schirm der Freien Syrischen Armee (FSA) agieren, mit Waffen versorgen möchte. Die FSA aber, so Kritiker, hat kaum die Strukturen, zu kontrollieren, in wessen Hände die Waffen geraten. Zudem tun sich gerade derzeit tiefe Gräben zwischen unterschiedlichen Fraktionen auf. Seit einiger Zeit kommt es immer wieder zu schweren Kämpfen zwischen der FSA und islamistischen Brigaden. Und zuletzt eskalierten besonders die Gefechte zwischen kurdischen Einheiten und Islamisten. Erstere hatten sich vor allem formiert, um kurdische Gebiete vor einem Überschwappen des Krieges zu schütze. Aber gerade der syrische Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK scheint jetzt auf die Ausrufung eines autonomen Gebiets hinzuarbeiten – was ihn in Konflikt mit der PKK-Führung bringt. Denn die hatte eben mit der Türkei unter der Bedingung Gespräche begonnen, dass in Syrien genau das nicht passiert.
Guido Steinberg ist Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Mit dem KURIER sprach er über...
... US-Planspiele einer Intervention in Syrien: Die Liste an Vorschlägen spiegelt die Finanzprobleme der USA wider und zielt darauf ab, die aktuelle Linie, mit wenig Aufwand und Kosten Assistenz zu leisten, zu untermauern. Wenn da monatliche Milliardenkosten genannt werden, ist wohl das Ziel, die Befürworter einer größeren Intervention unter Druck zu setzen.
... einen Zerfall Syriens: Es ist etwas früh, einen solchen zu prophezeien. Derzeit geht es aber schon in diese Richtung. Und ich sehe nicht, dass die Lieferung von Kleinwaffen, wie sie die USA angekündigt haben, daran etwas ändern wird. Es ist eher der Versuch, ein Spieler in diesem Konflikt zu bleiben – während Katar und Saudi-Arabien ja bereits Waffen liefern. Letztlich sehe ich eine drohende Zwei- oder Dreiteilung Syriens: In ein kurdisches Gebiet, einen Kernstaat unter Assad und Rebellengebiete, in denen sunnitische Gruppen die Oberhand haben. Ich würde aber nicht ausschließen, dass sich die Kräfteverhältnisse in einigen Jahren ändern. Wir wissen nicht, wie eine neue US-Administration vorgehen wird. Oder ob Konflikte innerhalb der Rebellen sich ausweiten und zum Kollaps der Rebellion führen. Klar ist: Eine Rückkehr zum Vorkriegszustand ist unmöglich.
... die Entscheidung der EU, die Hisbollah auf die Liste terroristischer Organisationen zu setzen: Nach sachlichen Kriterien hätte die Hisbollah längst auf dieser Liste stehen müssen. Aber wenn man sich auch die innere, politische Logik ansieht, macht die Entscheidung keinen Sinn. Die Hisbollah, Assad oder der Iran werden nicht verschwinden. Wieso beraubt sich die EU also eines diplomatischen Werkzeuges? Früher oder später wird man mit der Hisbollah reden müssen.
... Auswirkungen dieser Entscheidung auf den Libanon: Dieses Land ist sehr gefährdet. Der syrische Bürgerkrieg ist seit zwei Jahren kurz davor, überzuschwappen. Ich sehe aber jetzt kurzfristig die Chance, dass sich die Lage beruhigt – jetzt wo faktisch klar ist, dass Assad bleiben wird. Längerfristig jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass der Libanon so ruhig bleibt – einfach, weil der Syrien-Konflikt noch sehr lange dauern wird.
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