Syrien: Neues Massaker entsetzt UNO

Syrien: Neues Massaker entsetzt UNO
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon bezeichnete das jüngste Massaker als "schockierend und widerwärtig" und sprach dem Regime die Legitimität ab.

Sie wurden mit Knüppeln erschlagen und mit Messern massakriert: Eineinhalb Wochen nach dem Massaker von Al-Hula sind nach Angaben von Aktivisten in Al-Kobeir in der syrischen Provinz Hama erneut 80 Menschen auf teils bestialische Weise umgebracht worden. Bei dem Blutbad seien am Mittwoch in der kleinen Siedlung 22 Kinder, 20 Frauen und 38 Männer getötet worden. International stieß das Massaker auf scharfe Kritik.

"Tausende Syrer wurden getötet und ganze Familien ausgelöscht. Männer, Frauen und selbst Kinder wurden hingerichtet. Jedes Regime, das solche Taten zulässt, hat keine Legitimität mehr", sagte Ban am Donnerstag auf einer Sondersitzung der UN-Vollversammlung in New York. "Wir sind schockiert von einem neuen Massaker in einem Dorf, das von Streitkräften des Regimes umzingelt war. Wir verurteilen diese unaussprechliche Barbarei und fordern eine Bestrafung der Schuldigen." Ban sagte zu dem Massaker an den Zivilisten: "Sie wurden erschossen, einige offensichtlich verbrannt oder mit Messern aufgeschlitzt."

Grauenhafte Szenen

Syrien: Neues Massaker entsetzt UNO

Nach Angaben von Aktivisten umstellte die Armee die nur aus 25 Häusern bestehende Siedlung Al-Kobeir erst mit Panzern und beschoss sie eine Stunde lang. Anschließend habe man Milizionäre aus dem Nachbardorf Al-Asile in die Siedlung geschickt, um die Überlebenden mit Messern zu massakrieren. Ein Augenzeuge sagte der dpa, viele der Opfer seien mit Knüppeln erschlagen worden. Filmmaterial auf oppositionellen Webseiten zeigt Körper von Kindern, die bis zu Unkenntlichkeit verbrannt sind. In anderen Berichten hieß es, 30 der Männerleichen seien von Milizionären abtransportiert worden. Ein Bauer aus dem Dorf beschrieb der Nachrichtenagentur Reuters per Telefon ein ohrenbetäubendes Artilleriefeuer. "Von den Gebäuden stieg Rauch auf und es gab den furchtbaren Geruch von verbranntem Menschenfleisch", sagte der Mann, der um Anonymität bat. Er habe sich vor den syrischen Truppen und der Shabbiha-Miliz hinter Olivenbäumen versteckt.

Die Syrische Beobachterstelle mit Sitz in Großbritannien beschuldigte ebenfalls explizit die gefürchtete Miliz, die auch an dem Massaker in Hula maßgeblich beteiligt gewesen sein soll. Die Gruppe setzt sich vornehmlich aus Mitgliedern der Alawiten zusammen, die in Syrien die Minderheit bilden und denen auch Assad angehört. Dagegen zitierte die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA einen namentlich nicht genannten Behörden-Vertreter aus Hama, der die Berichte über das Massaker als "komplett falsch" bezeichnete. Sicherheitskräfte hätten auf Bitten von Bewohnern eingegriffen, nachdem eine "terroristische Gruppe" ein "ungeheueres Verbrechen" begangen habe.

UNO-Beobachter beschossen

Ban warf Assad vor, den international vereinbarten Friedensplan nicht zu respektieren. Er berichtete, UNO-Beobachter seien vom Militär auf dem Weg nach Al-Kobeir gestoppt und von Unbekannten aus Handfeuerwaffen beschossen. Durch Glück sei niemand verletzt worden, hieß es von der UNO. Zudem sei UN-Diplomaten die Einreise verweigert worden, sagte Ban. "Das ist nicht akzeptabel!" Auch Sondervermittler Kofi Annan zeigte sich über das Massaker entsetzt und räumte ein, dass sein Friedensplan für Syrien auch nach knapp drei Monaten nicht greift. "Ich muss es so frei und deutlich sagen: Der Sechs-Punkte-Plan wurde nicht umgesetzt", sagte er bei der Sondersitzung in New York. "Die Krise hat sich verschärft, die Gewalt nimmt zu und das Land ist zerrissener denn je."

Auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, sprach Assad jede Legitimation ab: "Das syrische Regime hat nicht mehr das Recht, das syrische Volk zu führen." Die syrischen Regimegegner forderten nach dem Massaker von Al-Kobeir die Vereinten Nationen auf, militärisch einzugreifen.

Wie Bosnien in den 1990er Jahren

US-Außenministerin Hillary Clinton rief Russland dazu auf, einen Plan für eine geordnete Übergabe der Macht in dem arabischen Land zu unterstützen. Auch aus Großbritannien wurde rasches Handeln gefordert. "Der Sechs-Punkte-Plan von Kofi Annan ist bisher sicherlich gescheitert", stellte der britische Außenminister William Hague fest. Er verglich mit der Situation in Bosnien in den 1990er Jahren. "Die Lage wird schnell schlechter."

Die Regierung in Moskau hat im Sicherheitsrat bisher ihre schützende Hand über den arabischen Verbündeten gehalten. Am Donnerstag signalisierte Russland eine Zustimmung zu einer Lösung der Krise nach dem Vorbild der Machtübergabe im Jemen. Allerdings müssten das die Syrer selbst wollen, sagte Vize-Außenminister Michail Bogdanow der Nachrichtenagentur Interfax

Offiziell gab es keine Bewegung in den Positionen von Russland und China. Die UNO-Vetomächte sowie vier zentralasiatischen Partnerländer erklärten zum Ende des Gipfels der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) am Donnerstag in Peking, sie lehnten "eine bewaffnete Intervention oder einen erzwungenen Regimewechsel" ab. Außerdem seien sie gegen "einseitige Sanktionen", die nur gegen das Assad-Regime gerichtet seien.

Das Kapitel 7 der UN-Charta

Sind Weltfrieden und internationale Sicherheit bedroht, greift Kapitel 7 der 1945 unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen. Es beschreibt, wie die UN vorgehen könnten, um zum Beispiel Syriens Präsidenten Bashar al-Assad zur Einhaltung des Friedensplans zu zwingen und die syrische Bevölkerung zu schützen.

Danach muss zunächst der Sicherheitsrat feststellen, "ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt" (Artikel 39). Um einer Verschärfung der Lage vorzubeugen, kann das Gremium die Konfliktparteien auffordern, den "für notwendig oder erwünscht erachteten vorläufigen Maßnahmen Folge zu leisten" (Artikel 40). Artikel 41 regelt, welche Maßnahmen jenseits militärischer Gewalt ergriffen werden könnten - wie wirtschaftliche Sanktionen oder der Abbruch der diplomatischen Beziehungen.

Reichen die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen nicht aus, oder haben sie sich als unwirksam erwiesen, kann der Sicherheitsrat laut Artikel 42 zu militärischen Mitteln greifen.

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