Blutigste Nacht seit Assad-Sturz: Versinkt Syrien wieder im Chaos?

Blutigste Nacht seit Assad-Sturz: Versinkt Syrien wieder im Chaos?
Selbst wenn die Aufstände in Latakia tatsächlich niedergeschlagen worden sein sollten – das Risiko eines weiteren blutigen Bürgerkriegs in Syrien ist nach wie vor hoch.

Zusammenfassung

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  • In Latakia eskalierte der Konflikt zwischen Anhängern der gestürzten Assad-Regierung und der aktuellen HTS-Regierung, mindestens 340 Tote.
  • Ehemalige Assad-Kämpfer erhoben sich in der gesamten Provinz
  • Festnahmen und öffentliche Erschießungen durch HTS-Kämpfer

Laut Aktivisten soll es mehr als 600 tote Zivilisten geben, heftige Gefechte – und grausame Rache. In der syrischen Provinz Latakia eskalierte die seit Monaten angespannte Lage zwischen Anhängern des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad und den Truppen des aktuellen Machthabers Abu Muhammad al-Jolani, der sich seit der Machtübernahme Ahmed al-Sharaa nennt. Im Dezember stürzte seine Terrororganisation „Hayat Tahrir al Sham (HTS)“ das Assad-Regime und bildete eine Übergangsregierung, die das nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg zerrissene Syrien einen sollte. 

Vor allem in der Provinz Latakia ist das nicht gelungen – dort bilden die Alawiten eine große Gruppe, die unter Assad wichtige Regierungsämter innehatten. Und von denen viele als brutale Schergen des Regimes galten. Zehntausende Regimegegner wurden damals gefoltert, waren jahrelang unter unwürdigen Bedingungen eingekerkert – ein guter Teil willkürlich. In den vergangenen Monaten häuften sich jedoch auch die oftmals willkürlichen Erschießungen und Entführungen von Alawiten durch Kämpfer der neuen Regierung. 

Koordinierte Aktion

Am Donnerstag eskalierte die Situation: Ehemalige Assad-Kämpfer legten einer HTS-Patrouille einen Hinterhalt, eröffneten das Feuer. Kurz darauf griffen Alawiten in der gesamten Region zu den Waffen, beschossen Checkpoints, griffen Polizeistationen an. Es soll sich um eine koordinierte Aktion, angeführt von ehemaligen Offizieren aus Assads Spezialeinsatzkräften handeln. In Sozialen Medien erklärten sie rasch, große Teile der Region in Besitz genommen zu haben – offenbar der Versuch, den raschen Vorstoß der HTS vom Dezember zu wiederholen. Mit fatalem Ausgang.

Damaskus entsandte eine Vielzahl von HTS-Kämpfern und schweres Gerät. Auf Videos soll zu sehen sein, wie die Stadt Dschabla von HTS-Kämpfern aus einem Militärhubschrauber bombardiert wird. Die Echtheit ist nicht unabhängig überprüfbar - so wie die Echtheit zahlreicher Videos, die schwerwiegende Gräueltaten auf beiden Seiten zeigen sollen.

Willkürliche Verhaftungen

 Am Freitagabend scheint die HTS die Situation unter Kontrolle gebracht zu haben. Mit willkürlichen Verhaftungen – die Assad-Anhänger versuchten nach der Niederlage, in Zivilkleidung unterzutauchen, weshalb zahlreiche Männer festgenommen wurden – und Dutzenden öffentlichen Erschießungen der Gefangenen. 

Vorerst scheint in Latakia bleierne Ruhe zu herrschen. Alawiten versammelten sich vor der russischen Luftbasis bei Dschabla, baten Russland um Unterstützung. Moskau dürfte jedoch versuchen, nicht in die Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden.

Anders der Iran, der einerseits Russland auffordert, Partei zu ergreifen – und der nach wie vor danach trachtet, die Lage in Syrien weiter zu destabilisieren. Anfang der Woche verkündete die proiranische „Islamische Widerstandsfront“, gegen die „türkisch-zionistischen Pläne“ - sie sehen die neue syrische Regierung als türkisch.-israelische Marionette - zu kämpfen. 

Hohes Bürgerkriegsrisiko

Neben den zu erwartenden Destabilisierungsversuchen seitens des Iran steht al-Jolani vor einem Berg weiterer Herausforderungen: Nicht nur in Latakia gibt es Berichte marodierender HTS-Kämpfer, die Kurden weigern sich, ihre Gebiete im Nordosten des Landes an Damaskus zu übergeben. Die Terrormiliz „Islamischer Staat (IS)“ erstarkt und verübt blutige Terroranschläge. Drusen und andere Minderheiten verschaffen im Süden des Landes immer wieder ihrem Ärger Luft – und Israel besetzt den vormals syrischen Teil der Golanhöhen. Selbst wenn die Aufstände in Latakia tatsächlich niedergeschlagen worden sein sollten – das Risiko eines weiteren blutigen Bürgerkriegs in Syrien ist nach wie vor hoch. 

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