Iran als Schlüsselspieler in Wien

Wie bei den Atomverhandlungen werden Kerry und sein iranischer Kollege Zarif in Wien aufeinandertreffen
Der kurzfristig einberufene zweite Syrien-Gipfel wird zum diplomatischen Großereignis.

Die neuerliche Syrien-Konferenz Donnerstag und Freitag in Wien verspricht dank der Teilnahme des Iran eine doppelte Premiere: Erstmals sitzen Iran und sein Erzfeind Saudi-Arabien an einem Tisch, um über eine Lösung für den Syrien-Konflikt zu sprechen, in dem beide diametrale Interessen vertreten. Und erstmals verhandeln die USA mit dem Iran über ein anderes Thema als den Konflikt um Teherans Atomprogramm, in dem man im Sommer in Wien ein Abkommen erzielte. Die dadurch möglich gewordene vorsichtige Annäherung zwischen den langjährigen Todfeinden Washington und Teheran zeigt so erstmals weltpolitische Auswirkungen

Es war Washington, das sich trotzdem mehrfach gegen eine Einbeziehung wandte. Teheran ist neben Moskau größter Unterstützer des syrischen Präsidenten Bashar al Assad. Iranische Spezialeinheiten sind in Syrien im Einsatz. Die von Teheran nicht nur militärisch hochgerüstete, sondern auch gesteuerte Schiiten-Miliz Hisbollah kämpft an vorderster Front für das Assad-Regime. Vergangenen Freitag, als die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, mit ihren Amtskollegen aus der Türkei und Saudi-Arabien in Wien konferierten, war das auch eines der Mankos des Gipfels: einer der entscheidenden Player in der Region fehlte.

Kehrtwende

Am Dienstag änderte die US-Regierung ihre Haltung und erklärte, dass Washington eine "multilaterale Einladung" erwarte, die auch an den Iran gehe. Und Teheran nahm die Einladung an: Außenminister Mohammad Zarif will mit drei Stellvertretern nach Wien kommen. Damit sind die Regionalmächte Türkei, Saudi-Arabien, Iran an einem Tisch. Die USA und Russland, kommen als globale wie regionale player ebenso dazu wie EU und UNO. In den Abendstunden des Mittwoch kamen ständig neue Teilnehmer des inzwischen höchstrangig besetzten Gipfels hinzu. Nach den Außenministern von Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Ägypten, kündigten sich noch der Irak, der Golfstaat Oman und schließlich auch noch China an. Die hochkarätige Runde wird sich, nach einem Treffen Kerry-Lawrow Donnerstagabend, am Freitag mit einem Fahrplan für einen politischen Übergang in Syrien befassen – wie weit Assad Teil davon sein soll, ist der größte Streitpunkt. Außerdem soll laut US-Medienberichten die UN-Vetomacht Russland überzeugt werden, einer UN-Resolution zuzustimmen, die Syriens Regime den Einsatz von Fassbomben verbietet. Diese haben in den vergangenen Monaten Blutbäder und Zivilisten, etwa in der Stadt Aleppo, angerichtet.

Während auf diplomatischer Ebene Bewegung in den Syrien-Konflikt zu kommen scheint, überschlagen sich auch am Boden die Ereignisse: Russland bombardiert, schickt jetzt auch Spezialeinheiten, die syrische Armee versucht in Allianz mit der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah und iranischen Truppen eine Offensive und auch die USA erwägen jetzt laut US-Verteidigungsminister Carter vermehrt begrenzte Bodeneinsätze gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien. Zugleich aber haben auch syrische Rebellenverbände im großen Umfang moderne Waffen erhalten. Und die scheinen der syrischen Armee zuzusetzen.

Für Russland jedenfalls scheint das syrische Abenteuer derzeit nicht nach Plan zu verlaufen – und daher jetzt auch die Entsendung von Eliteverbänden nach Syrien. Trotz drei Wochen Bombardement kommt die Offensive auf dem Boden kaum voran. Eher droht sie vielerorts in sich zusammenzubrechen. Etwa um Aleppo. Zwischenzeitlich gelang es dem IS sogar, die einzige Nachschubroute der Assad-Armee in die gesamte Region Aleppo zu kappen. Entlang dieser so hochsensiblen Wüstenstraße, über die der Nachschub für die geplante Schlacht um eine Millionenstadt rollen sollte und die nicht weit von IS-kontrolliertem Gebiet liegt, hatte die Armee angeblich nur acht unterbesetzte Checkpoints eingerichtet.

Auch in den Regionen Hama und der Provinz Latakia (dort ist das Hauptquartier der Russen) gingen Rebellen in die Offensive. Aus einem von Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) abgehörten Gespräch zwischen einem syrischen und einem russischen Militär ergibt sich auch, dass die russische Armee höchst unzufrieden mit der syrischen Armee ist.

Dass die Offensive der Armee auf der Stelle tritt (seit ihrem Beginn hat die FSA bis zu 60 syrische Panzer zerstört), liegt dabei auch an einer umfangreichen Waffenlieferung an die Rebellen. Mit Einwilligung der USA soll Saudi-Arabien zuletzt rund 500 Stück modernster Panzerabwehr an Verbände unter dem Schirm der FSA geliefert haben. Da ist aber noch ein Faktor: Seit Beginn der russischen Luftangriffe und der syrischen Offensive lassen die untereinander bisweilen verfeindeten Rebellenverbände ihre Differenzen ruhen und koordinieren sich wie kaum jemals zuvor.

Ausgegangen wird jetzt davon, dass die nach Syrien entsandten russischen Spezialeinheiten vor allem Ziele für die russische Luftwaffe ausforschen sollen, um zumindest die Luftschläge effizienter zu machen. Verluste werden dabei kaum zu vermeiden sein. Den Tod eines Soldaten in Latakia stellt die russische Führung bisher als Selbstmord da. Die Familie des 19-Jährigen, der die Leiche bereits übergeben wurde, berichtet dagegen von Knochenbrüchen und schweren Verletzungen.

Kommentare