Fast 1.000 Tote: In Syrien findet ein weiteres Massaker statt

Beduinen im Kampf gegen drusische Milizen
Neue Kämpfe rütteln einmal mehr an der Glaubwürdigkeit der syrischen Regierung.

Bis zu 1.000 Tote, Zehntausende Vertriebene – seit Freitag vergangener Woche eskaliert die Situation im Süden Syriens massiv. Grund dafür ist ein seit Langem schwelender Konflikt zwischen den Drusen und syrischen Beduinenstämmen, der vollends eskalierte, nachdem Beduinen einen drusischen Gemüsehändler ausgeraubt und entführt hatten.

Als Antwort nahmen drusische Milizen Beduinen als Geiseln – Kämpfe brachen aus. Kolonnen von Pick-ups weiterer Beduinenstämme aus den östlichen Regionen Syriens setzten sich in Bewegung, nahmen Kurs auf die Stadt Suwaida, dem Zentrum der etwa eine Million in Syrien lebenden Drusen.

Bedouin fighters ride on a vehicle along a street, at Sweida governorate

Die heftigen Gefechte gingen auch weiter, nachdem die syrische Regierung am Samstag eine Waffenruhe verkündet hatte. Einmal mehr ist klar, dass die Führung um den ehemaligen islamistischen Terror-Führer und sich nun als moderat gebenden Präsidenten Ahmed al-Sharaa wenig Möglichkeiten hat, außerhalb der großen Städte für Ordnung zu sorgen.

SYRIA-CONFLICT-DRUZE

Israel griff ein

Waren es im März Sharaas eigene Milizen, die Hunderte Alawiten in der Provinz Latakia ermordeten, scheint es seinen Truppen bei Suwaida nicht zu gelingen, eine tatsächliche Waffenruhe durchzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass einige drusische Fraktionen auch die Regierung in Damaskus als Feind sehen – und auch die ehemaligen Islamisten der Terrororganisation Hayat Tahrir al Sham beschossen.

Und auch Israel griff bislang in den Konflikt ein: Offiziell zum Schutz der Drusen beschossen die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) am Mittwoch militärische Einrichtungen der syrischen Regierung. Der strategische Plan geht wohl weiter: Eine drusische Autonomie im Süden Syriens würde extremistische Kräfte von Israels nordöstlichen Flanke fernhalten. Gleichzeitig gelten die israelischen Drusen als loyale Minderheit – viele haben Freunde und Verwandte unter den syrischen Drusen.

Das Misstrauen ist groß

Seit Jahren gibt es mehrere bewaffnete Milizen der Drusen, die ursprünglich gegründet wurden, um ihre Gemeinden vor Kämpfern des Islamischen Staates und Beduinen aus der östlichen Wüste zu schützen. Assad gewährte den Drusen widerwillig ein gewisses Maß an Autonomie, da sie es vermeiden wollten, an der Front im Bürgerkrieg eingesetzt zu werden. Seit Assads Sturz zögern die Drusen, ihre Waffen niederzulegen. Das Ergebnis ist ein Kreislauf des Misstrauens, in dem Regierungsanhänger die drusischen Fraktionen als potenzielle Separatisten oder Werkzeuge Israels darstellen.

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All das beschädigt die Glaubwürdigkeit Sharaas, der immer wieder öffentlich betont, er wolle einen „inklusiven Staat“ anführen. Und Alawiten und Drusen sind nicht die einzigen Minderheiten, die in den acht Monaten seit dem Assad-Sturz heimgesucht wurden. 

Anfang Juli eröffneten islamistische Terroristen das Feuer in der Damaszener Mar Elias-Kirche, als 200 Christen den Gottesdienst besuchten. 26 Menschen starben. Von den zu Beginn des Bürgerkriegs 2011 gab es in Syrien 2,1 Millionen Christen – jetzt sollen es nur noch etwa 300.000 sein. Und auch die Kurden blicken in eine ungewisse Zukunft: Zwar schloss man im März ein Abkommen mit den ehemaligen Feinden – der heutigen Regierung – ab, doch nach wie vor überwiegt das Misstrauen angesichts der Ereignisse in Suwaida und Latakia.

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